Die Liste ist inzwischen lang: Patrice Covic (16 Jahre alt), Karim Coulibaly (17), Ivan Yermachkov (18), Neal Afriyie (15) und David Igboanugo (19) – sie alle hat der SV Werder Bremen in den vergangenen Wochen und Monaten verpflichtet. Die Jagd nach Talenten hat nicht nur, aber eben auch an der Weser Fahrt aufgenommen, denn der Weg, den die Grün-Weißen als selbsterklärter Ausbildungsverein gehen wollen, ist klar: Werder will junge Spieler zu Profifußballern ausbilden, um sie später für eine hohe Ablösesumme verkaufen und das eingenommene Geld in den Profikader stecken zu können. Nur so bleiben die Bremer, die im Bundesliga-Vergleich geringere finanzielle Möglichkeiten haben, auf Dauer konkurrenzfähig.
Das ist allen Beteiligten bewusst, doch in den vergangenen Jahren machten die Bremer kaum mit der Verpflichtung vielversprechender Talente von sich reden. „Wir hatten erst die Coronaphase und haben dann vielleicht auch durch den Abstieg etwas an Attraktivität verloren“, sagt Clemens Fritz, Werders neuer Sportchef, im Gespräch mit unserer Deichstube und fügt an: „Uns war bewusst, dass wir in diesem Bereich ein Stück weit nachlegen müssen.“
Genau das hat der Klub nun also getan. Verbunden mit der Hoffnung, dass sich das Invest in der Zukunft auszahlt. „Wir haben jetzt schon ein paar spannende Transfers getätigt. Das sind alles Jungs, denen wir den Sprung zu den Profis zutrauen, aber sicherlich muss man ihnen die nötige Zeit geben“, erklärt Fritz, wohlwissend, dass der Transfer-Sommer noch jung ist und weitere Neuverpflichtungen folgen könnten.
Doch nicht nur Werder verfolgt den ehrgeizigen Plan, junge Talente zu Geld zu machen. Immer häufiger werden die Talente, die zwischen den Fußballvereinen Europas hin- und herwechseln, immer jünger. Diesen Eindruck könnte man zumindest gewinnen. Doch ist es tatsächlich ein Trend, der da erkennbar ist?
Nein, das belegt ein Blick in die Vergangenheit. Bereits im Sommer 1999 schrieb die Deutsche Presse-Agentur (dpa): „Fragwürdiges Gebaren: Englische Clubs holen immer jüngere Kicker.“ Top-Adressen wie Manchester United und der FC Arsenal aus London hatten schon seinerzeit die Talente der Konkurrenz mit vermeintlich fragwürdigen Angeboten abgeworben, Spielerberater Jagd auf junge Fußballer gemacht. „Eine Altersgrenze nach unten scheint es nicht zu geben“, kritisierte Autor Martin Pütter. Und Matthias Wolf hob im Jahr 2012 in seinem Artikel „Spielerberater in der Kritik: Der Schatten der Talente“ für den "Tagesspiegel" hervor, dass die Berater immer häufiger jüngere Spieler im Blick hätten, um sie unter Vertrag zu nehmen und in den Nachwuchsleistungszentren der Profivereine unterzubringen. „Eltern und Vereine sind oft hilflos“, stellte der Autor fest.
Lesen Sie auch: Neuzugang Marco Grüll über die EM und seine Vorfreude auf Werder
Auch beim SV Werder Bremen wird nicht erst seit diesem Sommer auf junge Talente gesetzt. Als beispielsweise Maximilian Eggestein im Jahr 2011 ins Bremer Nachwuchsleistungszentrum wechselte, war er 14 Jahre alt – Bruder Johannes folgte im Jahr 2013 als 15-Jähriger. Waren es früher gerne Spieler aus der Region, die den Weg an den Osterdeich fanden, kann Werder aufgrund gestiegener finanzieller Möglichkeiten auch bundesweit und international nach absoluten Toptalenten Ausschau halten. Möglich macht das der Investoren-Einstieg eines regionalen Bündnisses, welcher den Grün-Weißen 38 Millionen Euro eingebracht hat. Geld, das auch dafür verwendet werden soll, junge Spieler zu verpflichten, um sie gewinnbringend zu verkaufen.
Dass sich dieser Weg auszahlen kann, hat die jüngere Bremer Vergangenheit durchaus gezeigt. Egal ob Josh Sargent, Davie Selke, Ilia Gruev oder Maximilian Eggestein, sie alle wechselten als Unter-18-Jährige zum SV Werder, entwickelten sich an der Weser zu Profifußballern und verließen den Verein später für hohe Ablösesummen. Allein die vier genannten Spieler brachten Werder Transfererlöse in Höhe von 29 Millionen Euro ein. Das Geschäft mit den Talenten ist also ein verlockendes – und das gilt nicht nur für die Grün-Weißen. Der spanische Topverein FC Barcelona verpflichtete erst im vergangenen Sommer für 2,5 Millionen Euro den 16-jährigen Noah Darvich vom SC Freiburg und stattete den Junioren-Nationalspieler nicht nur mit einem langjährigen Vertrag aus, sondern legte zudem eine Ausstiegsklausel in Höhe von einer Milliarde Euro fest. Dimensionen, die vom SV Werder Bremen noch einmal ein gutes Stück entfernt sind.