Seit Donnerstag ist eine weitere Corona-Impfung zugelassen: Der US-Konzern Johnson & Johnson darf sein in Belgien entwickeltes Produkt in der EU ausliefern. Unterdessen wird eine zusätzliche Belieferung mit Sputnik V aus Russland ein zumindest denkbares Szenario. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wann kommt der Impfstoff von Johnson & Johnson in Deutschland an?
Das Bundesgesundheitsministerium hat ihn noch nicht eingeplant, weil dieser Punkt noch nicht ganz geklärt ist. Die EU-Kommission hofft auf eine erste Lieferung von 55 Millionen Dosen bis Ende Juni. Davon würden knapp zehn Millionen auf Deutschland entfallen.
Wie viel ist insgesamt bestellt?
Die EU hat rund 200 Millionen Dosen fest bestellt, davon gehen etwa 35 Millionen Dosen an Deutschland. Weil nur eine einzelne Spritze nötig ist, sind diese so viel wert wie 70 Millionen Biontech-Dosen. Johnson & Johnson kann also einen soliden Beitrag zum Impfprogramm leisten. Die EU hat außerdem eine Option auf die Lieferung von weiteren 200 Millionen Einheiten. Diese werden aber zumindest für den Eigenbedarf voraussichtlich nicht mehr gebraucht.
Können die USA uns die Versorgung kappen?
Der Impfstoff wurde von der J&J-Tochter Janssen Pharmaceutica aus Belgien entwickelt. Derzeit herrschen jedoch Unsicherheiten über den Verlauf der weiteren Produktionskette. Das Unternehmen hatte vor, die Grundsubstanz zur Weiterverarbeitung und Abfüllung an den Mutterkonzern nach New York zu liefern und dann zurück nach Europa zu verschiffen. Die Vereinigten Staaten erlauben jedoch einem Gesetz aus der Trump-Zeit zufolge keinen Export von Impfstoffen. Es gilt indessen als wahrscheinlich, dass Präsident Joe Biden angesichts seiner rund laufenden Impfkampagne hier keinen Ärger macht. Außerdem hat der französische Konzern Sanofi angeboten, seine Werke zur Abfüllung des Wirkstoffs zur Verfügung zu stellen.
Was sind die Vorteile des Vakzins von J&J?
Es ist nur eine Dosis nötig. Das hebt ihn unter fast allen Wettbewerbern heraus. Anders als der Biontech-Wirkstoff hält sich der von Johnson & Johnson zudem im normalen Kühlschrank. Die Nebenwirkungen sind die gleichen wie bei den anderen Impfstoffen.
Hat er Nachteile?
In der Praxis nicht. Die Wirksamkeitsrate liegt bei 66 Prozent, das ist etwas niedriger als bei Biontech. Das heißt aber nicht, dass er in den anderen Fällen nicht wirkt. Der Impfstoff verhindert zuverlässig schwere Verläufe. Er wirkt zwar schwächer, aber noch ausreichend gut gegen die Mutanten.
Die EMA prüft derzeit auch den russischen Impfstoff Sputnik V. Ist dieser sicher?
Sehr wahrscheinlich ja. Auch wenn die Marktzulassung in Russland selbst nach internationalen Standards übereilt erfolgte, haben inzwischen Millionen von Bürgern dort sowie in Indien, Ägypten, Ungarn und weiteren Ländern den Wirkstoff erhalten. Konkrete Probleme mit unangemessenen Nebenwirkungen wären inzwischen bekannt geworden
Ist Sputnik V wirksam?
Vermutlich ja. Es liegen zwar etwas weniger Studiendaten vor als für die konkurrierenden Präparate von Biontech und Astrazeneca. Die russischen Forscher haben jedoch ihre Ergebnisse jedoch für alle sichtbar in dem Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlicht. Sie haben den Impfstoff zwischen September und November vergangenen Jahres an knapp 15.000 Menschen erprobt. Dazu kamen weitere 5.000 Testpersonen in der Kontrollgruppe, die nicht den Wirkstoff, sondern eine neutrale Spritze erhalten haben. Dabei hat sich eine hervorragende Wirksamkeitsrate von 92 Prozent gezeigt. Das bedeutet: Dieser Impfstoff ist ein echter Pandemie-Stopper.
Womit ist Sputnik vergleichbar, wo liegen Unterschiede?
Der russische Impfstoff verwendet das gleiche Wirkprinzip wie die Entwicklungen von Astrazeneca, Johnson & Johnson und der chinesische Anbieter CanSino Biologics. Ein Vektorimpfstoff verwendet ein neutrales Virus, um Erbinformation zur Beschreibung des Corona-Virus in Zellen des Impflings zu schleusen. Sputnik geht hier besonders clever vor. Die Forscher verwenden zwei verschiedene Trägerviren für die erste und die zweite Dosis. Das umgeht ein Problem, unter dem Astrazeneca leidet. Zum Zeitpunkt der zweiten Dosis hat das Immunsystem dort nicht nur Antikörper gegen Corona entwickelt, sondern auch gegen das Impfvirus. Sputnik vermeidet diesen Effekt und wirkt deshalb möglicherweise besser.
Wie stehen die Chancen, das deutsche Impfprogramm um Sputnik-Dosen zu ergänzen?
Russland wäre bereit, in die EU zu liefern. Das Land braucht den Impfstoff zwar selbst, exportiert aber zugleich aus politischen Gründen. Die alte Großmacht will zeigen, dass sie immer noch technisch ganz vorne mitspielt und notfalls als Retter auftreten kann. Ein Zulassungsverfahren bei der Arzneibehörde EMA in Amsterdam läuft bereits. Die EU zeigt sich gegenüber den Lieferangeboten Russlands indessen nur wenig offen. In Brüssel gibt es Vorbehalte wegen der politischen Signalwirkung der Hilfe aus Russland – die diplomatischen Beziehungen erleben gerade wegen eines Streits um Menschenrechte eine Eiszeit. Doch zugleich wächst der politische Druck auf die Kommission, jede Hilfe anzunehmen – schließlich hat sie im vergangenen Jahr zu zaghaft zugegriffen.
Kann Deutschland den Impfstoff auch ohne den Segen der EU importieren?
Ja, das geht. Ungarn lässt sich nach einer Notfallzulassung auf nationaler Ebene bereits beliefern. Wenn die EMA eine Zulassung erteilt, die EU aber nicht mit einer Bestellung mitzieht, werden einige Länder voraussichtlich direkt in Moskau ordern. Gesundheitsminister Jens Spahn hat sich bereits offen dafür gezeigt, die Russland-Option zumindest zu erwägen.
Wird die EMA den Wirkstoff zulassen?
Aufgrund der erwiesenen Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts gehen Experten davon aus, dass einer Zulassung nichts im Wege steht. „Das ist ein guter Impfstoff, der vermutlich auch irgendwann in der EU zugelassen wird“, sagte der Chef der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts, Thomas Mertens, der „Rheinischen Post“. „Die russischen Forscher sind sehr erfahren mit Impfungen.“
Wann stände Sputnik V hierzulande zur Verfügung?
Russland stellt eine Lieferung für Mai oder Juni in Aussicht. „Die großen Lieferungen in die EU sind erst dann möglich, wenn die Massenimpfungen in Russland beendet werden“, sagte der Chef des für den Vertrieb zuständigen Unternehmens RDIF, Kirill Dmitrijew, im Februar dem russischen Sender Rossija 24. Es hätte auch schneller gehen können, doch die EU war auf ein erstes russisches Angebot nicht eingegangen