Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kommentar über Werders Finanzlage Messi, Werder und die Sünden der Vergangenheit

Mit Corona kam im Fußball der Kreislauf des ganz großen Geldes zum Erliegen. Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, dass Werder Bremen im Sommer 2019 auf Spielerverkäufe verzichtete, meint Jean-Julien Beer.
04.02.2021, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Messi, Werder und die Sünden der Vergangenheit
Von Jean-Julien Beer

Die Probleme des Profifußballs infolge der Corona-Krise zeigen sich in einem erschreckenden Ausmaß. In Spanien veröffentlichte die Zeitung „El Mundo“ den Vertrag von Superstar Lionel Messi: Demnach kann der Spieler beim FC Barcelona binnen vier Jahren mehr als 555 Millionen Euro verdienen. Nach Abzug von Steuern, mit deren Zahlung Messi in der Vergangenheit jedoch diverse Probleme hatte, bleiben ihm mehr als 210.000 Euro netto. Und das täglich.

Während die Juristen diskutieren, ob diese Vertragsdetails an die Öffentlichkeit gelangen durften, beschäftigt die Anhänger des FC Barcelona eine andere Frage: Wie soll der Klub dieses Gehalt weiterhin bezahlen? Die Einnahme-Verluste durch die Pandemie haben auch den spanischen Branchenriesen mit großer Wucht getroffen. Zuletzt war durchgesickert, dass der FC Barcelona inzwischen mit 1,17 Milliarden Euro Schulden in eine finanzielle Schieflage von historischem Ausmaß geraten ist. Die Vereinsführung dementierte das nicht.

Lesen Sie auch

Man kann den Arbeitsvertrag von Messi als völlig verrückt empfinden. Das Problem ist hier aber nicht der Spieler, sondern das System des Profifußballs. Messi erhielt diesen Vertrag vor der Pandemie, als solch unfassbare Summen ohne große Fragen akzeptiert wurden. In einem sich selbst beschleunigenden Kreislauf des Wahnsinns kosteten sehr gute Fußballer erst 100 Millionen und kurze Zeit später 200 Millionen Euro. An Käufern mangelte es nicht, obwohl auch die Gehälter und Beraterhonorare in den fetten Jahren vor der Krise explodierten.

Im Sog dieser Entwicklung wirtschaftete in Bremen auch der SV Werder. Es ist keine zwei Jahre her, dass man sich bei Werder für den Verkauf des Stürmers Milot Rashica eine vereinsinterne Rekordablöse von mehr als 35 Millionen Euro erhoffte. Der Markt gab das her. In jener Zeit schienen auch die mehr als zehn Millionen Euro Ablöse kein Problem, die Werder für den Kauf des Berliner Ersatzspielers Davie Selke vereinbarte. Doch sobald sich Corona verbreitete, kam im Fußball der Kreislauf des ganz großen Geldes zum Erliegen.

Lesen Sie auch

Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, dass Werder im Sommer 2019 bewusst auf Spielerverkäufe verzichtete und lieber auf zukünftige Transfereinnahmen vertraute, um sich eine Mannschaft zu leisten, die endlich wieder international spielen und somit noch größere Summen erwirtschaften sollte. Der Europapokal wurde verfehlt, und die Preise für Fußballspieler sind dramatisch gefallen, wie das Beispiel Rashica zeigt: Schon zu Beginn der Pandemie wollte dessen Wunschverein RB Leipzig keine 25 Millionen Euro zahlen, wenige Monate später waren Leverkusen 19 Millionen zu viel für diesen Spieler. Und auf dem gerade geschlossenen Wintertransfermarkt fand sich kein Klub, der 15 Millionen gezahlt hätte. Werder bräuchte das Geld aber dringend, um nicht noch mehr Kredite zur Liquiditätssicherung aufnehmen zu müssen. Denn auch in Bremen müssen die gut dotierten Spielerverträge aus Vor-Corona-Zeiten erfüllt werden, der Gehaltsverzicht ist marginal.

Findet sich im Sommer wieder kein Käufer für Rashica, könnte der Spieler ein Jahr später für null Euro gehen. Dann endet sein Vertrag. Werders Dilemma: Außer Rashica wurden zu viele Spieler geholt, für die es keinen Markt gibt. Sie sind zu alt, zu oft verletzt oder nicht so gut, wie Werder glaubt. Die Quittung: fehlende Transfereinnahmen. Es dürfte dauern, bis Trainer Florian Kohfeldt in diesem Kader relevante Werte entwickelt, die Rashica-Dimensionen erreichen. Werder hat auf die Zukunft gewettet. Und dabei noch nichts gewonnen.

Der veränderte Transfermarkt hat Folgen: Im unteren Segment, wo sich Werder bewegt, kommen die Klubs besser durch die Krise, die ein exzellentes Scouting betreiben. Talente entdecken, entwickeln und halbwegs gut verkaufen – das dürfte das Geschäftsmodell der nächsten Jahre sein. Aber kann Werder das? Der Fall des Tahith Chong, der entgegen der hauseigenen Scouting-Expertise kein Bundesliganiveau hatte und nach einem halben Jahr verschwand, lässt Zweifel zu. Bestätigen sie sich, könnte Werder auch hier von den Sünden der Vergangenheit noch schmerzhaft eingeholt werden.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)