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Werder-Kolumne Werder hat eine neue Problemzone

Werder hinkt den Ansprüchen in dieser Saison hinterher, vor allem auch in der Offensive. Im Vergleich zum Bundesligadurchschnitt zeigt Werder bei eigenem Ballbesitz viele Schwächen, meint Jean-Julien Beer.
23.10.2023, 17:54 Uhr
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Werder hat eine neue Problemzone
Von Jean-Julien Beer

Die Ergebnisse trügen nicht: Auch wenn es Deftigeres gibt als eine 0:1-Niederlage beim Spitzenteam in Dortmund, hinkt Werder den eigenen Ansprüchen in dieser Saison bisher weit hinterher. Die sechs Niederlagen in acht Spielen (plus das Pokal-Aus beim Drittligisten Viktoria Köln) resultierten nämlich nicht aus Pech und ein paar unglücklichen Entscheidungen. Sie sind stattdessen die Summe vieler Defizite, die Werder auf dem Feld zu schaffen machen. Es gibt dafür einen aufschlussreichen statistischen Wert: den Durchschnittswert der anderen Bundesligavereine. Vergleicht man Werder mit dem Rest der Liga, wird schnell klar: Es reicht bisher nicht für Durchschnitt, die Bremer Mannschaft liegt deutlich darunter.

Vor allem in der Offensive: Im Schnitt gelingen einer Bundesligamannschaft in dieser Saison 1,77 Tore pro Spiel, bei Werder sind es 1,5. Die anderen schießen knapp 14-mal pro Spiel aufs gegnerische Tor, Werder nur rund elf Mal. Der Rest der Liga spielt 466 Pässe pro Spiel, das sind 40 mehr als Werder. Bei den Bremern kommen nur 323 Pässe beim eigenen Mitspieler an, im Schnitt schaffen die anderen hier mehr als 50 angekommene Pässe mehr in einem Spiel. Kein Wunder: Werder spielt durchschnittlich über 100 Fehlpässe pro Partie, der Ligaschnitt liegt hier bei 91. Auch bei den Flanken und Dribblings kann Werder nicht mal Durchschnitt vorweisen.

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Die Zusammenhänge sind offensichtlich, das zeigt sich bei den Ecken: Weil sich Werder bei dieser Spielweise eher selten mit Ball im gegnerischen Strafraum aufhält, bekommen die Grün-Weißen auch weniger Eckbälle, durch die man ein Tor erzwingen könnte: Eine Bundesligamannschaft erspielt sich durchschnittlich fünf Ecken pro 90 Minuten. Bei Werder sind es nur 3,5. Beim Ballbesitz sind 50 Prozent der Mittelwert der Liga – Werder kommt hier auf 48, obwohl schon beide Aufsteiger zu den Gegnern zählten, also Heidenheim und Darmstadt.

Man konnte solche Werte getrost als Spielerei abtun, so lange man einen Spielentscheider wie Niclas Füllkrug hatte, der selbst mehr Tore schoss als jeder andere in der Liga – und der entscheidend half, den Ball im gegnerischen Drittel zu halten und Torchancen einzuleiten. In dieser Saison ist es für Werder zu oft eine große Herausforderung, bei Ballbesitz gelungene Aktionen zu haben. An eroberten Bällen fehlt es nicht: Werder gewinnt deutlich mehr Zweikämpfe und Luftduelle als der Bundesliga-Schnitt – was zum Beispiel eine Qualität des kopfball- und zweikampfstarken Jens Stage ist, der im Mittelfeld durch seine Athletik viele Bälle zurückerobert. Aber daraus entsteht zu selten Torgefahr der eigenen Mannschaft. Im ersten Jahr ohne Füllkrug tut sich Werder enorm schwer damit, Tore zu schießen. Marvin Ducksch hat nach Elfmetern zwei Tore erzielt, braucht in dieser Saison mangels Vorlagen aber ernüchternde 300 Minuten pro Tor. Justin Njinmah hat mit zwei Treffern nach Einwechslungen geglänzt, kommt im Bundesligafußball aber noch an seine Grenzen, wenn er von Beginn an gegen einen gut sortierten Gegner ran soll. Der neue Stürmer Raphael Borré schoss ein Tor, alle anderen Angreifer noch gar keins.

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Bisher war Werders Defensive das Sorgenkind, weil Stellungsfehler, Passivität und fehlende Geschwindigkeit häufig ins Verderben führten. Nach knapp der Hälfte der Hinrunde ist aber der Angriff, der lange Werders Prunkstück war, mindestens eine Problemzone. Deshalb war es nachvollziehbar von Trainer Ole Werner, das Mittelfeld neu zu besetzen: Gegen Dortmund spielten dort Leo Bittencourt, Jens Stage und Romano Schmid in einem Dreieck – und damit Werders drei torgefährlichste Mittelfeldspieler. Bittencourt ist im Schnitt alle vier Spiele an einem Werder-Treffer beteiligt, Schmid alle 4,6 und Stage immerhin alle 5,4 Spiele. Zum Vergleich: Die deutlich defensiveren Senne Lynen und Christian Groß tragen alle sieben beziehungsweise alle 15 Spiele mal zu einem Tor ihrer Mannschaft bei – wobei Neuzugang Lynen bei schnellerer Integration das Potenzial für einen besseren Weg mitbringt. In Belgien trug er alle fünf Spiele zu einem Tor bei, trotz einer defensiven Rolle.

Genau diese Qualität könnte für Werder siegbringend werden, denn die Stürmer im Kader werden es – anders als das Traumpaar Füllkrug/Ducksch – in dieser Saison eher nicht auf eine zweistellige Trefferanzahl bringen. Auch Mitchell Weiser darf sich hier angesprochen fühlen: Im Bremer Trikot glänzte er immer mit einer starken Quote, im Schnitt war und ist er mindestens in jedem dritten Spiel an einem Tor beteiligt. Jetzt, wo ihm ein Abnehmer wie Füllkrug im Strafraum fehlt, muss er mit seinen Schussqualitäten vielleicht öfter selbst den Weg zum Tor suchen.

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