Es geht um viel. Die Brisanz vor dem Nordkracher zwischen dem FC St. Pauli und SV Werder Bremen (Samstag, 13.30 Uhr) lässt sich nicht herunterspielen, auch wenn auch die nächsten Wochen wichtig werden. Der Erste der Tabelle reist zum Dritten, ein Punkt liegt zwischen beiden Teams. Viel mehr Druck geht kaum. Werder-Trainer Ole Werner lässt sich aber nicht anmerken, dass sein Pulsschlag höhere Sphären erreicht. „Für mich ist es eher Vorfreude und ein gutes Zeichen, dass wir diesen Druck haben und nicht auf Tabellenplatz acht stehen und um die goldene Ananas spielen.“
Sollte dieses Spitzenspiel also tatsächlich eine Partie wie jede andere sein? Wenn es nach Ole Werner geht, dann schon. „Es kribbelt, weil es ein besonderes Spiel, ein Nordderby in besonderer Atmosphäre ist und weil die Tabellenkonstellation so ist, wie sie ist“, gibt er zu. „Es hat aber auch letzte Woche bei mir gekribbelt und es wird auch nächste Woche kribbeln.“
Dann heißt der Gegner 1. FC Nürnberg, kurz darauf FC Schalke 04. Ähnliche Schwergewichte der Liga, ähnlich bedeutsam wären dann Siege gegen die direkte Konkurrenz im Aufstiegsrennen. Doch damit die Bremer Ausgangslage auch so gut wie aktuell ist, muss erst einmal in der Gegenwart ein gefälliges Ergebnis her.
St. Pauli aktuell stärkste Heimmannschaft
Dabei ist genau das gegen die aktuell stärkste Heimmannschaft alles andere als einfach – das weiß auch Ole Werner: „St. Pauli hat spielerische Stärken, agiert sehr variabel mit den zentralen Mittelfeldspielern, kann aber auch über lange Bälle gefährlich werden“, zählt der 33-Jährige auf. „Das macht es von der Herangehensweise schwierig, weil man sich fragen muss, welche Höhe man wählt und wie man diese Variabilität verteidigt.“
Die passenden Antworten auf diese Fragen wollte Werders Chefcoach mit seiner Mannschaft in dieser Woche erarbeiten. Zuletzt gegen Sandhausen war das mit den Lösungen noch so eine Sache. Überlegen waren die Bremer ja, auch Chancen gab es einige. Letztlich reichte es aber nur zu einem 1:1, weil ein tief stehender Gegner abermals in dieser Saison Probleme bereitete. Die gute Nachricht: Am Millerntor dürfte es ein paar Räume mehr geben. Die schlechte: Die Hamburger dürften auch selbst offensiv wesentlich mehr zu bieten haben als Stolperstein Sandhausen.
Es deutet also auf einen stürmischen Nachmittag an der Elbe hin. Die beiderseitige Angriffslust könnte in ein waschechtes Spektakel münden, wenngleich Werner darauf setzt, dass dies nicht gleichbedeutend mit einem kopflosen Anrennen ist. „Ich würde nicht von einem offenen Schlagabtausch sprechen, denn das würde bedeuten, dass beide Mannschaften defensiv ihre Aufgaben nicht so gut machen“, sagt der Bremer Trainer, der auf beiden Seiten stattdessen mit wesentlich mehr Disziplin rechnet. „Ich glaube schon, dass es um Taktik gehen wird und darum, wie man eine gewisse Kompaktheit herstellt und unter Druck verteidigt.“
Ganz ähnlich sieht es sein Gegenüber. „Bremen hat eine hohe Qualität im Kader und funktioniert auch als Mannschaft hervorragend. Ich denke, dass es ein offenes Spiel werden wird“, prognostizierte Timo Schultz, Trainer des FC St. Pauli am Donnerstag. „Auch die Bremer wollen immer nach vorne spielen. Wir wollen viel mit dem Ball agieren und kreativ nach vorne spielen, wir wissen aber auch, dass uns Phasen erwarten, wo wir dem Ball hinterherlaufen und verteidigen müssen. Da wird es dann darauf ankommen, dass wir kompakt bleiben und unsere Zweikämpfe gewinnen.“
Den erwarteten 29.546 Zuschauern im Stadion blüht am Samstag also ein echtes Duell auf Augenhöhe. Eines, in dem Werder in der Regel eine gute Figur abgab. Jedenfalls haben die Gastgeber nur den allerersten Ligavergleich im August 1977 für sich entscheiden können (3:1), ansonsten gab es meist Bremer Jubel (elf Siege, fünf Unentschieden). Daten, die schön klingen, aber bei Werder niemanden interessieren. Zumindest Clemens Fritz, den Leiter Profifußball, nicht. „Ich weiß, dass ihr alle Freunde von Statistiken seid, und das ist auch gut so“, entgegnete er den Journalisten während der Pressekonferenz. „Aber wir sollten uns auf keinen Fall auf solche Zahlen verlassen. Wir wissen um die Stärke der Paulianer und dürfen uns nicht mit Sachen beschäftigen, die vielleicht in der Vergangenheit mal gut geklappt haben, denn wir müssen es jetzt umsetzen.“
Und damit kommt wieder Ole Werner ins Spiel, dem die Gegenwart ebenfalls deutlich lieber ist. „Die Tagesform wird den Unterschied machen. Am Ende wird die Mannschaft gewinnen, die ihre Art von Fußball besser durchbringt“, ist er überzeugt. „Ich habe das Vertrauen, dass uns das gelingt, weil es uns in der Vergangenheit häufig gelungen ist. Und ich glaube, dass wir als Gruppe – wenn wir funktionieren – auch von St. Pauli sehr schwer zu schlagen sein werden. Den Beweis für dieses Gefühl müssen wir aber am Wochenende antreten.“
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