Die Gewerbeanmeldungen in Bremen sind im ersten Halbjahr 2020 stark zurückgegangen. In den Monaten Februar, März, April und Mai sank die Zahl nach Angaben des Statistischen Landesamts um jeweils mehr als 200 im Vergleich zum Vorjahr. 2019 gab es im April beispielsweise etwas mehr als 500 Gewerbeanmeldungen. In diesem Jahr lag der Wert bei 275. Gewerbeanmeldungen umfassen Neugründungen und im kleineren Umfang auch Umwandlungen, Übernahmen und Zuzüge. Allein die Gründungen betrachtet, ergibt sich ein Minus von rund 790. Der Großteil dieser Unternehmen hat keine Beschäftigten – wie auch 2019.
Der Rückblick zeigt, dass die Abmeldungen in den ersten Monaten der Pandemie ebenfalls deutlich zurückgingen. Die Entwicklungen ließen annehmen, kommentiert Gründungsexperte Piet de Boer von der Handelskammer Bremen, dass die Krise und die dadurch bedingte wirtschaftliche Unsicherheit mitursächlich für den Rückgang sei. „Es ist einerseits davon auszugehen, dass Gründerinnen und Gründer bei der konkreten Umsetzung ihres Vorhabens, aber auch bei einer möglichen Abmeldung eines Betriebes, momentan zurückhaltender sind und zunächst die Marktentwicklung genau beobachten.“ Ein weiterer Grund könnten die Kontaktbeschränkungen gewesen sein.
Diese Einschätzung teilt Kai Stührenberg. „Für die Monate März bis Mai 2020 ist im Vergleich zum Vorjahr ein signifikanter Rückgang von An-, Ab- und Ummeldungen festzustellen“, sagt der Sprecher des Wirtschaftsressorts von Kristina Vogt (Linke). Allerdings liege eine deutliche Wechselwirkung der Entwicklungen aller drei Kategorien vor. „Entsprechend ist davon auszugehen, dass der Rückgang nicht alleine auf wirtschaftliche Entwicklungen, sondern auch auf das verzögerte Meldeverhalten und die Vermeidung persönlicher Vorsprachen zurückzuführen ist.“ Diese seien in den Monaten nicht möglich gewesen. Die Gewerbetreibenden hätten die Anmeldung schriftlich oder online ausgeführt.
Insgesamt gab es in Deutschland Einbußen: Das Statistische Bundesamt verzeichnete mit 58.000 Betrieben im ersten Halbjahr 9,4 Prozent weniger Gründungen, deren Rechtsform und Mitarbeiterzahl auf eine größere wirtschaftliche Bedeutung hindeuten. Stärker war der Rückgang bei den Kleinunternehmen. Hier gab es ein Fünftel weniger Gründungen als 2019. „Wir erwarten, dass das Gründungsgeschehen zurückgehen wird, weil Selbstständige allein gelassen wurden“, kommentiert Maximilian Hilgarth, Geschäftsführer des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland, die Entwicklung mit Blick auf die Unterstützung in Zeiten der Pandemie. „Es werden zwar Hilfen ins Schaufenster gestellt, doch sie kommen bei den Selbstständigen nicht an„, sagt Hilgarth. Es gehe vor allem um die Lebenshaltungskosten der Unternehmer. “Und da gehen sie leer aus.“
Bundesweite und branchenübergreifende Hilfe
Hilfe sei teils zwar in den Bundesländern verankert, sagt Hilgarth und verweist auf Bremens Ansinnen, die Veranstaltungsbranche zu unterstützen. Von solchen Lösungen profitierten aber eben nicht alle. „Wichtig ist, dass kein Flickenteppich entsteht. Es muss bundesweite und branchenübergreifende Hilfe geben – wie beim Instrument Kurzarbeit“, findet der Geschäftsführer des Verbands. Die Selbstständigen müssten jetzt von ihren Ersparnissen leben und damit von den Rücklagen fürs Alter.
In Niedersachsen sprachen sich gerade die Große Koalition sowie Grüne und FDP dafür aus, Unternehmensgründer mehr zu unterstützen. Fünf Millionen Euro soll es an Hilfe für Neugründungen geben. Bremen bietet mit dem Bund Start-ups und kleinen Mittelständlern seit Anfang September insgesamt weitere 3,5 Millionen Euro Hilfe in Form von Beteiligungen.
Aus einer aktuellen Studie geht hervor, dass die Zahl der Start-ups in Deutschland im vergangenen Jahr nach starkem Wachstum nicht mehr gestiegen ist. Die staatliche Förderbank KfW schätzt ihre Zahl auf rund 70.000 – ebenso viele wie 2018. Grund für die Stagnation 2019 war laut der Untersuchung die abgeschwächte Konjunktur bei einem zugleich stabilen Arbeitsmarkt. Gibt es genug offene Stellen, sehen sich weniger Menschen gezwungen, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen.
Welche Auswirkungen die Pandemie auf das Gründungsgeschehen und besonders Start-ups haben wird? Das Bremer Starthaus und die Handelskammer beobachteten in jüngster Zeit wieder steigendes Interesse von potenziellen Gründern. Im Report der KfW heißt es: „Durch die Corona-Krise droht die Gefahr, eine ganze Start-up-Generation zu verlieren.“ Doch es böten sich zugleich auch Chancen für internetbasierte und digitale Geschäftsmodelle. Die Bundesregierung will zudem Start-ups, besonders wachstumsstarke und innovationsgetriebene Gründungen, mit zwei Milliarden Euro helfen.