Frauen haben in mittelständischen Firmen einer Studie zufolge im Schnitt bessere Chancen auf einen Top-Job als in börsennotierten Unternehmen. Der Frauenanteil im Vorstand beziehungsweise in der Geschäftsführung lag im Mittelstand Anfang 2020 im Durchschnitt bei 16 Prozent, wie aus einer Umfrage des Beratungsunternehmens EY anlässlich des Weltfrauentags am Sonntag hervorgeht. Vor zwei Jahren waren es 14 Prozent. Im Schnitt der Börsen-Indizes Dax, MDax und SDax sind dagegen gerade einmal neun Prozent der Vorstandsposten mit Frauen besetzt. Deutlich höher liegt der Anteil mit 15 Prozent, betrachtet man nur die 30 Dax-Konzerne.
„Die Karrierechancen für Frauen im deutschen Mittelstand sind weiter gestiegen“, erläuterte EY-Partnerin Elfriede Eckl. Dafür gebe es mehrere Gründe. So müssten sich die Firmen im Wettbewerb um Fachkräfte generell mehr einfallen lassen als die oftmals größeren und bekannteren börsennotierten Unternehmen. Für Christiane Niebuhr-Redder spielt auch eine Rolle, dass viele Mittelständler familiengeführt sind. Sie ist erste Vorsitzende des Vereins Business and Professional Women (BPW) Bremen und Chefin der Internetagentur Webmen mit rund 35 Mitarbeitern. „Mittlerweile ist es selbstverständlich, dass auch Töchter Unternehmen übernehmen“, sagt sie. Das wisse sie nicht nur aus ihrer Mitarbeit bei BPW, sondern auch als Unternehmerin: Mit Webmen betreut sie etliche kleine und mittelständische Unternehmen in der Region.
Ein Beispiel dafür ist die Bremer Firma Domeyer, ein Traditionsunternehmen, das unter anderem Feuerwehren ausrüstet und sich um den Brandschutz auf Luxusjachten und Kreuzfahrtschiffen kümmert. Hier ist seit 2014 Heidi Armbruster-Domeyer Geschäftsführerin, das Unternehmen hat sie von ihrem Schwiegervater übernommen. Zusammen mit ihrem Co-Geschäftsführer Fred Ollerdissen wurde Armbruster-Domeyer Bremer Unternehmer des Jahres 2019.
Je kleiner das Unternehmen, desto größer der Anteil von Managerinnen
Für die Studie wurden im Dezember deutschlandweit 1500 mittelständische Unternehmen mit mindestens 20 Millionen Euro und höchstens einer Milliarde Euro Umsatz befragt. Ein weiteres Ergebnis: Je kleiner das Unternehmen, desto größer ist der Anteil von Managerinnen in der Führungsetage. Bei kleineren Mittelständlern mit einem Umsatz von weniger als 30 Millionen Euro sind es 18 Prozent. Bei großen Firmen mit einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro sind es nur bei 14 Prozent. Bei zahlreichen Firmen haben allerdings weiter ausschließlich Männer das Sagen. In 52 Prozent (2018: 55 Prozent) der Unternehmen ist die Topetage eine reine Männerdomäne.
Eine Untersuchung der staatlichen Förderbank KfW kam jüngst ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Frauenanteil an der Spitze kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) leicht gestiegen ist. Demnach wurden 2018 etwa 613 000 der 3,81 Millionen Mittelständler von Managerinnen geführt, was einem Anteil von 16,1 Prozent entspricht. Die KfW zählt Unternehmen, die nicht mehr als 500 Millionen Euro jährlich umsetzen, zum Mittelstand.
EY zufolge variiert der Anteil weiblicher Führungskräfte im Mittelstand je nach Branche allerdings stark. Bei Finanz- und anderen Dienstleistern werden demnach inzwischen mehr als ein Viertel (26 Prozent) der Führungsposten von Managerinnen besetzt, in der Ernährungsbranche 22 Prozent und im Bau 20 Prozent. Im Maschinenbau und in der Elektrotechnik sei der Anteil mit acht beziehungsweise zehn Prozent dagegen unterdurchschnittlich.
Zugleich klage knapp die Hälfte der Unternehmen in der Elektrotechnik darüber, dass es schwierig sei, genügend qualifizierte Frauen zu gewinnen. Im Kraftfahrzeugbau seien es sogar 51 Prozent. „Teilweise sind die Probleme hausgemacht“, sagte Eckl. In vielen Unternehmen unterstützen Männer sich gegenseitig. „Frauen werden hingegen nicht ausreichend gefördert.“ Allerdings gelinge es gerade in den vermeintlich typischen Männerberufen auch nicht ausreichend, Mädchen für Themen wie Mathematik, Physik oder Chemie zu begeistern.