Herr Wolter, am Sonntag kommt es für Werder Bremens U19 auf Platz 11 zum Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft gegen den 1. FC Köln. Wie wichtig wäre ein Finaleinzug für den Verein?
Es wäre einfach schön! Es ist toll, wenn man als Verein wie Werder Bremen im Jugendbereich derart positiv auf sich aufmerksam machen kann mit einer U19-Mannschaft, die sowohl im Pokal-Endspiel als auch im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft steht. Das ist eine schöne Belohnung für uns, die uns in der Corona-Zeit verwehrt geblieben ist.
Inwiefern?
Wir standen damals mit dem Jahrgang 2001/2002 auch im DFB-Pokal-Halbfinale und waren Spitzenreiter in unserer Staffel – hätten unter normalen Umständen also auch um die Deutsche Meisterschaft mitgespielt. Das ist uns durch den Abbruch der Saison durch die Corona-Pandemie leider genommen worden. Insofern sehe ich es für uns als Verein als Belohnung an, dass wir das jetzt noch einmal erleben dürfen.
Letztmals und zum bisher einzigen Mal ist Werders U19 im Jahr 1999 deutscher A-Jugendmeister geworden. Damals mit Spielern wie Tim Borowski, Christian Schulz, Simon Rolfes…
…und Markus Krösche war auch dabei!
Inwieweit würde ein erneuter Titelgewinn dabei helfen, die Nachwuchsarbeit noch mehr zu stärken - auch mit Blick auf die Verpflichtung externer Talente?
Natürlich würde das helfen, das ist ganz klar. Ein Titel strahlt ja immer auch nach außen. Wobei man nicht vergessen darf, dass wir auch in den Jahren seit 1999 sehr gute Arbeit geleistet haben. Das Wichtigste ist immer noch, junge Spieler in den Profibereich zu bringen. Und das haben wir ja all die Jahre gemacht – auch ohne Meistertitel. Aber natürlich ist es nach außen hin genauso wichtig.
Vor zwei Jahren ist Werders U23 in die Bremen-Liga abgestiegen und stand am Abgrund. Jetzt sind sowohl die U19 als auch die U23 in der Regionalliga sehr erfolgreich unterwegs. Woran liegt das?
In erster Linie daran, dass wir viele gute Spieler haben. Das ist immer das alles Entscheidende. Zudem haben wir die richtigen Schlüsse aus dem Abstieg vor zwei Jahren für uns gezogen. Es war wichtig, dass wir es mit der U23 geschafft haben, das Ganze innerhalb eines Jahres wieder zu bereinigen und dass wir bestimmte Sachen anders angegangen sind als noch vor zwei Jahren. Aber nicht alles.
Was haben Sie beibehalten?
Wir haben zum Beispiel nach wie vor zwei ältere Spieler in der U23 dabei, weil wir sagen, so eine U23 ist ein fragiles Gebilde. Die braucht ein bisschen Erfahrung um sich herum, die braucht Hilfe. Das ist uns mit Cimo Röcker und Maik Lukowicz gut gelungen.
Und was ist das Erfolgsgeheimnis der U19?
Bei der U19 haben wir jetzt zwei sehr, sehr gute Jahrgänge zusammen. Die 2006er auf der einen Seite, aber vor allem auch die 2007er, die wir sowieso schon sehr gut besetzt hatten im U17-Bereich. Dazu hatten wir das Glück, dass wir mit Patrice Covic und Karim Coulibaly noch zwei weitere spannende Talente dazuholen konnten. Plus Stefan Smarkalev im Tor, den darf ich vergessen. Das alles summiert sich zu einer erfolgreichen Mannschaft.
Sind Covic, Coulibaly oder auch Smarkalev die U19-Talente, denen Sie am ehesten den Sprung zu den Profis zutrauen?
Es sind viele dabei, die das Potenzial haben. Ich habe es damals selbst mit Jungs aus dem Jahrgang 1989 erlebt, mit Philipp Bargfrede, Sebastian Mielitz, Timo Perthel, Dennis Diekmeier, die es alle geschafft haben, in den Profibereich zu kommen. Da gibt es erfahrungsgemäß oft noch die eine oder andere Überraschung. Das können auch mal Jungs sein, die jetzt noch gar nicht so im Fokus stehen, aber die schon einen enormen Sprung gemacht haben. Ich habe im Fußball schon zu viel erlebt, als dass ich sagen kann, es ist der, der oder der. Aber wir haben sehr viele Spieler mit sehr viel Potenzial dabei.
