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Werder-Kolumne Was Friedl von früheren Kapitänen noch unterscheidet

Der ganz junge Marco Friedl war für Werder mal eine Investition mit der Hoffnung auf gute Rendite. Doch dieser Plan wackelt. Friedl ist kein Jungprofi mehr und muss sich bald entwickeln, meint Jean-Julien Beer.
06.03.2023, 17:48 Uhr
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Was Friedl von früheren Kapitänen noch unterscheidet
Von Jean-Julien Beer

Für viele war es eine Überraschung, dass Werders Wanderbinde vor der Saison bei Marco Friedl landete: Seine Mitspieler wählten ihn zum neuen Kapitän, nachdem Ömer Toprak den Verein verlassen hatte. Die Spielführerbinde bei Werder zu tragen, war zuletzt kein langes Vergnügen. Es wirkten viele Kurzzeit-Kapitäne. Dabei gab es Zeiten, als man in diesem Amt fast schon eine Institution in Bremen war: Von 2000 bis 2009 trug Frank Baumann die Binde. Von 2011 bis 2017 war es Clemens Fritz. Es verwundert nicht, dass beide heute im Management des Vereins wirken – sie identifizierten sich schon als Spieler mit Werder.

Danach kam die Zeit der Kurzzeit-Kapitäne, die das grün-weiße Schiff freiwillig und schnell verließen. 2017: Zlatko Junuzovic. 2018: Max Kruse. 2019 bis 2021: Niklas Moisander. 2021: Ömer Toprak. Sie alle, von Baumann bis Toprak, hatten eine Gemeinsamkeit – es waren erfahrene Leistungsträger und Führungsspieler. Solche hat Werder auch heute noch, sie heißen Niclas Füllkrug und Leonardo Bittencourt. Deshalb überraschte es, dass Friedl in Topraks Fußstapfen treten sollte, als Kapitän und als Abwehrchef.

Was man bisher sagen kann: Friedl ist kein Toprak. Der türkische Ex-Nationalspieler war geprägt von seiner Champions-League-Erfahrung, er kam taktisch und fußballerisch aus einer ganz anderen Liga. Wenn er sprach, hörte der Rest zu.

Friedl ist noch ein Suchender, wenn es um seine Rolle auf der Fußballbühne geht. Als Werder ihn im Januar 2018 vom FC Bayern holte, zunächst als Leihspieler, war er erst 19 Jahre jung. In Bremen sollte er reifen. Das Niveau der Bayern-Profis hatte er einfach noch nicht, aber eine Menge Potenzial nach einer jahrelangen Ausbildung im Nachwuchsleistungszentrum der Bayern. Als Werder ihn 2019 für 3,5 Millionen Euro fest verpflichtete, war das eine Investition mit Hoffnung auf gute Rendite: In seinen ersten anderthalb Jahren hatte Friedl sein Können aufblitzen lassen, aber auch viele Spiele mit groben Fehlern gezeigt. Die Hoffnung war, dass er die Fehler minimiert und dann als top ausgebildeter Abwehrspieler für eine zweistellige Millionensumme verkauft werden könnte, etwa nach England.

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Doch seither hat sich nicht viel verändert. Friedls Fehlerquote ist immer noch zu hoch, das wurde Werder nicht nur bei der 1:2-Niederlage in Augsburg zum Verhängnis. Es gibt eine Statistik, die für ihn 15 Fehler aufweist, die zu Gegentoren führten – das ist aktuell der Höchstwert der ganzen Bundesliga. Es folgen Konstaninos Mavropanos vom VfB Stuttgart und der ebenfalls wankelmütige Ozan Kabak aus Hoffenheim (beide mit 13 Fehlern). Auch bei Werder liegt Friedl weit vorne, hier folgt Milos Veljkovic mit acht solcher Fehler.

Natürlich sind Abwehrspieler näher dran, wenn der Gegner trifft. Sie sind deshalb automatisch an mehr Gegentreffern beteiligt als Stürmer oder Mittelfeldspieler. Ihre eigentliche Aufgabe ist es aber, Tore des Gegners nicht zu begünstigen, sondern sie zu verhindern. Das gelingt durch gutes Stellungsspiel, hohes Sprinttempo, gutes Kopfballspiel, ein perfektes Timing bei einer Grätsche oder – darin war Toprak ein Meister – durch Antizipieren.

Friedl schien nach harten Bundesliga-Lehrjahren auf einem guten Weg. In der zweiten Liga gehörte er zu den zuverlässigsten Kräften seines Fachs. Offen blieb aber, ob das an seiner persönlichen Entwicklung lag oder an der Qualität der Spielklasse. Zurück in der Bundesliga fehlt Friedl bisher genau die Konstanz, die ihn zu einem unumstrittenen Führungsspieler machen würde. Die einst erhoffte Entwicklung hat er bisher nicht geschafft.

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Er weiß das und spricht es an. Wie nach der Niederlage in Augsburg: „Wenn ich sage, dass wir alle schlafen, meine ich damit auch mich selbst.“ Das ist ehrlich und selbstkritisch. Wer aber als Kapitän vorangehen soll, darf nicht oft in die Verlegenheit geraten, derlei sagen zu müssen. Die nächsten Monate werden zeigen, ob andere Vereine bereit sind, für ihn eine zweistellige Ablöse zu zahlen. Werder würde das sehr helfen. Die Uhr tickt. Denn anders als von Werder entschuldigend angeführt, ist Friedl kein junger Spieler mehr: Kommende Woche wird er 25 – das ist das Durchschnittsalter aller Bundesligaprofis. Ob er auch auf dem Platz mehr sein kann als Durchschnitt, muss Friedl nun zeigen.

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