Ein wenig aus der Mode sind sie ja schon gekommen, diese raschelnden Papierbeutelchen voller bunter Überraschungen, die es einst am Kiosk um die Ecke für verhältnismäßig kleines Geld zu kaufen gab. Dresdens Coach Guerino Capretti setzt dennoch vor dem Gastspiel in Bremen (Sonntag, 13.30 Uhr) weiterhin auf ihre Wirkung – zumindest im übertragenen Sinne. „Wir sind für Werder eine kleine Wundertüte, denn bei einem neuen Trainer weiß man nie genau, wie der Gegner spielt“, sagte am Freitag der Mann, der bei den Sachsen unter der Woche den entlassenen Alexander Schmidt ersetzte.
Und ganz falsch liegt der 40-Jährige mit seiner Einschätzung nicht, denn sein Bremer Berufskollege Ole Werner gibt durchaus zu, dass der personelle Wechsel Auswirkungen auf die Vorbereitung hatte. „Es ist schon eine besondere Situation, wenn vor dem Spiel beim Gegner eine Veränderung stattfindet. Das macht die Dinge insofern unberechenbarer, weil man keine Rückschlüsse aus den letzten Spielen von Dynamo Dresden ziehen kann“, erklärte Werner. „Man versucht sich dann damit zu beschäftigen, wofür der Trainer bei seinen letzten Stationen stand.“
Dabei ging der Blick unweigerlich nach Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt zum SC Verl. Dort hatte Capretti von 2017 an bis zuletzt gearbeitet, den einstigen Regionalligisten dabei in die 3. Liga geführt. Also besorgten sich Werders Co-Trainer Tom Cichon, der federführend für die Gegnerbeobachtung verantwortlich ist, und die Analysten Videomaterial aus der damaligen Zeit. Ole Werner verfügte aber auch schon vorher über einen gewissen Erfahrungsschatz. „Ich habe in der Vergangenheit das eine oder andere Spiel des SC Verl gesehen, weil wir zu meinen Kieler Zeiten dorthin Spieler abgegeben beziehungsweise verliehen hatten“, erläuterte der 33-Jährige. „Insofern ist mir bekannt, was er dort gemacht hat, aber das ist keine Garantie, dass er das eins zu eins auch in Dresden macht.“
Am Osterdeich tappt man also etwas im Dunkeln, wenn es darum geht, was da auf die Mannschaft im Endeffekt zukommen wird. „Man arbeitet in Wahrscheinlichkeiten, antizipiert, was für den Gegner mit dem Personal, das ihm zur Verfügung steht, passen könnte“, beschreibt Werders Chefcoach seine Vorbereitung. „Wir sind auf verschiedene Dinge gefasst, müssen aber trotzdem damit rechnen, dass wir erst in dem Moment, in dem wir den Aufstellungsbogen in der Hand halten, etwas mehr Klarheit haben.“ Klingt gefährlich, doch Werner bleibt gewohnt gelassen. „Da kommt es uns sicherlich zugute, dass wir in den vergangenen Wochen im Grunde gegen alle Grundordnungen gespielt haben, die im Fußball gängig sind.“
Werder will Hinspiel-Pleite gegen Dresden vergessen machen
Und überhaupt gefällt es ihm sowieso besser, wenn es seine Spieler sind, die der Partie ihren Stempel aufdrücken und so für die gewünschten Entwicklungen sorgen. Allerdings sollte genau das ja schon einmal passieren – vor gar nicht allzu langer Zeit sogar. Im jüngsten Heimspiel gegen den FC Ingolstadt, der tabellarisch noch etwas schlechter dasteht als die ebenfalls abstiegsbedrohten Dresdener. Das Ergebnis ist bekannt: Werder mühte sich enorm und spielte letztlich nur 1:1. Wenig überraschend ist niemand im Bremer Lager sonderlich erpicht darauf, dass sich die Geschichte in ähnlicher Form am Sonntagnachmittag wiederholt.
Ole Werner registriert jedoch eine ganz andere Atmosphäre rund um sein Team, klimatische Störungen sind nicht auszumachen. „Ich musste die Sinne nicht noch einmal schärfen, die waren vom ersten Trainingstag an geschärft“, machte er deutlich. „Wir haben speziell in den mannschaftstaktischen Einheiten eine sehr gute Qualität, Aggressivität und Intensität gehabt. Wir sind aber gewarnt – sowohl aus dem Hin- als auch dem Ingolstadt-Spiel. Wir wissen, dass es nicht mit weniger als hundert Prozent getan sein wird.“
So unangenehm die 0:3-Niederlage gegen Dynamo vor einigen Monaten aber auch war, so wenig Raum nahm sie aktuell in der Vorbereitung ein. „Ein Thema war das jetzt nicht – wäre es aber auch nicht gewesen, wenn kein Trainerwechsel stattgefunden hätte“, meinte Ole Werner. „Es hat sich bei uns viel getan, in Dresden ebenfalls. Klar ist aber auch, dass dieses Ergebnis zeigt, welche Qualität im Kader von Dynamo Dresden vorhanden ist. Unsere Aufgabe wird es sein, durch eine eigene gute Leistung unsere Qualität dem entgegenzustellen.“
Zumal der Spitzenreiter – auch wenn es nicht laut ausgesprochen wird – gern seinen ersten Platz verteidigen möchte. So ganz allmählich biegt die Saison schließlich auf die Zielgerade ein, ein Countdown von zehn Spielen trennt Werder noch von der möglichen Rückkehr in die erste Liga. Es ist ein Endspurt, der zumindest verbal noch immer betont unaufgeregt angegangen wird. „Es mag Situationen geben, in denen man über die Tabellenkonstellation spricht, bislang hatten wir das nicht“, sagte Werner. „Außerdem kennt ohnehin jeder die Tabelle.“ Alles andere wäre in der Tat ein Wunder – auch ohne zugehörige Tüte.