Einer mit Potenzial ist Salim Musah, der in der kommenden Saison in den Herrenbereich aufrücken wird und mit dem Gespräche über einen Profivertrag geführt werden. Wie plant der Verein mit ihm?
Wir wissen, was wir an Salim haben. Leider haben wir bei ihm noch nicht so den richtigen Rhythmus hingekriegt, weil er zwischendurch immer wieder Verletzungen hatte, die ihn zurückgeworfen haben. Wir planen voll mit ihm. Er hat noch einen Vertrag bei uns. Und als Verein wollen wir Jungs wie Salim gerne halten, weil wir die Hoffnung haben, dass gerade Talente aus der Region, Salim kommt aus Oldenburg, ihren Weg bei uns gehen. Jungs aus der Region bei uns in der Bundesliga zu haben, ist doch genau das, was wir wollen und auch ein Zeichen an alle anderen Talente. Auch wenn es für Salim, wie für alle anderen Talente, noch ein weiter Weg ist.
Ein weiteres Top-Talent ist U19-Keeper Stefan Smarkalev, der beim Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Eintracht Frankfurt mit einem frechen Panenka-Elfer für Aufsehen gesorgt hat. Wie bewerten Sie seine Entwicklung?
Ganz ehrlich: Bei seinem Heber am Sonntag – da habe ich Blut und Wasser geschwitzt. Es sagt natürlich trotzdem viel aus über sein Selbstvertrauen aus, was für Torhüter auch enorm wichtig ist. Es ist gut, dass Stefan das mitbringt, das brauchst du für den Profibereich. Aber er muss auch aufpassen. Es ist oft ein schmaler Grat zwischen Selbstbewusstsein und Überheblichkeit. Da befindet er sich gerade in einem Lernprozess, auch das gehört zur Ausbildung dazu. Das Paket, was er mitbringt, ist aber enorm gut. Er macht einen super Job. Nicht umsonst wollen wir ihn schon ein Jahr früher hochziehen in die U23.
Wer soll noch aus der U19 hochgezogen werden?
Da stecken wir noch mitten in den Planungen, da reden wir schon über einige Namen, wollen das final aber nochmal in Ruhe besprechen. Wir fokussieren uns jetzt mit der Mannschaft voll auf die kommenden Spiele und hoffen, dass die Jungs den Flow bis zum Pokalfinale am 23. Mai mitnehmen.
Wie werden die Top-Talente wie Patrice Covic, der seit Winter regelmäßig bei den Profis trainiert, auf den Druck der Öffentlichkeit vorbereitet?
Das ist ein Prozess. Dafür haben wir ganz viele Leute um unsere Jungs herum. Das sind ja nicht nur die Trainer. Wir haben unsere Sportpsychologen und Pädagogen. Wir haben die Athletiktrainer, sodass sie sich auf der einen Seite körperlich darauf vorbereiten, aber auch mental. Und genauso machen wir auch Medienschulungen für die Jungs, damit sie wissen, was auf sie zukommt.
Wie schlägt sich Covic bei den Profis?
Seitdem Patrice im Winter regelmäßig dabei ist, macht er das wirklich gut. Wie er seinen Körper jetzt in den U19-Spielen einsetzt, da merkt man, dass ihn das Profi-Training voranbringt. Er ist deutlich cleverer geworden und setzt ganz andere Akzente. Das ist unser Ziel. Der Profi-Trainer muss, wenn wir jemanden hochgeben, sagen: Jawohl, den kann ich gebrauchen, der bleibt hier! Und irgendwann kommt dann der Moment, in dem du eingesetzt wirst. Dann musst du vorbereitet sein.
Dennoch wird im Umfeld häufig schnell gemosert, wenn Talente nicht unmittelbar zum Einsatz kommen.
Ja, aber das ist ja normal. Gerade im Fußballgeschäft wird ja jeden Tag suggeriert, was alles machbar ist, was alles geht. Und alle sehen ja immer nur den einen Spieler. Mario Götze hat die U23 damals gar nicht gebraucht, der ist direkt durchgestartet zu den Profis in Dortmund. Aber das ist eben die absolute Ausnahme. Der Großteil der Spieler braucht eine Zeit lang - manchmal nicht nur ein Jahr, sondern zwei, drei oder vier. Und da ist die Ungeduld oftmals groß – bei den Spielern, im Umfeld, aber teilweise auch in den Vereinen. Thomas Schaaf hat dazu mal einen wunderbaren Satz gesagt: „So schnell es geht, so lange es braucht.“