Jeden Sommer taucht sie aufs Neue auf: die 40-Punkte-Marke. Sie ist das Saisonziel der meisten Bundesliga-Aufsteiger oder eben jener Teams, die in der Spielzeit zuvor nur mit Mühe den Klassenerhalt geschafft haben. Dabei ist diese magische Grenze eigentlich ein Mythos. Seit der Einführung der Drei-Punkte-Regel zur Saison 1995/1996 und dem damit verbundenen Wechsel der Sehnsucht von 30 zu 40 Zählern war tatsächlich noch nie eine derart stattliche Ausbeute nötig um die Liga zu halten. In der Spielzeit 1997/1998 erwischte es einmal den Karlsruher SC aufgrund der schlechteren Tordifferenz mit 38 Punkten, ansonsten reichten in der Regel knappere Konten. Der SV Werder Bremen steht fünf Spieltage vor Schluss aktuell bei 31 Zählern. Um allerletzte Zweifel zu beseitigen, wäre ein wenig Zuwachs nicht schlecht. Aber wie viel? Kapitän Marco Friedl hat da klare Vorstellungen.
„Ich glaube, dass du um den Dreh mit 35 Punkten in der Liga bleiben wirst“, prognostizierte der Bremer Abwehrchef. „Ob es letztlich 33, 34 oder 36 sein werden, kann ich nicht sagen." Es stehe für ihn nur fest, dass seine Mannschaft nicht bis zum Ende im Abstiegskampf zu tun haben werde. „Ich denke nicht“, erklärte er und schob hinterher: „Ich hoffe nicht.“ Die nächste Chance zum Aufpolstern gibt es am Sonntag im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (15.30 Uhr).
Im Grunde hätte das Thema Ligazugehörigkeit längst beendet sein können. Ende Februar stand Werder bereits bei 29 Zählern, doch dann folgte am 23. Spieltag das enttäuschende 1:1 gegen den Tabellenletzten SV Darmstadt 98. Es war der Beginn einer Sieglos-Serie, die bis heute andauert, sieben Partien umfasst und fünf Niederlagen beinhaltet. Anstatt ums internationale Geschäft zu kämpfen oder sich zumindest entscheidend nach unten abzusichern, wird es plötzlich wieder knifflig. Aus einst elf Punkten Vorsprung auf die Gefahrenzone sind nur noch deren fünf geworden.
„Wir sollten nicht in Panik verfallen“, betont Marco Friedl. „Aber wir sollten die Alarmglocken anhaben und die Sinne schärfen. Es ist an der Zeit, dass sich alle im Verein und jeder, der es mit Werder hält, bewusst sein sollten, in welcher Situation wir uns befinden.“ Und der Österreicher verdeutlicht: „Mit einem einzigen Spieltag kann die Situation schon wieder eine ganz andere sein – in beide Richtungen. Wenn du gewinnst, schaut es gut aus. Wenn du verlierst und die anderen punkten, hängst du noch mehr mittendrin als jetzt schon.“
Das Szenario ist nicht neu an der Weser, vielmehr ereignet es sich jetzt schon zum wiederholten Male. Während der Abstiegssaison 2020/2021 stürzten die Bremer trotz guter Ausgangslage ab, auch vor knapp zwölf Monaten wurde es noch einmal brenzlig. Nicht nur die Fans, auch Marco Friedl nervt das – schließlich war er immer dabei. Er urteilt mit Blick auf die aktuelle Saison: „Wir sind sensationell in die Rückrunde gestartet, doch dann haben wir es unbewusst schleifen lassen, ohne dass wir zu wenig gemacht hätten.“ Und der Kapitän glaubt: „Vielleicht haben wir es zu sehr auf die leichte Schulter genommen und gedacht, dass es ja sowieso läuft.“