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Finanzielle Schieflage Drohender Punktabzug: Werder stand in Transferperiode unter Druck

Bei Werder hatten die Verantwortlichen oft betont, dass man nicht zwingend auf Spielerverkäufe im Sommer angewiesen sei. Hätten die Bremer aber keinen Transferüberschuss erzielt, hätte ein Punktabzug gedroht.
04.09.2023, 20:00 Uhr
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Von Björn Knips

Das Trikot mit dem Schriftzug von Niclas Füllkrug war auch in diesem Sommer wieder heiß begehrt bei Werder Bremen. Doch viele Käufer dürften nun nach dessen Last-Minute-Wechsel zu Borussia Dortmund ziemlich enttäuscht sein, vor allem, wenn sie erfahren, dass der Verkauf des Torjägers schon seit Beginn der Vorbereitung fest eingeplant war. Der Bundesligist brauchte die Ablösesumme nicht nur, um in diesem Sommer auf dem Transfermarkt handlungsfähig zu sein, sondern noch mehr, um eine weitere Strafe der Deutschen-Fußball-Liga (DFL) zu verhindern – und diesmal hätte sogar ein Punktabzug für die Saison 2024/25 gedroht.

Der bemerkenswerte Transferüberschuss von über 20 Millionen Euro sei daher dringend notwendig gewesen, wie Sportchef Frank Baumann unterstreicht und damit so manche Aussage aus den vergangenen Wochen einkassiert. Werder steckt in einem Dilemma und spielt dabei auch ein bisschen mit der eigenen Glaubwürdigkeit.

Werder Bremens Problem mit dem negativen Eigenkapital

„Wir sind handlungsfähig, und es ist nicht notwendig, dass wir erst verkaufen müssen“, hatte Baumann am 22. Juli im Trainingslager im Zillertal im Bezug auf mögliche Neuzugänge gesagt. Kurz darauf betonte sein Geschäftsführer-Kollege Klaus Filbry, dass der Verkauf eines Topspielers nicht zwingend notwendig sei: „Man muss dann sehen, wie man andere Dinge löst. Aber aktuell sind wir stabil. Ich hätte damit keine Probleme.“ Und auf die Frage, ob die DFL Werder wieder zur Kasse bitten könnte, meinte der Klubchef damals: „Aktuell nicht, weil die Regel geändert wurde. Nun wird es mit einem Punktabzug sanktioniert. Der droht uns aber auch nicht.“

Es geht um das negative Eigenkapital, das betroffene Klubs im Kalenderjahr um mindestens zehn Prozent verbessern müssen, um die Vorgaben zu erfüllen. Das ist Werder bereits einmal zum Verhängnis geworden, die DFL fordert eine Strafzahlung von 1,8 Millionen Euro. Die Grün-Weißen wehren sich dagegen, weil sie unter anderem den Berechnungszeitraum als falsch ansehen. Denn im Geschäftsjahr (1. Juli 2021 bis 30. Juni 2022) hatte Werder eigentlich ein Plus ausgewiesen. Die DFL als Vereinigung aller 36 Profiklubs hält jedoch an ihrer Vorgehensweise fest. Zum 31. Dezember 2022 betrug das negative Eigenkapital bei Werder 19,4 Millionen Euro und dürfte wegen fehlender Transfers mit großen Einnahmen bis zum 30. Juni weiter angestiegen sein.

Werder Bremen ging bewusst Risiko am Deadline Day ein

Gegenüber dem „kicker“ bestätigte Baumann nun, dass Werder finanziell extrem unter Druck stand. Lediglich eine Eigenkapital-Zufuhr, also zum Beispiel der kurzfristige Einstieg eines Investors bis Ende des Jahres, hätte eine Strafe noch verhindern können. „Dieses Szenario wollten wir vermeiden", so Baumann. Transfers mussten her – und zwar große. Wohl auch deshalb wurde eine Vertragsverlängerung mit Füllkrug lange Zeit eher halbherzig angegangen und einem Verkauf des Spielers sogar kurz vor Ende der Transferperiode zugestimmt. Das Risiko, keinen Ersatz mehr verpflichten zu können, wurde bewusst eingegangen. Und als die Verpflichtung des bis dahin warmgehaltenen Wunschkandidaten plötzlich platzte, kamen die Verantwortlichen am Deadline Day gehörig ins Rotieren, weil ein echter Plan B fehlte. Mit reichlich Glück wurde dann zumindest Rafael Borré  ausgeliehen – was sportlich Sinn ergibt, ohne Kaufoption aber nicht optimal ist.

