Am Ende wäre es vielleicht sogar ein Hauch zu viel der Fußball-Romantik gewesen: Thomas Schaaf, der große Double-Trainer des SV Werder Bremen, die Vereinslegende und Kultfigur, springt vor dem letzten Bundesliga-Spieltag ein und rettet eine Mannschaft, die eigentlich längst nicht mehr zu retten ist, doch noch irgendwie vor dem Abstieg. Wäre das der Ausgang jenes denkwürdigen 22. Mai 2021 gewesen – ein Denkmal von Schaaf würde vermutlich längst vor dem Weserstadion stehen. Nur endete die Sache vor nunmehr vier Wochen eben anders.
Ein Wunder hatte nämlich auch Schaaf, der nach der Entlassung von Cheftrainer Florian Kohfeldt auf Bitten des Vereins für eine Partie als Coach eingesprungen war, nicht mehr vollbringen können. Werder stieg nach einem 2:4 gegen Gladbach ab. Und inzwischen ist klar, dass es Schaafs letzter öffentlicher Auftritt als Vertreter des Vereins war.
Am frühen Montagabend gaben die Grün-Weißen offiziell bekannt, dass der auslaufende Vertrag des 60-Jährigen, der seit 2018 als Technischer Direktor bei Werder beschäftigt war, nicht verlängert wird – und zwar, weil schlicht kein Geld mehr für Schaaf da ist. „Aufgrund der wirtschaftlichen Situation und der notwendigen Einsparungen auch im Personalbereich konnten wir Thomas Schaaf leider kein Angebot unterbreiten“, lässt sich Sportchef Frank Baumann in einer Mitteilung zitieren.
Und weiter: „Wir werden die Position des Technischen Direktors aus wirtschaftlichen Gründen nicht neu besetzen. Die Aufgaben werden neu verteilt.“ Heißt konkret: Künftig sollen sich Björn Schierenbeck und Thomas Wolter, also der Direktor und der Sportliche Leiter des Bremer Nachwuchsleistungszentrums, Schaafs Arbeit untereinander aufteilen. Während des Trainingsauftakts der U 23 waren die Spieler gestern Vormittag darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass Schaaf ab sofort nicht mehr als Ansprechpartner für sie zuständig ist.
In den vergangenen drei Jahren hatte sich der Double-Trainer von 2004 um die Verzahnung von Profi- und Nachwuchsbereich gekümmert, hatte daran gearbeitet, eine entsprechend einheitliche Spielphilosophie im Leistungszentrum zu etablieren. Nach der gescheiterten Rettungsmission Ende Mai hatte sich Schaaf dann erst einmal in den Urlaub verabschiedet, wo er sich in Ruhe Gedanken über seine Zukunft machen wollte. Sportchef Frank Baumann hatte derweil in den vergangenen Wochen wiederholt erklärt, sich eine weitere Zusammenarbeit mit Schaaf „sehr gut“ vorstellen zu können – was nun, im Nachhinein betrachtet, irritierend wirkt. Schließlich ist Werders finanzielle Schieflage, die letztlich zur Trennung von Schaaf geführt haben soll, nicht erst seit ein paar Tagen bekannt.
„Thomas hat unglaublich große Verdienste für den Verein erworben und hat auch in der Rolle als Technischer Direktor in den letzten drei Jahren wichtige Impulse setzen können“, lobt Baumann zum Abschied. Bemerkenswert: Schaaf selbst äußert sich in der Mitteilung nicht.
380 Pflichtspiele, zweimal Pokalsieger und Deutscher Meister
Nach Chefcoach Florian Kohfeldt, dem Aufsichtsratsvorsitzenden Marco Bode (tritt im September ab) sowie Co-Trainer Tim Borowski verlieren die Grün-Weißen in Schaaf das vierte langjährige Mitglied der Werder-Familie – und einen Mann, der den Verein so geprägt hat, wie kaum jemand vor ihm. 380 Pflichtspiele als Profi hat Schaaf zwischen 1980 und 1995 für Werder bestritten, dabei wurde er je zweimal DFB-Pokalsieger (1991, 1994) und Deutscher Meister (1988, 1993) und gewann den Europapokal der Pokalsieger (1992). Allein deshalb ist er schon eine der ganz großen Ikonen des Vereins, dem er seit 1972 angehört.
Legenden-Status sollte Schaaf endgültig jedoch erst Jahre später als Trainer erlangen. Zunächst rettete er Werder 1999 vor dem Abstieg und holte wenig später den Pokal. 2004 dann sein buchstäbliches Meisterstück: das Double. 2009 folgte ein weiterer Pokalsieg, ehe 2013 Schluss war und Schaaf entlassen wurde. Nun muss er „seinen“ Verein ein zweites Mal verlassen.
Wenn es um die im September anstehende Neubesetzung des Aufsichtsrats geht, wurde zuletzt auch immer mal wieder der Name Schaaf als möglicher Kandidat gehandelt – vor allem, weil der Wahlausschuss derzeit explizit nach Anwärtern mit großem Fußballsachverstand fahndet. Diese Anforderung erfüllt Schaaf problemlos. Die große (und derzeit noch unbeantwortete) Frage ist allerdings, ob er sich einen Posten im Kontrollgremium überhaupt vorstellen kann, zumal er zuletzt erst betont hatte, seine Trainerkarriere nie offiziell beendet zu haben.
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