Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Essay Was wollen wir eigentlich auf dem Mond?

Die Rückkehr zum Mond ist mehr als nur ein Wettlauf der Supermächte. Es geht um Forschung, Wirtschaft und die Frage, was wir eigentlich im All suchen. Das sind die Motive und Herausforderungen.
16.03.2025, 07:59 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Was wollen wir eigentlich auf dem Mond?
Von Christoph Barth

Elon Musk möchte auf dem Mars leben und sterben – das hat der reichste Mensch der Erde immer wieder kundgetan. Dagegen ist prinzipiell gar nichts einzuwenden. Der eine oder andere Erdenbürger würde es vielleicht sogar begrüßen, träte der Mann seine Reise sofort an.

Als Chefberater des neuen US-Präsidenten könnte er dort den ganzen Tag lang Marsgestein zertrümmern statt Regierungsbehörden – der Schaden wäre womöglich geringer. Mehr noch: Sollte Musk in seiner neuen Heimat auf grüne Marsmännchen stoßen, könnte er sich mit denen im nächsten Podcast seines Privatsenders X – nur so als Idee – über illegale Einwanderer unterhalten: Warum die einen auf der Suche nach dem Glück mit einer Tasche voller Habseligkeiten einen Grenzfluss durchqueren und andere das halbe Weltall – mit einer eigenen Rakete! Das wäre eine spannende Debatte.

Leider wird der X-Post vom Marseinwanderer Musk, der sich mit Spitzhacke und Spaten im harten Gestein sein eigenes Grab schaufelt, wohl auf sich warten lassen. Die Startvorbereitungen seiner "Starship"-Rakete sind noch nicht ganz abgeschlossen: Bei acht Testflügen ist sie fünfmal explodiert, keinen der Flüge überstand das Raumfahrtvehikel unbeschadet. Da ist es verständlich, wenn die Marssiedler mit dem Hissen der US-Flagge noch warten, bis Kanada, Grönland, Panama und Gaza den Vereinigten Staaten von Amerika beigetreten sind.

Doch ganz im Ernst: Was wollen wir eigentlich auf dem Mars? Oder etwas naheliegender: auf dem Mond? Beide Himmelskörper stehen gerade hoch im Kurs – nicht nur bei Milliardären mit großen Visionen. Für das Zwischenziel – den Flug zum Mond – laufen die Vorbereitungen auf vollen Touren: Das vorgesehene Raumschiff mit Namen "Orion" hat den ersten unbemannten Testflug hinter sich, angetrieben von einem Versorgungsmodul Made in Bremen. Die "City of Space" ist also ganz vorne dabei, wenn es nächstes oder übernächstes Jahr zurückgeht auf den Mond.

Kompletter Service aus einer Hand?

Wobei: So ganz klar ist die Sache nicht mehr, seit Mars-Fan Musk seinen Schreibtisch im Weißen Haus eingerichtet hat. Als Berater für "Regierungseffektivität" könnte er seinen gedanklich eher sprunghaften Chef dazu inspirieren, dass das gegenwärtige Design der US-Mondmission "Artemis" nicht sehr effizient erscheint. Kurz zusammengefasst sieht es so aus: Die staatliche Raumfahrtbehörde Nasa entwickelt zusammen mit einem Herstellerkonsortium unter Führung von Boeing eine Schwerlastrakete – das Space Launch System. Diese bringt die Raumkapsel "Orion" mit vier Astronauten an Bord in eine Mondumlaufbahn. Kosten pro Flug: mehr als vier Milliarden Dollar.

Lesen Sie auch

Dort steigen die Mondfahrer in eine Landefähre um, die wiederum von einer "Starship"-Rakete zum Treffpunkt im All befördert wird. Deren Hersteller ist – genau: Elon Musks Firma Space X.

Man könnte also auf die Idee kommen, das Ganze zu vereinfachen und den kompletten Service aus einer Hand anzubieten: Start, Transport, Landung auf dem Mond, Rückflug zur Erde – Space X kümmert sich um alles und macht es vermutlich sogar billiger. Konkurrent Boeing, die teure SLS und die Nasa, vor deren Bürofenstern ohnehin schon die Abrissbirne baumelt, wären aus dem Rennen und damit auch gleich die Europäer mit ihrem Versorgungsmodul. Zum Wahlkampfschlager "America first" passt deren Beteiligung an der Rückeroberung des Mondes sowieso nicht so richtig.

Doch von solchen Detailfragen einmal abgesehen: Was wollen wir auf dem Mond? Forschen, sagen die einen, noch mehr Mondgestein sammeln, um alles über die Entstehung des Mondes, der Erde und des ganzen Universums zu lernen. Andere träumen von einer profitablen Mondwirtschaft: Helium-3 etwa ließe sich dort aus dem Gestein gewinnen, das man auf der Erde für Quantencomputer, MRT-Geräte im Krankenhaus oder als Brennstoff für Fusionsreaktoren nutzen könnte. Auf 140 Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahrzehnten bezifferten die Wirtschaftsberater von Pricewaterhouse Coopers in einer Studie 2021 das mögliche Volumen einer Lunarökonomie.