Allerdings gibt es auch nur diesen einen Leihspieler im Kader. Alle anderen Neuzugänge wurden fest verpflichtet – Topstar Naby Keita (FC Liverpool) und der in der Vorbereitung so auffällige Dawid Kownacki (Fortuna Düsseldorf) sogar ablösefrei. Für die Belgier Senne Lynen (Royal Union Saint Gilliose) und Olivier Deman (Cercle Brügge) zahlten die Bremer zwei beziehungsweise vier Millionen Euro Ablöse – macht zusammen an Ausgaben bescheidene sechs Millionen Euro. Nur Köln, Darmstadt, Heidenheim und Bochum gaben laut der Internetplattform "transfermarkt.de" noch weniger für Neuzugänge aus.

Im Zwei- bis Dreijahresschnitt müssen wir deutlichen Gewinn machen, damit wir vom negativen Eigenkapital auch irgendwann runterkommen.
Frank Baumann

Dem stehen bei Werder Einnahmen von über 26 Millionen Euro gegenüber. Den größten Anteil daran hat Niclas Füllkrug mit fixen 14 Millionen Euro, die der BVB überweist. Für Ilia Gruev kommen 6,5 Millionen Euro aus Leeds dazu, für Niklas Schmidt 2,5 Millionen Euro aus Toulouse und für Lee Buchanan 1,5 Millionen Euro aus Birmingham. Der Rest verteilt sich auf Spieler wie Yannik Engelhardt, Oscar Schönfelder und Kyu-hyun Park.  Das bedeutet zusammen einen Transferüberschuss von 20 Millionen Euro und Platz sechs im Bundesliga-Ranking. Nur Leipzig, Frankfurt, Dortmund, Freiburg und Stuttgart verzeichneten ein höheres Plus.

„Im Zwei- bis Dreijahresschnitt müssen wir deutlichen Gewinn machen, damit wir vom negativen Eigenkapital auch irgendwann runterkommen. Deswegen sind wir gerade dabei, unsere Ziele zu erreichen“, erklärte Baumann. Der Sportchef erinnerte noch einmal daran, dass Werder ein Jahr zuvor ganz bewusst keine Leistungsträger verkauft habe, um als Aufsteiger den Klassenerhalt wahrscheinlicher zu machen. Das hätte den finanziellen Druck in diesem Sommer allerdings erheblich erhöht. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Werder auch Kredite (20 Millionen Euro) und eine Anleihe (17 Millionen Euro) bedienen muss. Trotz alledem sieht Baumann das Saisonziel, den Klassenerhalt, nicht gefährdet. Bei Radio Bremen meinte er: „Unser Kader hat sich nicht verschlechtert. Ich bin davon überzeugt, dass wir besser sind als fünf, sechs Mannschaften in der Liga – oder zumindest nicht schlechter.“ Klingt nach hartem Abstiegskampf.

Werder Bremen geht mit kleinem Kader in die Saison

Der spektakuläre und hochverdiente 4:0-Heimsieg gegen den FSV Mainz 05 zeichnete immerhin ein positiveres Bild, was speziell nach der schwachen Rückrunde, dem schlechten Auftakt und dem Füllkrug-Verlust guttat. Darüber freute sich Baumann natürlich, er blickte aber auch mit einer gewissen Verärgerung auf die Tage davor zurück: „Nach den drei verlorenen Spielen war die Erwartungshaltung, dass wir nicht nur keinen Spieler mehr abgeben, sondern auch noch zwei, drei Leistungsträger dazubekommen. Das ist einfach fernab jeder Realität."

Er vergaß dabei allerdings, dass er selbst und Filbry mit ihren Aussagen, aber auch Trainer Ole Werner mit seinen Worten Hoffnungen auf eine andere Kaderzusammenstellung gemacht hatten. So sprach der Coach stets von mehreren Baustellen, die noch geschlossen werden müssten. Das gelang aber allein auf der Position des Linksverteidigers. Der kleine Kader mit nur 24 Spielern könnte nun durchaus zum Problem werden, zumal die U23 nur noch in der Bremen-Liga spielt, Hilfe von dort also eher schwierig ist.

Die kleinere Auswahl macht es immerhin den Fans beim Trikotkauf einfacher – und jetzt wissen sie ja auch, dass der aufgedruckte Spielername mindestens bis zur nächsten Transferperiode im Januar noch da ist.

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