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Lufthansa – ein Konzern tief in der Krise

Es ist die schwarze Krawatte, die das Unglück ankündigt. Etwas Schlimmes ist passiert.
26.07.2015, 00:00 Uhr
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Lufthansa – ein Konzern tief in der Krise
Von Stefan Lakeband

Es ist die schwarze Krawatte, die das Unglück ankündigt. Etwas Schlimmes ist passiert. Denn diese Krawatte trägt er zum ersten Mal. Sonst gilt Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa, als fröhlicher, jovialer Mensch. Mitarbeiter der Fluggesellschaft bezeichnen ihn als „Sunnyboy“. Doch am 24. März 2015 und in den Tagen danach trägt Spohr schwarz. Er trauert. Er trauert mit den Angehörigen der Opfer, mit der gesamten Lufthansa, eigentlich mit ganz Deutschland.

„In unseren schlimmsten Albträumen hätten wir uns nicht vorstellen können, dass sich solch eine Tragödie ereignen kann“, sagt er mit zittriger Stimme auf einer Pressekonferenz. Es sind Szenen wie diese, die zeigen: Spohr und seinen Kollegen geht der Absturz der Germanwings-Maschine und der Tod von 150 Insassen glaubhaft nah, sie alle hat es schwer getroffen. „Das hat sich angefühlt wie ein privater Todesfall“, erzählt ein Mitarbeiter der Lufthansa. Spohr besucht Angehörige der Opfer, er verspricht ihnen vor laufenden Kameras „jede erdenkliche Hilfe“, stellt Psychologen bereit, sichert Sofortzahlungen als schnelle Unterstützung zu.

Jetzt, mehr als 100 Tage nach dem Unglück und Spohrs Hilfsversprechen, steht der Lufthansa-Chef aber in der Kritik. Alles dreht sich um die zynische und doch zentrale Frage: Wie viel ist ein Menschenleben wert? Die Angehörigen der Opfer und die Lufthansa sind sich eigentlich einig. Den Verlust kann man mit keinem Geld der Welt aufwiegen. Dennoch streiten sie nun.

In einem wütenden Brief an Spohr Anfang der Woche erheben 32 Angehörige von Opfern, die aus Haltern am See stammen, schwere Vorwürfe. „Herr Gauck, Frau Merkel und Frau Kraft haben mit uns gesprochen. Sie nicht. Sie waren für Ihre Kunden da, nicht für uns“, lautet ihre emotionale Anklage. „Ein paar persönliche Worte im Gespräch mit Ihnen hätten uns gezeigt, dass Sie nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für uns da sind.“

Ein Angebot der Lufthansa lehnte Opfer-Anwalt Elmar Giemulla im Namen seiner Mandanten ab. In einem Brief an die Lufthansa-Anwälte schreibt er: „Die Frage, wie eine derart lange und verzweifelte Todesangst angemessen zu entschädigen ist, ist zugegebenermaßen nicht leicht zu beantworten. Eine Antwort kann jedoch sicher gegeben werden: Nicht mit 25 000 Euro!“ Giemulla ist Experte für Luftverkehrsrecht. Nach dem Absturz einer Concorde von Air France in Paris im Jahr 2000 hat er die Hinterbliebenen beraten. Die Angehörigen der 113 Todesopfer erhielten damals insgesamt etwa 173 Millionen Euro Entschädigung. Die Lufthansa hatte als Germanwings-Mutterkonzern den deutschen Hinterbliebenen neben einer Soforthilfe in Höhe von 50 000 Euro pauschal 25 000 Euro als Schmerzensgeld angeboten. Nächste Angehörige wie Eltern, Kinder oder Lebenspartner sollen dazu jeweils ein Schmerzensgeld in Höhe von 10 000 Euro bekommen. Hinzu kommt ein individueller Verdienstausfall, bei dem sich die Zahlungen laut Lufthansa teilweise auf mehr als eine Million Euro belaufen könnten.

Neben dem finanziellen Mehraufwand, gegen den die Lufthansa jedoch versichert ist und für den ein Versicherungskonsortium um die Allianz schon 300 Millionen Euro zu Seite gelegt hat, wird vor allem das Image der Lufthansa beschädigt. Das kommt für den Konzern zu einer Zeit, in der er eh mit Negativschlagzeilen zu kämpfen hat. Vor dem Unglück hatten die Piloten der Gesellschaft immer wieder gestreikt. Die Friedenszeit, die nach dem Absturz von 4U 9525 galt, ist vorbei. Die Fluggesellschaft streitet nun wieder mit den Piloten der Vereinigung Cockpit. Rein formal geht es dabei um die Arbeitsbedingungen der Flugkapitäne. In Wirklichkeit steht aber die Frage im Fokus, wer die Macht im Konzern hat und wie es mit der Lufthansa weitergeht. Die Piloten wollen verhindern, dass unter dem Namen Eurowings eine neue Billig-Plattform der Lufthansa geschaffen wird, die Cockpitpersonal zu Bedingungen beschäftigt, die weit unter dem Konzerntarifvertrag liegen.

Der Vorstand will hingegen nicht darüber reden. Es handle sich um eine strategische Entscheidung des Managements, wie der Konzern sich für die Zukunft aufstellen werde. Denn klar ist, dass etwas passieren muss. Gutes Geld verdient der Konzern fast nur noch in Nischen wie Wartung und Catering, der Flugbetrieb wirft kaum noch etwas ab. Deswegen muss die Lufthansa kosten sparen – und greift die Piloten mit den Konzerntarifverträgen an. Auch die Aktie des Dax-Konzerns ist unter Druck geraten. Weniger durch den Absturz im März, vor allem aber wegen der Streitereien und der enormen Kostenlast, die auf der Lufthansa liegt. Sie könnte bald sogar aus dem Dax ausgeschlossen werden, was Kredite für das Unternehmen verteuern würde.

Jeder der Beteiligten weiß, dass die Preise für Tickets in Zukunft nicht wieder steigen. Das Gegenteil ist der Fall – und deswegen setzen Spohr und seine Vorstandskollegen große Hoffnungen in die Billigtochter Eurowings. An ihr könne sich die Zukunft der Lufthansa entscheiden, heißt es aus dem Konzern.

„Wir sind alle viel enger zusammengerückt“, sagten Spohr und andere Lufthansa-Mitarbeiter häufig in den Wochen nach der Tragödie. Die Probleme, mit denen der Konzern schon vor dem Unglück kämpfen musste, bleiben aber bestehen.

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