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Der Preis der Abschottung

Wenn Ende dieser Woche die Staats- und Regierungschefs der größten Industriestaaten des Planeten (G20) in Hamburg zusammenkommen, wird sich alles um den amerikanischen Präsidenten Donald Trump drehen. Der 71-jährige Rechtspopulist gilt seit seinem Amtsantritt als Gottseibeiuns der internationalen Politik.
04.07.2017, 00:00 Uhr
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Von Thorsten Knuf

Wenn Ende dieser Woche die Staats- und Regierungschefs der größten Industriestaaten des Planeten (G20) in Hamburg zusammenkommen, wird sich alles um den amerikanischen Präsidenten Donald Trump drehen. Der 71-jährige Rechtspopulist gilt seit seinem Amtsantritt als Gottseibeiuns der internationalen Politik. Über Kenntnisse und Manieren verfügt er nicht, Klimaschutz hält er für überflüssig, den freien Handel für schädlich. Beim Hamburger Gipfel wird es darum gehen, dennoch zu greifbaren Ergebnissen zu kommen – am besten mit, aber notfalls aber auch gegen Trump.

Der Präsident setzt auf Abschottung und glaubt, sein Land damit wieder groß machen zu können. Ausländische Wirtschaftsmächte betrachtet er mit Argwohn. Das gilt insbesondere für Mexiko, aber auch für das exportorientierte Deutschland. Den deutschen Handelsüberschuss hält Trump für eine Kampfansage, hiesigen Autoherstellern droht er offen mit Strafzöllen.

Die Irritation rund um den Globus ist groß. Und zwar gleichermaßen bei Politikern wie bei Unternehmen, die in den Vereinigten Staaten Geschäfte machen oder gar investieren wollen. Das Magazin „Wirtschaftswoche“ berichtet gerade unter Berufung auf das amerikanische Statistikamt Bureau of Economic Analysis, dass die ausländischen Direktinvestitionen in den Vereinigten Staaten inzwischen einbrächen. Dazu wird die Chefin der Abteilung Außenwirtschaft beim Industrieverband BDI, Stormy-Annika Mildner, zitiert. Sie sagt: „Die neue US-Administration sorgt für Verunsicherung bei vielen Unternehmen in Deutschland.“

Den offiziellen amerikanischen Angaben zufolge erreichten die ausländischen Direktinvestitionen im ersten Quartal dieses Jahres ein Volumen von 83,6 Milliarden Dollar. Das entspricht gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres einem Rückgang von nahezu 40 Prozent. Donald Trump übernahm das Amt des amerikanischen Präsidenten im Januar. Die Zahlen scheinen also tatsächlich nahezulegen, dass ausländische Firmen jetzt verstärkt einen Bogen um die USA machen.

Einer genaueren Betrachtung hält dies jedoch nicht stand. Die ausländischen Direktinvestitionen im ersten Quartal 2017 seien in etwa so hoch gewesen wie im Durchschnitt der meisten Quartale in den vergangenen Jahren, schreibt die Washingtoner „Organization for International Investment“ (OFII) in einem aktuellen Bericht. Bei der OFII handelt es sich um eine Lobby-Vereinigung vorwiegend europäischer und asiatischer Konzerne, die allesamt große US-Niederlassungen unterhalten.

Vergleicht man den Wert des ersten Quartals 2017 mit dem des letzten Vierteljahres 2016, so scheinen die ausländischen Direktinvestitionen in den USA derzeit sogar zu explodieren: Sie stiegen binnen drei Monaten um 62 Prozent. „Das ist mein Werk“, würde Trump dazu vermutlich sagen. Grundsätzlich schwanken die Werte von Quartal zu Quartal immer stark, und die Zahlen werden auch häufig nachträglich revidiert. Entscheidend ist immer, wann eine ausländische Direktinvestition – also zum Beispiel der Bau einer neuen Fabrik oder die Anschaffung neuer Maschinen – in die Statistik eingeht.

Das freilich ändert wenig daran, dass Trumps Kurs der Abschottung dem Land auf längere Sicht mehr schaden als nützen dürfte: Moderne Volkswirtschaften sind international hochgradig vernetzt, sie sind auf offene Märkte und mobile Arbeitnehmer angewiesen. Also auf das Gegenteil dessen, was der US-Präsident will.

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