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Energy Port "Bremerhaven bietet gute Voraussetzungen"

Nach dem Aus für den OTB gibt es neue Pläne für einen Offshore-Terminal in Bremerhaven. Was der Standort zu bieten hat, erläutert der Gutachter Jan Ninnemann im Gespräch mit dem WESER-KURIER.
24.03.2023, 18:00 Uhr
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Von Christoph Barth

Warum halten Sie Bremerhaven für geeignet, ein "Energy Port" – ein Hafen für die Energiewende zu werden?

Die Herausforderungen durch die Energiewende sind groß, und jeder Hafen muss sehen, welchen Beitrag er leisten kann. Bremerhaven bietet da gute Voraussetzungen – aufgrund der nautischen Erreichbarkeit, der Verfügbarkeit von Flächen und der Anbindungen ans Hinterland über Straße und Schiene.

Mit Cuxhaven gibt es bereits einen Offshore-Hafen in unmittelbarer Nähe – auch Eemshaven in den Niederlanden und das dänische Esbjerg bedienen die Nordsee. Gibt es da überhaupt Bedarf für einen weiteren Hafen?

Das Thema Offshore-Windenergie ist ja nur ein potenzieller Baustein für einen "Energy Port", aber natürlich ein sehr interessanter: Wir haben im Moment knapp acht Gigawatt installierte Offshore-Windenergieleistung vor den deutschen Küsten; die Ausbauziele der Bundesregierung sehen vor, dass das bis 2035 auf 40 Gigawatt steigen soll. Dafür brauchen wir entsprechende Hafenkapazitäten. Cuxhaven hat noch beschränktes Ausbaupotenzial, ist aber sehr fokussiert auf einen Anbieter. Die Niederlande und Dänemark haben selbst sehr ehrgeizige Ausbauziele und benötigen dafür ihre Häfen. Deutschland ist also gut beraten, eigene Kapazitäten vorzuhalten und sich nicht auf die Nachbarländer zu verlassen.

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Der Hafen kommt also nicht zu spät? Die anderen sind längst in Betrieb und werden laufend erweitert.

Nein, der Ausbau der Offshore-Windenergie soll ja sukzessive weitergehen. Und es geht nicht nur darum, neue Anlagen zu installieren, sondern zum Beispiel Rotorblätter auszutauschen oder ganze Anlagen zu ersetzen.

Offshore-Windenergie ist in Ihrem Gutachten nur eine der Branchen, die sich in Bremerhaven ansiedeln ließe. Was könnte ein „Energy Port“ noch leisten?

Ein großer Treiber sind Energieimporte. Wir werden im Jahr 2050 in Deutschland wahrscheinlich mehr als 400 Terawattstunden Wasserstoff benötigen – vor allem für die Industrie und den Verkehrssektor. So viel können wir gar nicht selbst produzieren, das heißt, der überwiegende Teil davon wird voraussichtlich importiert werden müssen. Auch dafür brauchen wir also Hafenkapazitäten. Da kommen nicht so viele Standorte infrage – Brunsbüttel, Wilhelmshaven, aber eben auch Bremerhaven.

Sie erwähnen auch die Produktion alternativer Treibstoffe wie Methanol.

Genau, Methanol wird aus Wasserstoff gewonnen, das könnte man also auch dort ansiedeln. Auch die  Produktion von Lithium etwa für Batterien und das Recycling von Batterien sind sehr energieintensiv. Da würden sich also Synergieeffekte mit einem Wasserstoff-Import ergeben. Bei Lithium ist gerade eine große Dynamik drin. Es gibt viele Akteure, die nach Produktionsstandorten suchen: Lithium über Seehäfen einführen und dann in Konvertern zu Grundstoffen der Batterieproduktion verarbeiten. Für einen Hafenstandort bringt das über den Umschlag hinaus zusätzliche Wertschöpfung.

Die Ausbauvarianten in Ihrem Gutachten sehen auch einen Terminal vor, der sehr an den gescheiterten Offshore-Terminal OTB erinnert. Braucht man einen Anleger vor dem Deich oder reichen nicht auch die Kajen im Fischereihafen?

Für die interessantesten "use cases", also Nutzungsmöglichkeiten, die wir in unserem Gutachten untersucht haben – Offshore-Windkraft, Wasserstoffimport – sind die Schiffsgrößen so, dass die nicht mehr durch die vorhandene Schleuse passen. Eine neue Schleuse zu bauen, erscheint vom Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht sinnvoll. Deshalb ist es richtig, einen Terminal am Weserufer in Betracht zu ziehen, weil dort die entsprechenden Schiffsgrößen möglich sind. Unser Basisszenario ohne Weserterminal erlaubt natürlich auch bestimmte Aktivitäten wie das Recyceln von Windkraftanlagen oder ein verkleinertes Energy Hub für die lokale Versorgung. Aber wenn man hier ernsthaft Fuß fassen will, mit der entsprechenden Wertschöpfung und den Arbeitsplätzen, braucht man eher die größere Lösung.

