In den vergangenen Wochen konnte man den Eindruck gewinnen, bei Werder würde es einen neuen Lautsprecher geben, einen mutigen und lautstarken Profi wie früher Niclas Füllkrug oder Max Kruse. Der Haken daran: Der neue, vermeintliche Lautsprecher hatte überhaupt nichts gesagt. Sein Name: Mio Backhaus. Seine Rolle: Ersatztorhüter. Fragt man aber Werder-Fans, was Mio Backhaus zuletzt gesagt habe, gibt es erstaunliche Antworten. „Der hat gesagt, dass er nächste Saison die Nummer 1 bei Werder sein will“, „Der hat keinen Bock mehr auf die Bank“, „Der will Werder verlassen, wenn er nicht endlich spielt“, „Er setzt Werder unter Druck: Zetterer oder er, einer muss gehen“. Man könnte diese Aufzählung fortführen.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Richtig ist nur: Mio Backhaus hat gar nichts gesagt. Wer ihn kennt, der weiß: Der Halb-Japaner, der im April 21 Jahre alt wird, ist dafür viel zu höflich. Er würde sich nie ins Tor reden oder seinen Rivalen öffentlich anzählen. Und doch verbreitete sich eine beachtliche Meinungs-Lawine unter den Fans. "Zetterer oder Backhaus?! Wer geht? Wer wird die Nummer 1?", fragte der größte Werder-Youtuber @realnico. Auch unsere Redaktion berichtete über die plötzlichen Spekulationen. Und zuletzt schrieb das Fachmagazin Kicker: „Backup reicht Backhaus nicht: Werder vor Torwart-Entscheidung“.
Im Profifußball läuft das so: Wer eine gut vernetzte Spielerberater-Agentur hinter sich hat, der muss nichts sagen, um eine solche Diskussion zu entfachen. Manchmal werden die Spieler selbst davon überrascht, dass sie plötzlich zu einem solchen Thema werden. Aus dem Umfeld der Spieler kommen dann Fragen auf, um ein Signal in die Fußballbranche zu senden: Es gibt hier ein Talent, das bei seinem Verein nicht spielt. Auch den Druck auf Werder erhöht das.
Interessant ist, dass die Diskussion Backhaus/Zetterer schon zum zweiten Mal aufkam. Das erste Mal war im Sommer, als Zetterer gerade eine starke Saison beendet und seinen Vertrag langfristig verlängert hatte. Ein äußerst schlechter Zeitpunkt war das damals, um in Bremen eine Torwartdiskussion zu führen. Trotzdem passierte es, nach dem Motto: Werder muss Backhaus spielen lassen, sonst schnappt sich ein Top-Klub das Superjuwel. Heute weiß man: Nichts davon ist passiert. Backhaus steht nicht im Werder-Tor und er wurde nicht von einem Top-Klub gekauft. Und ob er ein Superjuwel ist, muss sich auf Bundesliganiveau noch zeigen.
Denn Reden – auch das Reden über einen – ist nur das eine, beim Torwartspiel geht es auch darum, Leistung zu zeigen. Patzer in Testspielen der Sommervorbereitung und eher normale Leistungen im Training warfen die Frage auf, ob es zwei Mio Backhaus gibt: Der eine, um den eine Stammtorhüter-Diskussion entbrannt ist. Und ein anderer, der noch nie Bundesliga gespielt hat und der sich natürlich noch entwickeln muss.
Backhaus lebt von seinem Ruf
Backhaus lebt, wie viele Torwart-Talente, von seinem Ruf als deutscher Junioren-Nationaltorhüter, derzeit in der U20, und von dem großen Potenzial, das man unbestritten in ihm sehen kann: 1,94 Meter groß, gute Technik, und bei seinen Einsätzen im Vorjahr als Leihspieler beim niederländischen Absteiger FC Voldendam oft sehr gut – viel mehr gibt es über ihn noch nicht zu sagen. Dass ihn Vereine aus Dänemark gerne haben würden, ist richtig.
Fakt ist, dass Werder den Vertrag mit Zetterer auch deshalb zu verbesserten Bezügen verlängerte, weil sich beide Seiten eine gemeinsame Zukunft und absolute Ruhe im Tor versprachen. Denn nach dem Aufstieg zeigte sich schnell, dass Werder einen mitspielenden Torhüter wie Zetterer braucht. In der 2. Liga war Bremen der Favorit und spielte oft in der gegnerischen Hälfte, da benötigte die Abwehr keinen Torhüter, den sie unter Druck anspielen kann. Deshalb spielte Jiri Pavlenka, dessen Aufgabe darin bestand, die wenigen Chancen der Gegner zu vereiteln. In der Bundesliga aber tut sich Werder oft schwer mit dem Spielaufbau, gegen stärkere Gegner werden viele Rückpässe zu Zetterer gespielt, damit die Bremer hinten verlagern und neu aufbauen können. Mit Pavlenka wäre das nicht möglich gewesen.
Für Zetterer gibt es im modernen Fußball immer einen Markt, das Interesse von Manchester City war konkret. Doch er entschied sich für sein Werder-Versprechen. Auch für Backhaus gibt es einen Markt, der ist aber nicht 1a, sondern noch 1b – ein Markt für Talente. Die Frage ist deshalb eher nicht, ob er statt Zetterer ins Bremer Tor gehört, sondern was ihm eine komplette Saison auf der Ersatzbank gebracht hat. So ein Talent muss spielen, um sich zu entwickeln. In Bremen gibt es dafür derzeit keine Garantie. Selbst wenn ein größerer Verein Zetterer jetzt wegkaufen würde, wäre damit nicht automatisch der Weg für Backhaus geebnet. Werder würde dann zusätzlich einen erfahrenen Torhüter verpflichten, um kein Risiko einzugehen.