Nun also Dresden. Und damit auch der neunte Sieg im zehnten Spiel unter Ole Werner? Der Gedanke daran klingt zwar genau so verlockend wie realitätsnah, und er würde sogar zweifelsfrei jeder Machbarkeitsstudie standhalten. Aber irgendwie sagt mir eine warnende Stimme aus dem Off – und vielleicht ist es sogar die von Ole Werner: „Halt, stopp! Dresden wird ein ganz hartes Brett.“
In der Tat dürfte sich das auf den ersten Blick so ungleiche Duell nicht zum Selbstgänger für Werder entwickeln, denn mit Dynamo kommt ein veritabler Abstiegskandidat daher. Hört sich erst mal unlogisch an, hat aber durchaus Hintergrund. Abstiegskandidat, und trotzdem kein Selbstgänger? Stimmt. Zuweilen nämlich ist so eine Not- und Elend-Truppe schwerer bespielbar als ein potenzieller Mitbewerber um den Aufstieg. Ingolstadt lässt grüßen.

Die Gäste aus Sachsen werden sich – genau wie vor zwei Wochen das Schlusslicht aus Bayern – mit allen Mitteln gegen ihr Schicksal stemmen, sie werden kratzen und beißen, und sie kommen mit neuem Trainer. Auch das wird die Sache für Werder nicht einfacher machen. Denn mit so einem Personalwechsel wird halt automatisch der Konkurrenzkampf im Kader neu entfacht, und das wiederum kann beim Gegner den oft zitierten Impuls auslösen und bisher ungeahnte Kräfte freisetzen.
Es ist also Vorsicht geboten - zumal in der jetzigen Phase. Ein Rückschlag gegen einen vermeintlichen Außenseiter könnte auf weitere Sicht folgenschwer und nachhaltig Wirkung zeigen, doch genau das wird Ole Werner seinem Team in die Köpfe gemeißelt haben. Genau. Die Köpfe. Die muss der Coach jetzt erreichen. Denn Vieles spielt sich zehn Runden vor Schluss nicht nur auf dem Rasen ab, sondern hauptsächlich zwischen den Ohren. Jetzt zählt auch psychische Stärke, um nicht kurz vor dem Ziel so ins Trudeln zu geraten wie der HSV in den vergangenen Jahren. Oder, um noch mal den Klassiker von Olli Kahn zu bemühen, der es einfach auf den Punkt bringt: „Eier. Männer, wir brauchen Eier.“
Jörg Wontorra: Werder hat die nötigen Mentalitätsmonster
Aber: Werder hat diese Mentalitätsmonster, die angstbefreit durch die Liga marschieren. Füllkrug, Ducksch, Toprak. Typen, die mit breiter Brust vorangehen, die ihre Teamkollegen mitnehmen, und die sich allein schon durch selbstbewusstes Auftreten reichlich Respekt abholen. Dazu kommen als weiteres Faustpfand die sportliche Erfolgskette der jüngeren Vergangenheit sowie das Spielglück, das Werder im Gegensatz zum Abstiegsjahr auch wieder erreicht hat.
Das alles müsste also Garant sein für die notwendige Stabilität im Finish und Hoffnung machen auf ein Happy End. Und Hoffnung auf den nächsten Sieg macht mit Blick auf Sonntag noch ein besonderer Umstand: Gerade gegen Dresden müsste Werder nach dem glatten 0:3 im Hinspiel der Sinn nach Wiedergutmachung stehen. Die älteren Herrschaften werden es mit ihrer Routine schon richten, nachdem das Projekt „Jugend forscht“ kurz nach dem Anfang sein schnelles Ende gefunden hatte. Aber: Es wird ein hartes Brett.