Auf den Rängen herrschte gähnende Leere, die Tore waren abgebaut, und um Teile des Platzes herum flatterte rot-weißes Absperrband – kurz: Die besondere Atmosphäre, die das Bremer Weserstadion an Spieltagen erzeugen kann, war am Mittwochmittag allerhöchstens zu erahnen. Was nichts daran änderte, dass Jens Stage direkt nach seinem allerersten Rundgang durch die Arena ins Schwärmen geriet. Aber so richtig. „Es ist fantastisch, hier zu sein“, sagte der 25-Jährige – und fügte an: „Ich bin bereit, in diesem Stadion zu spielen, am liebsten schon in fünf Minuten.“
Etwas länger wird sich Stage zwar schon noch gedulden müssen, aber klar ist: Sein Wunsch wird in Erfüllung gehen. Am Mittwochnachmittag hat Werder Bremen offiziell die Verpflichtung des Mittelfeldspielers aus Dänemark bekannt gegeben, der vom dänischen Meister FC Kopenhagen an die Weser wechselt. Angaben über die Transfermodalitäten machten die Clubs nicht.
Nach Informationen unserer Deichstube hat Stage einen Vertrag bis 2026 unterschrieben, und Werder überweist rund vier Millionen Euro an Ablöse plus eventuelle erfolgsabhängige Bonuszahlungen nach Kopenhagen. Keine Frage: Das ist sehr viel Geld für einen Verein, der eigentlich kein Geld hat und bei seinen bisherigen Verstärkungen (Niklas Stark, Amos Pieper und Dikeni Salifou) auf ablösefreie Profis gesetzt hatte.
„Es ist ähnlich wie vor einem Jahr: Wir können eigentlich auch jetzt nur ablösefreie Spieler verpflichten“, erklärt Sportchef Frank Baumann im Gespräch mit unserer Deichstube – und ergänzt: „Aber wenn sich die Möglichkeit ergibt, einen Spieler zu bekommen, der uns qualitativ verbessert und später vielleicht einen finanziellen Mehrwert erbringt, dann sind wir bereit und in der Lage, einmal so einen Transfer zu machen wie auch im vergangenen Jahr bei Marvin Ducksch.“ Und Stage ist so ein Spieler, von dem Werders Verantwortliche glauben, dass er die Mannschaft auf Anhieb besser machen kann.
„Mit seiner Dynamik und Aggressivität kann er unser Spiel im Mittelfeld beleben“, sagt etwa der Leiter Profifußball Clemens Fritz, während Cheftrainer Ole Werner schwärmt: „Er ist physisch gut, fußballerisch gut ausgebildet und bringt auch eine gewisse Torgefahr mit. Wir sind überzeugt, dass er unserem Spiel direkt helfen kann.“ Bereits ab heute kann Werner mit Stage daran arbeiten: Der Neuzugang wird mit der Mannschaft direkt ins Trainingslager nach Österreich reisen.
Für den FC Kopenhagen hatte Stage seit seinem Wechsel von Aarhus GF im Sommer 2019 insgesamt 111 nationale und internationale Pflichtspiele bestritten, in denen ihm 21 Tore und elf Vorlagen gelangen. Seinen bisher einzigen Einsatz für die dänische Nationalmannschaft absolvierte er im vergangenen November. Der 25-Jährige fühlt sich im zentralen Mittelfeld am wohlsten und fungiert dort als eher defensiv ausgerichteter Achter, dem der Zug zum Tor aber nicht fehlt.
Stages Stärken erinner an Thomas Delaney
Es sind Attribute, die stark an einen gewissen Thomas Delaney erinnern, der im Winter 2017 ebenfalls vom FC Kopenhagen nach Bremen gewechselt war (Ablöse: zwei Millionen Euro) und seiner Karriere dort den entscheidenden Schub verpasste. Im Sommer 2018 verkaufte Werder den Dänen für 20 Millionen Euro an Borussia Dortmund. Ob Stage am Osterdeich eine ähnliche Entwicklung nehmen kann? Schwer zu sagen. Klar ist aber, dass die früheren Bremer Geschäfte mit dem FC Kopenhagen – ein halbes Jahr nach Delaney wechselte auch Ludwig Augustinsson 2017 nach Bremen – beim Stage-Deal ein Pluspunkt waren.
„Ich möchte betonen, dass wir sehr gute und professionelle Gespräche mit dem FC Kopenhagen hatten“, sagt Baumann – und erklärt: „Da haben sicherlich auch die beiden Transfers in der Vergangenheit geholfen. Club und Spieler konnten sehen, dass sich Spieler bei uns sehr gut entwickeln können, wovon dann am Ende alle profitieren.“ An den Weiterverkäufen von Delaney und Augustinsson (ging 2021 für 5,5 Millionen Euro zum FC Sevilla) hat nämlich auch der FC Kopenhagen anteilig profitiert.
Jens Stage hat sich mit seinen beiden Vorgängern in Bremen übrigens noch nicht ausgetauscht, sagt aber: „Ich habe natürlich die Entwicklung gesehen, die sie bei Werder genommen haben. Ich hoffe, dass ich genauso gut abliefern kann.“ Erst einmal möchte der Däne, an dem im Winter auch der FC Augsburg interessiert war, während des Trainingslagers im Zillertal aber seine neuen Kollegen kennenlernen und die Grundprinzipien der Bremer Spielweise verinnerlichen. „In der Saison möchte ich dann dabei mithelfen, dass wir mit dem Abstiegskampf nichts zu tun bekommen.“ Sollte das gelingen – Jens Stage dürfte die spezielle Atmosphäre im Weserstadion, die während seines ersten Besuchs am Mittwoch nur zu erahnen war, definitiv noch kennen und lieben lernen.