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Werder-Kolumne Bei Kapitän Friedl steht jetzt viel auf dem Spiel

Auch wenn er zum Kapitän gemacht wurde – unumstrittener Leistungsträger war Marco Friedl bei Werder bisher nicht. Konstant stärkere Leistungen wären für alle Beteiligten nun das Beste, meint Jean-Julien Beer.
11.09.2023, 17:20 Uhr
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Bei Kapitän Friedl steht jetzt viel auf dem Spiel
Von Jean-Julien Beer

Manchmal gibt es Nachrichten im Fußball, da denkt man: Wie bitte, echt jetzt? Eine solche Nachricht war, dass Hansi Flick nach der schwachen WM 2022 Nationaltrainer bleiben durfte. Oder der Wechsel von Cristiano Ronaldo in die saudische Wüste. Bei Werder gab es solche Nachrichten auch schon – gleich zweimal wegen Marco Friedl. Die Nachricht, dass Friedl von seinen Mitspielern zum Kapitän gewählt wurde, war im Sommer 2022 eine dieser Überraschungen. Und auch, dass er vom Trainer ein Jahr später im Amt bestätigt wurde.

Um es vorneweg zu sagen: Die Verwunderung darüber hatte bei Friedl nie etwas mit der Person zu tun, denn der 25 Jahre alte Profi hat sich stets korrekt verhalten und war in jungen Jahren lange ein Liebling der Fans. Keine Skandale, keine blöden Sprüche, alles in Ordnung.

Das Problem lag und liegt auf dem Feld: Seit 2018 spielt Friedl für Werder, er kam als junger Profi von Bayern München. Erst als Leihspieler, dann fest verpflichtet. Rund 3,5 Millionen überwies Werder im Sommer 2019 an die Bayern. Das schien ein guter Deal zu sein, denn Friedl brachte nach der Ausbildung bei Bayern viel mit, um in Bremen zu reifen und später für einen höheren Millionenbetrag verkauft zu werden. Doch dieser Plan ging nicht auf: Zu fehlerhaft waren Friedls Spiele in der Anfangszeit, als er oft als Linksverteidiger aufgestellt wurde. Im Abstiegskampf wurden die Fehler nicht weniger. Erst in der zweiten Liga wurde er zu einem Leistungsträger. Unterm Strich war das zu wenig, kein anderer Verein griff bisher zu.

Als Kapitän Ömer Toprak von Bord ging, brauchte Werder nach dem Aufstieg einen neuen Chef auf dem Rasen und Wortführer in der Kabine. Kandidaten gab es viele. Niclas Füllkrug, Leo Bittencourt, Jiri Pavlenka oder der dienstälteste Werderaner, Milos Veljkovic. Trainer Ole Werner ließ die Mannschaft wählen – und heraus kam Friedl.

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Das verwunderte nicht nur deshalb, weil er in der Hierarchie nicht vorne stand. Sondern auch, weil er nicht mit Leistung in der ersten Liga vorangegangen war. Die Hoffnung, das neue Amt könnte ihn stärken, zerschlug sich früh. Friedl war auch als Kapitän in den Bundesligaspielen an zu vielen Gegentoren beteiligt. Zeitweise konnte man vermuten, das Amt wäre eher eine Belastung.

Nach Niederlagen stellte sich der Österreicher immer der Öffentlichkeit, wozu er als Kapitän verpflichtet ist. Das war aber keine dankbare Aufgabe, als Werder wochenlang nicht gewann. Es war auch seinem Image nicht förderlich, dass er oft zu Fehlern Stellung beziehen musste. Eine Fußballmannschaft ist kein Ponyhof, in der Kabine kamen die vielen Worte nicht immer so gut an. So eine Truppe braucht nicht nur einen Chef, der in der Öffentlichkeit tapfer seinen Mann steht. Er muss es vor allem auch auf dem Feld tun, um Spiele zu gewinnen und sie nicht zu verlieren. Das gelang Friedl im Vorjahr zu selten. Ihn von dem Amt zu erlösen, wäre verständlich gewesen. Doch Werner entschied sich anders.

Die Problematik blieb Werder somit erhalten. Schon beim Pokal-Aus beim Drittligisten Viktoria Köln verschuldete Friedl das entscheidende Tor – und das größte Problem daran war die Dimension des Fehlers. Der frühere Nationalspieler Clemens Fritz redete als Vorgesetzter – was er selten macht – in der Öffentlichkeit Klartext: „Marco lässt sich da viel zu leicht ausspielen. Sein ganzes Anlaufverhalten ist schon verkehrt."

Ein Urteil, dass man über den Kapitän einer Mannschaft nicht zu oft fällen darf, sonst wird das Konstrukt wackelig. Friedl selbst hat sich eine bessere Saison vorgenommen: "Letztes Jahr war ich nicht zufrieden mit dem, was ich gezeigt habe. Ich weiß, ich kann es besser."

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Es wird darauf ankommen, konstant viel besser zu spielen. Friedls stärkere Leistung beim 4:0-Sieg gegen Mainz war ein Anfang. An guten Tagen sind seine Grätschen, seine präzisen diagonalen Pässe und sein Kopfballspiel für Werder wertvoll. Doch weil die schlechteren Tage zu häufig vorkamen, hat auch sein Nationaltrainer Ralf Rangnick zuletzt stets auf eine Nominierung des Werder-Kapitäns verzichtet. Das ist weder gut für den Marktwert, noch für das Selbstbewusstsein. Und auch nicht für sein Standing im Bremer Kader, wenn er in Länderspielpausen mit den Übriggebliebenen am Osterdeich trainieren muss.

Ob die Entscheidung von Werner, den Kapitän nicht zu wechseln, gut für Werder war, werden die nächsten Monate zeigen. Gut ist: Friedl will es nicht nur den Skeptikern beweisen, sondern auch dem Nationaltrainer. Der Bremer will an der Europameisterschaft im kommenden Sommer in Deutschland teilnehmen. Gelingen ihm nun viele stärkere Spiele, wäre das für alle Beteiligten das Beste.

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