Clemens Fritz musste kurz an seinen ehemaligen Trainer denken. „Wenn Thomas Schaaf zu mir gesagt hat, ,komm‘ mal in mein Büro‘, dann hatte ich zittrige Knie. Heute gehen die Spieler ins Büro und sagen: ,Trainer, warum spiele ich nicht?‘ Das hat sich sehr verändert.“ Der Fußball ist extrem schnelllebig, aus dem Spieler Fritz ist inzwischen der Leiter Profi-Fußball beim SV Werder Bremen geworden. Sebastian Kehl (Borussia Dortmund), Marcel Schäfer (VfL Wolfsburg) und Simon Rolfes (Bayer Leverkusen) sind einen ähnlichen Weg gegangen. Bei einer Diskussionsrunde mit dem Titel „Wie die neue Manager-Generation die Bundesliga verändert“ gab das Quartett auf der Spobis in Düsseldorf, der größten Sportbusiness-Konferenz in Europa, interessante Einblicke in seinen neuen Job.
„Uns Vier zeichnet aus: Wir konnten alle ganz gut gegen den Ball treten, aber unser neuer Beruf bringt ganz viele neue Herausforderungen mit sich – Kommunikation, Organisation, Struktur und Strategie. Da muss man sich auch die Zeit nehmen, dazulernen zu wollen“, betonte Kehl: „Wir haben alle Ausbildungen gemacht, Seminare bei der Uefa belegt oder auch ein Studium gemacht. Diese Bereitschaft, neu zu lernen und raus aus einem Erfolgsmodell zu gehen, das war ein wichtiger Punkt.“ Denn finanziell dürften die vier Ex-Profis dank ihrer erfolgreichen Karrieren längst ausgesorgt haben, sie müssen nicht mehr arbeiten „Wir lieben diesen Sport. Das sind unbeschreibliche Gefühle, wenn man sich in den Armen liegt. Diese Momente kann man sich nicht kaufen“, nannte Schäfer einen Antrieb, um sich für die neue Aufgabe zu begeistern. Dass dazu auch Tränen gehören, hatte Kehl am vergangenen Wochenende mit der verpassten Meisterschaft des BVB erlebt. „Es schmerzt immer noch sehr. Es war einfach brutal“, gestand der 43-jährige Sportdirektor. Eine Absage des lange geplanten Termins sei aber kein Thema gewesen.
Auch das gehört zum neuen Job. Kehl und seine Managerkollegen sind eben nicht mehr nur für sich verantwortlich, sondern für einen ganzen Klub. „Es gibt auch noch die Verwaltung, die vielen Mitarbeiter um die Mannschaft herum. Jeder weiß: In der Kabine kann es schon mal äußerst emotional zugehen, einen Mitarbeiter in der Verwaltung muss man sicher anders führen“, berichtete Schäfer. Der 38-Jährige hat gerade Jörg Schmadtke als Geschäftsführer Sport beim VW-Klub abgelöst – und da steht zum Beispiel alle zwei Wochen „ein Jour Fixe mit den Finanzlern“ in seinem Terminkalender.
Auch Fritz gab einen Einblick in seine Arbeit. „Es sind extrem viele Themen. Du versuchst eine gewisse Nähe zur Mannschaft zu haben, um Schwingungen mitzubekommen. Du tauscht dich mit dem Trainer aus, mit dem Staff. Ich versuche, fast alle Teamsitzungen mitzumachen und beim Training zu sein“, berichtete der 42-Jährige und war damit längst nicht fertig: „Es gibt noch viele andere Sitzungen im Verein, was unheimlich viel Zeit kostet. Aber die größte Herausforderung für uns alle ist: Vieles ist einfach nicht planbar – jemand verletzt sich, es passiert was auf dem Trainingsplatz, die Presse ruft an. Das macht es aber auch extrem spannend.“
Der Spagat mit den Leistungsträgern
Besonders herausfordernd ist das Transfergeschäft, das jetzt nach der Saison wieder Fahrt aufnimmt. „Bei fast allen Vereinen in Europa lautet das Businessmodell, Spieler für mehr Geld wieder zu verkaufen“, merkte Rolfes an, um dann ein kleines Dilemma zu beschreiben: „Die größten Werte haben nun mal deine Topspieler, die deine Achse bilden, die du gerne behalten möchtest, um die Mannschaft zu entwickeln. Und für die interessieren sich auch die meisten Klubs. Das ist ein schwieriger Spagat.“ Den auch Fritz kennt: „Wir haben alle die gleichen Probleme – nur auf unterschiedlichem finanziellen Niveau.“ Denn Werder hat eben keine Einnahmen aus dem internationalen Geschäft oder ein großes Unternehmen im Rücken, das ein Minus ausgleichen kann.
Teure Topstars können mitunter aber auch anstrengender sein als Profis bei einem Klub wie Werder. „Die Machtverhältnisse haben sich ein klein wenig verschoben. Spieler können über ihre Öffentlichkeit ganz anders Einfluss nehmen, zum Beispiel unkontrolliert Posts in den sozialen Medien absenden. Eigenvermarktung spielt eine viel größere Rolle in der Kabine als früher. Manchmal denkt der Spieler, er sei größer als der Klub. Dann kann es auch sein, dass man sagt: ,Es ist Zeit, dass du weiterziehst.‘ Das war früher anders“, verriet Kehl – und nicht nur das: „Die neue Spielergeneration will anders angepackt und angesprochen werden. Wir gehören noch zur Fußballgeneration mit klaren Hierarchien und einer anderen Ordnung. Deswegen können wir diese beiden Welten gut miteinander verbinden.“
So sieht es auch Fritz und lieferte dazu noch eine passende Geschichte aus dem Alltag einer Bundesliga-Mannschaft: „Du versuchst schon, den Kapitän und die Führungsspieler bei gewissen Themen abzuholen. Aber du darfst ihnen auch nicht zu viel geben. Denn dann wollen sie irgendwann immer mitbestimmen und fragen: Warum fliegen wir nicht zum Auswärtsspiel nach Berlin, sondern fahren mit dem Zug?“