Die „CFS Panjang“ hat bereits die Bucht von Santo Tomás erreicht. Die Fahrt war dieses Mal so ruhig, als wäre das Schiff ein ICE. Gegen acht Uhr morgens gibt Kapitän Cristian den Befehl zum Ankern. Das Schiff wird voraussichtlich erst zwischen 17 und 18 Uhr in den Hafen fahren. Erneut ist das Ufer in Reichweite, doch der Landgang bleibt verwehrt. Dabei hat Santo Tomás einen sympathischen Eindruck gemacht. Neben der „CFS Panjang“ liegt ein Bananenfrachter der Firma Dole. Der Rost an allen Ecken verrät, dass das Schiff schon bessere Tage gesehen hat.
Während der Wartezeit berichtet Chefoffizier Jovan von seiner Heimat Jamaika. In Deutschland wüchsen die Kinder mit Fußball auf, das Pendant dazu sei auf der Karibikinsel die Leichtathletik. Bei diesem Stichwort schiebt er ein, dass er aus demselben Dorf wie Sprintstar Usain Bolt stamme und den Sportler von früher kenne. Inzwischen ist Jovan verheiratet und hat ein zwei Jahre altes Kind. Von seinem Offiziersgehalt kann er sich in Kingston eine schöne Wohnung leisten. So kann er alle zwei Wochen, wenn der Umlauf endet und die „CFS Panjang“ im Hafen von Kingston liegt, bei seiner Familie vorbeischauen.
Schließlich geht es gegen 21 Uhr in den Hafen von Santo Tomás. An der Kaimauer stehen in einem Pick-up frische Lebensmittel für die kommenden zwei Wochen des Umlaufs der „CFS Panjang“ parat. In drei Fuhren wird die Ware per Lastkran an Bord gehievt. Alle helfen, die Lebensmittel in die Kühl-, Tiefkühl- und Trockenkammern zu verteilen. Viktor hakt derweil die Lieferscheine ab. Nachdem die Lieferung verstaut ist, gehen bis auf die Wache alle von Bord – hinein in die Dunkelheit der Straßen von Santo Tomás.
Zufällig treffe ich Kostya, Viktor und Sergiy. Sergiy geht in eine Kneipe mit WLAN, um auf seinem Smartphone ein Eishockeyspiel zu schauen. Mit Viktor und Kostya geht es am Strand in eine Salsa-Kneipe auf ein guatemaltekisches Gallo-Bier. Für Viktor ist die Bestellung kein Problem. Er spricht ein wenig Spanisch, da er eine Saison als Koch auf den Kanarischen Inseln gearbeitet hat. Doch die Bezahlung sei schlecht gewesen. Er möchte nicht darüber reden, sondern lieber den Abend genießen: „Ich weiß schon, dass ich den nächsten freien Abend an Land wohl erst in zwei Wochen haben werde.“ Denn auch wenn die Crew an Sonntagen frei hat: Hunger hat sie ja trotzdem. Und auf der Tour fallen die Landgänge eher selten in die Abendstunden.
Später verlassen wir die Kneipe und wechseln in einen Tanzschuppen, in dem die Lautstärke der Salsa-Musik eine Unterhaltung erschwert. Das Lokal liegt direkt am Wasser, die „CFS Panjang“ hat gegenüber an der Kaimauer festgemacht. Es ist voll, die Jugend von Santo Tomás macht am Sonnabend Party. Trotz der lauten Musik kommen wir mit den Guatemalteken ins Gespräch und wagen uns sogar auf die Tanzfläche. Eine junge Frau, mit der ich getanzt habe, gibt mir einen Tequila aus. Den kippe ich in einem unbeobachteten Moment an eine Palme – ich wäre nicht der erste Tourist, der durch K.-o.-Tropfen ausgeknockt ohne Geld und Smartphone wieder zu sich kommt. Diese junge Frau will, dass wir drei mit ihr per Taxi eine andere Kneipe aufsuchen. Wir lehnen ab, zumal uns eine andere Guatemaltekin warnt. Letztere bringt uns im Dunkeln sicher zurück bis zur Hafeneinfahrt. Als Dankeschön zahlen wir ihr das Taxi, damit auch sie gut nach Hause kommt.
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Frauen an Bord
Frauen sind in nautischen Berufen nach wie vor in der Minderheit. Von 1032 deutschen Kapitänen waren laut Verband Deutscher Reeder 2017 nur 14 weiblich. Das sind gerade einmal 1,4 Prozent. Nach einer Studie des Weltreederverbands waren 2017 etwa ein Prozent aller Seeleute weiblich.
Salsa- und Merengue-Musik
Salsa ist sowohl ein Tanz als auch der Ausdruck für ein Lebensgefühl und das spanische Wort für „Soße“. Salsa ist eine Mischung mehrerer Tänze. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierten viele Lateinamerikaner in die USA – einer der Hotspots war New York. Dort trafen die Tänze aufeinander und vermischten sich. Beeinflusst ist Salsa von Rumba, Mambo, Son und Latin Jazz. Der Merengue mit seinem im Vergleich zum Salsa schnelleren Rhythmus soll in der Dominikanischen Republik entstanden sein. Dazu gibt es etliche Theorien. Eine besagt, dass ihn die Piraten mit ihren Klumpfüßen oder Holzbeinen wegen seines charakteristischen Schritts getanzt haben sollen. Er kann aber ebenso über Puerto Rico und Kuba zu den Dominikanern gekommen sein. Übersetzt bedeutet Merengue „Baiser“, was im Französischen „Küssen“ heißt – nur beim Küssen bleibt es beim Merengue meistens aber nicht.