Es gibt Termine im Jahr, bei denen man schon im Voraus weiß, dass sie wohl eher wenig Freude bereiten werden. Für den SV Werder Bremen gehören Auswärtsspiele beim FC Bayern München – mit Ausnahme des Überraschungssiegs vor fast genau einem Jahr – seit Langem zu genau diesen Anlässen. Hinzu kommt, dass Werder aus personeller Sicht am Freitagabend einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt erwischt hatte, um beim deutschen Rekordmeister anzutreten. Durch den kurzfristigen Ausfall von Romano Schmid (muskuläre Probleme) sowie die verletzungsbedingten Auswechslungen von Jens Stage und Justin Njinmah fehlten den Bremern in der zweiten Halbzeit nicht weniger als acht potenzielle Stammspieler. „Wir sind heute wirklich auf dem Zahnfleisch unterwegs gewesen“, sagte Cheftrainer Ole Werner nach der 0:3-Niederlage in München über die angespannte Personalsituation.
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Dafür ließ sich der Auftritt der Bremer in der ersten Hälfte durchaus sehen. Die neu formierte Dreierkette mit Milos Veljkovic, Amos Pieper und Anthony Jung stand stabil und klärte sämtliche Flanken der Münchner aus dem Strafraum. „Wir haben in der ersten Halbzeit vieles richtig gemacht und das Tempo aus dem Spiel genommen“, analysierte Werner. Der Bremer Cheftrainer hatte die Begegnung aufgrund seiner Roten Karte aus der Vorwoche gegen Mainz 05 bekanntlich von der Tribüne aus verfolgen müssen. An der Seitenlinie vertrat ihn Co-Trainer Patrick Kohlmann, dem der defensive Auftritt in der ersten Hälfte ebenfalls gefiel: „Wir haben vieles von dem umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten.“ Dennoch betonte er: „Wir hätten vielleicht bei den wenigen Ballgewinnen klarere Torchancen erspielen können.“
Damit war das zentrale Problem im Bremer Spiel angesprochen. Denn abgesehen von der Gelegenheit von Marco Grüll nach einem sehenswerten Angriff (22.) gelang es Werder schon in der ersten Halbzeit kaum, für Entlastung zu sorgen. „Dass wir viel verteidigen müssen, war uns klar – dass wir allerdings so tief stehen würden, war eigentlich nicht der Plan“, erklärte Torhüter Michael Zetterer nach der Partie am DAZN-Mikrofon. „In der ersten Halbzeit hat ein wenig der Mut gefehlt, aus den Umschaltsituationen, die wir hatten, dann den Abschluss zu suchen“, meinte Werders Geschäftsführer Fußball Clemens Fritz. Dennoch schafften es die Bremer, mit einem 0:0 in die Pause zu gehen, was aufgrund des leidenschaftlichen Auftritts in der ersten Halbzeit definitiv als Erfolg gewertet werden durfte.
Was dann allerdings nach dem Seitenwechsel folgte, fasste Fritz treffend zusammen: „In der zweiten Halbzeit war es ein reines Wegverteidigen.“ Die Bayern zogen das Tempo merklich an, hatten zeitweise fast 80 Prozent Ballbesitz und drängten Werder tief in die eigene Hälfte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Co-Trainer Kohlmann bereits Jens Stage und Justin Njinmah verletzungsbedingt auswechseln müssen – ein Rückschlag, der das Bremer Spiel zusätzlich hemmte. „Das hat die Aufgabe für uns extrem schwer gemacht“, brachte es Leiter Profifußball Peter Niemeyer auf den Punkt. Werner sah das ähnlich: „Wenn du in München gewinnen willst, muss alles passen. Uns ist dann die Personalsituation auf die Füße gefallen, sodass uns die Körner gefehlt haben.“ Werder schaffte es nicht mehr, für Entlastung zu sorgen und blieb in der zweiten Halbzeit ohne Torschuss.
Angesichts des immer größer werdenden Drucks war die Münchner Führung nur eine Frage der Zeit – auch, wenn sie erneut durch eine umstrittene Schiedsrichterentscheidung begünstigt wurde. „Auf dem Platz hatte ich nicht das Gefühl, dass es ein Elfmeter ist. Tony war nur einen halben Meter von Kane entfernt – ich weiß nicht, wo er da seine Hände hintun soll“, kritisierte Veljkovic Entstehung des Führungstores von Harry Kane (56./HE). Auch Zetterer erinnerte direkt nach dem Spiel an eine ähnliche Szene: „Vor ein paar Wochen hatten wir gegen Augsburg genau so eine Situation. Da haben wir bei einem entscheidenden Spielstand keinen Elfmeter bekommen.“ Als Ausrede wollte jedoch kein Bremer diese Entscheidung heranziehen. „Bayern hat verdient gewonnen“, stellte Werner klar. Auch Fritz wollte die Schuld nicht bei den Unparteiischen suchen: „Die Elfmeter waren nicht die spielentscheidenden Szenen.“
Erste Entwarnung bei den Verletzten
Letztlich reichte die eigene Leistung nicht für einen Punktgewinn. Die beiden späten Gegentreffer durch Leroy Sané (82.) und erneut Harry Kane per Foulelfmeter (90.+5) brachten auch auf dem Papier klare Verhältnisse, was bei Werder für zusätzliche Enttäuschung sorgte. „Die zwei Gegentore kurz vor Schluss hätte ich gerne nicht gefressen“, sagte Niemeyer. Dennoch rückte bereits in der Nacht nach dem Spiel der Fokus auf die kommende Aufgabe: das Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim. Nachdem Clemens Fritz nach der Partie bereits eine erste leichte Entwarnung zu den Verletzungen von Schmid, Stage und Njinmah gab, hoffte auch Werner, im nächsten Spiel wieder mehr personelle Alternativen zu haben: „Jetzt geht es in erster Linie darum, die Daumen zu drücken, dass es bei den Jungs, die verletzt raus sind, nicht allzu schlimm ist. Das wäre für uns sehr wichtig.“ Damit das Heimspiel gegen Hoffenheim zu den Terminen gehört, die man gerne wahrnimmt.