Werder Bremen reitet weiter auf der Erfolgswelle: Im prestigeträchtigen Nordderby siegte das Nouri-Team trotz Rückstand, machte damit den Klassenerhalt so gut wie perfekt und kann sich nun berechtigte Hoffnungen auf Europa machen.
Die vielleicht schwerste Aufgabe des Tages mussten Werders Fußballer bestehen, als ihr Spiel gegen den Hamburger SV schon abgepfiffen war. Erst standen sie vor der Ostkurve und hörten, wie die Fans „Europapokal, Europapokal“ sangen. Dann standen sie vor den Reportern und wurden gefragt, ob das denn nicht langsam wirklich realistisch ist: dass sie in der nächsten Saison im Europapokal spielen. Und jetzt? Sollten sie jetzt etwa die Spaßbremsen spielen, nach diesem 2:1 im Nordderby am Ostersonntag? Oder sollten sie zu Träumern werden, die von ihren übermütigen Worten bald vielleicht eingeholt werden?
Die Bremer schafften es, Spaß zu haben und auch ein bisschen zu träumen – in genau der richtigen Dosierung. In die Fan-Gesänge stimmten sie ein, aber nicht zu lange und nicht zu intensiv. „Wir haben kurz mitgesungen“, sagte Mittelfeldmann Fin Bartels und schob hinterher: „Vielleicht wussten wir auch gar nicht, was da gerufen wird.“ Das war natürlich hübsch geflunkert. Die Bremer wussten ganz genau, dass ihre Fans jetzt hoffen, ihr Verein werde bald wieder so groß werden, wie er früher mal war. „Die Fans können träumen, aber wir bleiben ruhig“, sagte Bartels noch. „Wir können heute und morgen auch mal kurz träumen. Aber wir dürfen keinen Deut nachlassen.“
Sein Mittelfeldkollege Zlatko Junuzovic sagte: „Dass die Fans an die alten Zeiten anknüpfen wollen, das ist klar. Das wollen wir auch.“ Aber er und seine Kollegen haben in den vergangenen Wochen gemerkt, wie gut es ihnen tut, nicht von großen Zielen zu träumen, sondern kleine Schritte zu machen. Also blieben sie dabei, auch nach diesem emotionalen Triumph gegen den Nordrivalen HSV. „Solange rechnerisch noch alles möglich ist, fokussieren wir uns nur auf den nächsten Gegner“, sagte Trainer Alexander Nouri. „Wir lassen uns nicht verleiten in irgendeine Richtung. Wir bleiben weiter auf Kurs Klassenerhalt.“
Werder reift von Woche zu Woche
Dabei hat seine Mannschaft mit ihren jetzt 39 Punkten den Klassenerhalt in Wahrheit bereits so gut wie sicher. Sie orientiert sich in der Tabelle immer weiter nach oben und hat ihre Serie auf nun neun Partien hintereinander ohne Niederlage ausgebaut. In dieser Zeit hat sie 23 von 27 möglichen Punkten geholt – eine für Werder-Verhältnisse atemberaubende Bilanz.
Aber die Bremer überzeugen zurzeit nicht nur durch die Punkte, die sie holen. Sie reifen auch von Woche zu Woche. Sie entwickeln sich Spiel für Spiel ein Stückchen weiter. In der Partie gegen den HSV bewiesen sie, dass sie einen Rückstand in einen Sieg verwandeln können – und dass sie auch damit umgehen können, wenn der Gegner so gut wie gar nichts fürs Spiel tut. Sie glichen Michael Gregoritschs 0:1 (6.) durch den Treffer von Max Kruse aus (41.), der eingewechselte Florian Kainz erzielte dann das 2:1 (75.). Auch nach den vergebenen Großchancen der ersten Hälfte ließen die Bremer sich nicht beirren. Junuzovic hatte recht, als er sagte: „Wir haben zu hundert Prozent verdient gewonnen.“
Trainer Nouri analysierte: „Wir haben in der ersten Halbzeit leider nicht die Konsequenz gehabt wie in den vergangenen Wochen. Aber wir haben nicht die Geduld verloren.“ Bartels befand: „Wir haben es immer weiter versucht. Wir haben zu keiner Zeit Zweifel aufkommen lassen, dass wir hier doch noch als Sieger vom Platz gehen.“ Der Mittelfeldspieler erläuterte: „Wir sind wirklich gefestigt durch die letzten Ergebnisse. Deswegen haben wir das nötige Selbstvertrauen, um auch Rückschläge wegzustecken.“ Was entscheidend gewesen sei für den Sieg? „Der Glaube an uns“, sagte Bartels.
Wie viele seiner Kollegen betonte er, wie gut Werder zurzeit als Team funktioniert. „Dieser Zusammenhalt, dieses Auftreten als Einheit, das macht uns so stark“, sagte Junuzovic. Die Bremer hatten aber natürlich auch den nimmermüden und exzellenten Angreifer Kruse als prägenden, entscheidenden Individualisten der Partie. HSV-Trainer Markus Gisdol lobte: „Kruse ist herausragend gewesen. Er hat uns große Probleme bereitet.“
„Jeder Sieg tut gut. Aber Derbysiege sind noch schöner“
So mussten die Bremer an diesem Tag nur eine schlechte Nachricht verkraften: die Verletzung von Santiago Garcia, der in der 73. Minute vom Feld getragen wurde. „Erste Diagnose: Nackenverstauchung“, berichtete Nouri. Nun sei Garcia zu weiteren Untersuchungen in einer Klinik.
Der Rest des Teams durfte nach dem Triumph gegen den HSV den Abend genießen. „Jeder Sieg tut gut. Aber Derbysiege sind noch schöner“, sagte Sportchef Frank Baumann. „Was will man sonst feiern, wenn nicht so einen Derbysieg?“, fragte Bartels. Am Montag und Dienstag haben er und seine Kollegen frei. Erst am Mittwoch bittet Alexander Nouri zum nächsten Training.