Kommt bald eine Mondstation?

Ist das nur "mühevoll errechneter Quatsch" oder eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, fragt sich der Wissenschaftsjournalist Christoph Seidler in seinem gerade erschienenen Buch "Armstrongs Erben". "Ob jenseits von Regierungsaufträgen ernsthaft Geld auf dem Mond zu verdienen ist, wird sich zeigen. Ausgeschlossen ist es nicht. Garantiert aber auch nicht." Helium-3 vom Mond jedenfalls werde als Brennstoff auf lange Sicht kein Thema sein, viel zu teuer wäre die Förderung, urteilt Seidler. "Für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile der Raumfahrt muss man nicht zwingend zum Mond fliegen."

Und doch, so seine Prophezeiung, ist eine neue Mondkampagne womöglich "einfach der nächste Schritt hinaus ins All". Nach einigen Jahrzehnten, in denen man in internationalen Raumstationen um die Erde schwebte, wäre es demnach Zeit für etwas Bodenständiges: eine Mondstation. Deutschlands Vorzeige-Astronaut Alexander Gerst stellt sich die Sache vor wie am Südpol. Die ersten Entdecker hinterließen nur ihre Fähnchen, heute stehen dort dauerhaft bewohnte Forschungsstationen auf dem Eis. So dürfte es auch auf dem Mond ablaufen, prognostiziert Gerst.

Auch wenn die US-Flagge seit mehr als 50 Jahren im Mondstaub steckt, hat ein regelrechter Wettbewerb um die Rückkehr zum Mond eingesetzt. Die USA, China, Russland, Indien, Japan und Israel versuchten es mit unbemannten Sonden. Und zumindest die Chinesen wollen bis 2030 auch Menschen auf dem Mond absetzen und dort ihrerseits eine dauerhafte Präsenz aufbauen. Für die aufstrebende Großmacht wäre es ein Beweis der eigenen universellen Bedeutsamkeit, der über ein paar Flugzeugträger im Südchinesischen Meer weit hinausginge.

Lesen Sie auch

Die USA halten dagegen. Ob sie die Nase noch vorne haben, ist angesichts der Verzögerungen im Zeitplan der "Artemis"-Missionen und der Geheimniskrämerei der Chinesen nicht ganz klar. "Während die Sowjetunion vor mehr als einem halben Jahrhundert nie eine realistische Chance hatte, vor den USA Menschen auf dem Mond abzusetzen, könnte China den Amerikanern dieses Mal durchaus zuvorkommen", spekuliert Wissenschaftsjournalist Seidler in seinem Buch. Und das wäre womöglich mehr als eine Prestigefrage: Mit jeder Landung auf dem Mond könnten Claims abgesteckt werden.

Interessensgebiete, Wirtschaftszonen, aus denen sich die anderen bitteschön herauszuhalten haben. So droht die Gefahr, dass es schnell eng wird rund um die lukrativen Landeplätze, an denen die Forscher Wasservorräte vermuten.

Sprungbrett ins Universum

Für die ganz großen Visionäre unter den Weltraumeroberern ist der fahle Erdtrabant aber ohnehin nur ein Sprungbrett in die Weiten des Universums. Ein Trainingsplatz, um an der Technik zu feilen. "Wie lange wollen wir eine Spezies bleiben, die nur auf einem Planeten lebt?", fragte der Nasa-Astronaut Randy Bresnik, Spitzname "Komrade", als er im vergangenen Jahr auf Dienstreise nach Bremen kam. Asteroiden könnten eines Tages den Heimatplaneten der Menschen bedrohen – "wäre es da nicht sinnvoll, nach anderen bewohnbaren Plätzen im All zu suchen?"

Es ist diese Frage, die auch den Marssiedler Musk umtreibt. Das sei seine eigentliche Triebfeder, sagen einige, die ihn kennen. Wir, die weniger fantasiebegabten Erdlinge, stehen etwas ratlos davor und fragen uns, wie Milliarden von Menschen auf Planeten umsiedeln sollen, die nicht einmal die nötige Luft zum Atmen bieten? Von Wasser, Bauholz und einem McDonald's ganz zu schweigen. Wie auf ferne Erden emigrieren, die selbst mit Lichtgeschwindigkeit in einem Menschenleben unerreichbar blieben? Visionen wie diese lenken wohl eher davon ab, die Probleme auf unserem eigenen Planeten zu lösen. Was, weiß Gott, schon schwer genug ist.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)