Das Schiff verlässt Mittelamerika, es nimmt an Jamaika vorbei Kurs auf die Dominikanische Republik. In der Nacht kreuzt die „CFS Panjang“ die Route, auf der viele Schiffe vom Golf von Mexiko auf dem Weg zum Panamakanal sind. An diesem Morgen geht es zunächst in den Maschinenraum. Maschineningenieur Sergiy testet den Druck in den Zylindern. Eine Routineuntersuchung. Die Werte liest er am Computer aus. Sollte der Wert eines Zylinders deutlich unter denen der anderen sieben liegen, schaut er genauer, woran es liegen könnte. Kostya hingegen muss im Maschinenraum den Rumpf streichen. Eine unangenehme Arbeit: Es ist stickig, heiß und laut. Gegen das Dröhnen der Maschine helfen nur Lärmschützer.
An Deck geht der Zweite Ingenieur Vlas nach vorn zum Mast, er möchte die Leuchtmittel auswechseln. Als er dort oben herumklettert, ist das meiner Ansicht nach eine gute Gelegenheit, um Fotos zu schießen. Ich biete ihm an, dass er die Bilder anschließend seinen Freunden schicken könne. „Freunde? Ich habe keine Freunde“, entgegnet Vlas. Der 26-Jährige fährt bereits seit sechs Jahren zur See. Da sei es schwierig, Kontakt zu halten, sagt er.
Beim Mittagessen unterhalte ich mich mit Kapitän Cristian. Seine volljährige Tochter überlegt, Kapitänin zu werden. Angetan ist er nicht: „Frauen an Bord, das ist so eine Sache. Außerdem ist es schwierig für sie, wenn sie eine Familie gründen wollen.“ Seine Worte erinnern mich an die der Crewmitglieder: Auch sie sehen das Thema Frauen auf Schiffen kritisch. Die Offiziere Jovan und Christopher erzählen, dass sie irgendwann nach Deutschland kommen und unter anderem ein Spiel des FC Bayern München schauen wollen. Sie haben aber nicht nur den deutschen Rekordmeister auf dem Schirm: Auch Bayer 04 Leverkusen kennen sie, weil dort der Jamaikaner Leon Bailey spielt.
Jovan sagt, er arbeite seit zehn Jahren für Harren & Partner und kenne Reeder Peter Harren auch persönlich. Harren hat gute Erfahrungen mit jamaikanischen Seeleuten gemacht und kooperiert daher seit Jahren mit der Caribbean Maritime University, die den maritimen Nachwuchs ausbildet. Sowohl Jovan als auch Christopher haben dort studiert. Zudem beabsichtigt der Reeder, in Kingston eine Werft zu bauen, in der die Schiffe der CFS-Linie und andere gewartet werden sollen. Harren ist seit vielen Jahren auf der Karibikinsel aktiv und wurde Anfang 2018 für sein Engagement zum Bremer Honorarkonsul für Jamaika ernannt.
Nun ist wieder Arbeit angesagt: Ich gehe an Deck zum Entrosten. Erst halte ich nur den Müllsack auf, in den Deckkadett Emre die Farbreste wirft. Später streiche ich mit einem Pinsel Schrauben und Kleinteile der Seilwinde. An einigen Stellen will die rote Rostschutzfarbe unter dem neuen weißen Anstrich nicht verschwinden. Fertig werde ich bis Feierabend nicht. Die restlichen Stellen müssen bis zum nächsten Tag warten.
Am Abend gibt Deckkadett Emre mir einen Einblick in seine Kabine. Sie misst etwa acht bis zehn Quadratmeter. Dass er als Kadett einen Kühlschrank in der Kabine hat, sei ein Privileg. Emre ist voller Elan und froh, an Bord zu sein. Tagsüber hilft er an Deck, abends ist er auf der Brücke, um den Kurs zu berechnen und um Praxiserfahrung zu sammeln.