Der BUND, der erfolgreich gegen den OTB geklagt hatte, wirft Ihrer Studie vor, einziger Zweck sei es gewesen, das Thema OTB wieder auf die politische Agenda zu hieven. Fühlen Sie sich als Gutachter instrumentalisiert?

Wir sind ein neutraler Gutachter und werden von unseren Auftraggebern nicht angewiesen. Das Thema Offshore-Windenergie etwa wollten wir ursprünglich gar nicht betrachten, weil es aufgrund der OTB-Historie vorbelastet ist. Aber dann haben wir im Zuge unserer Betrachtungen festgestellt: Da ist so viel Dynamik drin, dass man gar nicht daran vorbeikommt, das Thema noch mal wieder auf die Agenda zu setzen.

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Um den OTB wurde vom ersten Gutachten bis zum letztinstanzlichen Aus mehr als zehn Jahre diskutiert und gestritten. Wie schnell muss es diesmal gehen, damit der "Energy Port" noch eine Rolle für die Energiewende spielen kann?

Die Wasserstoff-Projekte, die jetzt in Planung sind, zielen auf einen Zeithorizont 2026-28. Das heißt, dass man jetzt zügig anfangen sollte. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass beim Thema Energiewende der Kuchen sehr groß ist, und dass man auch noch ein Stück davon abbekommt, wenn man nicht der "first mover" ist, also als Erster loslegt. Es wäre aber sinnvoll, zügig bestimmte Themenfelder zu besetzen, zu zeigen: Wir wollen hier aktiv werden, um auf der Landkarte von Entwicklern und Investoren aufzutauchen.

Braucht man schnellere Genehmigungsverfahren, wie von der Bundesregierung für einige Bereiche der Energiewende vorgesehen?

Die ganzen Umweltaspekte müssen natürlich sorgfältig untersucht und abgewogen werden. Aber es darf nicht wieder das passieren, was beim OTB passiert ist, nämlich dass aufgrund der Länge des Verfahrens Marktveränderungen eintreten, die die Realisierung dann infrage stellen.

Sie überschlagen die Kosten für die jetzt favorisierte Ausbauvariante II mit mehr als einer halben Milliarde Euro. Damit wäre das Land Bremen heillos überfordert. Kriegt man den Bau solcher Häfen nur mit Unterstützung des Bundes hin?

Zunächst sind die Kosten von uns in dieser Potenzialstudie nur sehr grob geschätzt worden, das muss man also mit etwas Vorsicht genießen. Aber es ist richtig: Der Ausbau wird erhebliche Summen erfordern. Im Moment leistet der Bund im Hafenbau nur sehr wenig Unterstützung – 38 Millionen Euro Finanzhilfen pro Jahr für alle Seehäfen. Das ist natürlich viel zu wenig. Wenn der Bund ehrgeizige Ziele formuliert für die Energiewende, dann muss er in Zukunft auch deutlich stärker in die Häfen investieren.

Das Gespräch führte Christoph Barth.

Zur Person

Jan Ninnemann

ist Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Beratungsfirma Hanseatic Transport Consultancy (HTC) sowie Professor für Logistik und Betriebswirtschaftslehre an der Hamburg School of Business Administration (HSBA).

Zur Sache

Potenzialstudie Südlicher Fischereihafen

Die vom Häfenressort in Auftrag gegebene Potenzialstudie Südlicher Fischereihafen wurde am Freitag im Häfenausschuss der Bürgerschaft vorgestellt. Schon am kommenden Dienstag soll sich auch der Senat mit dem Thema beschäftigen. Ziel ist es, noch vor der Bürgerschaftswahl im Mai einen Auftrag an die Häfengesellschaft Bremenports zu vergeben, mit der Planung des "Energy Ports" zu beginnen. Auch die Grünen wollen sich da nicht grundsätzlich querlegen: Mit der Potenzialstudie sei "ein Auftakt für einen intensiven Arbeitsprozess" gemacht", sagte ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Robert Bücking. "Hier muss das Hafenressort nun zügig liefern. Die Anforderungen sind klar: vertiefte Prüfung verschiedener Standorte, schlüssiger Bedarfsnachweis, belastbares Finanzierungskonzept."

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