Gerichtsurteile sind gelegentlich umstritten, sorgen aber in aller Regel für klare Verhältnisse. Wer Sieger und wer Verlierer einer Auseinandersetzung ist, wird meistens ziemlich deutlich. Im Streit um die Affenversuche des Neurowissenschaftlers Andreas Kreiter ist das nicht anders: Die Bremer Uni geht als Gewinnerin hervor, während Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) eine Niederlage einstecken muss.
Wie berichtet, hat das Bremer Verwaltungsgericht am Donnerstag einem Antrag Kreiters stattgegeben. Er darf, zunächst befristet bis zum 30. November, weiter Hirnforschung an Makaken betreiben – gegen den erklärten Willen von Bernhard, dem größten Teil der Bremer Politik und verschiedenen Tierschutzorganisationen. Der Gewinnerin, die Uni, zeigt sich erfreut: "Das Gericht hat mit seiner Entscheidung die in unserem Grundgesetz verankerte Wissenschaftsfreiheit sichergestellt", sagt der Rektor der Universität, Bernd Scholz-Reiter. "Ich appelliere an die Bremer Politik, diese zu respektieren und zu wahren. Sie stellt ein hohes Gut für unsere freiheitlich demokratische Gesellschaft dar."
In einer ausführlichen Mitteilung geht die Universität auf das Gerichtsurteil ein. Die Uni-Vertreter greifen dabei die recht eindeutigen Formulierungen auf, mit denen die Richter die Einwände der Gesundheitsbehörde entkräften. So heißt es in dem Urteil wörtlich: "Die Antragsgegnerin hat sich weder mit der früheren Bewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung auseinandergesetzt, noch hat sie es um eine aktuelle fachkundige Auskunft zu Alternativmethoden gebeten." Die Universität sieht sich durch das Urteil vollumfänglich bestätigt, alle rechtlichen Vorgaben zu erfüllen.
Antrag "rechtswidrig verzögert"
Das Gericht wirft Bernhard vor, "die Entscheidung über den Verlängerungsantrag des Antragstellers bewusst rechtswidrig verzögert" zu haben. Die Gesundheitssenatorin hatte eine Verlängerung der Genehmigung mit dem Argument abgelehnt, dass die Rechtslage nach Ansicht ihrer Behörde dagegen spreche. Die Uni wiederum bemängelt eine Vermischung von sachlichen und emotionalen Argumenten. In der Öffentlichkeit würden oft Falschinformationen kursieren. Scholz-Reiter warnt: "Politische und öffentliche Debatten dürfen deshalb nicht emotional aufgeladen geführt werden." Noch sei "biomedizinischer Fortschritt" nicht ohne Tierversuche möglich. Man halte sich dabei an "hohe gesetzliche Auflagen".
Die Verliererin des Rechtsstreits, die Bremer Gesundheitsbehörde, hält sich nach dem Urteil vorerst bedeckt. "Wir haben das Urteil zur Kenntnis genommen. Jetzt werden wir es prüfen und inhaltlich für uns bewerten. Anschließend werden wir uns zu den Inhalten und dem weiteren Umgang äußern können", heißt es aus dem Haus von Claudia Bernhard. Offen ist zum Beispiel die Frage, ob die Behörde das Urteil anfechten lässt – dafür hat sie zwei Wochen Zeit. "Wir hoffen, dass die Senatorin in Beschwerde geht", sagt Brigitte Wohner-Mäurer. Die Vorsitzende des Bremer Tierschutzvereins hält das Urteil für falsch. Es gebe durchaus gleichwertige Alternativen. Wohner-Mäurer verweist zum Beispiel auf Versuche mit nachgezüchteten menschlichen Gehirnen.
Unabhängig davon, ob Bernhard das Urteil des Bremer Verwaltungsgerichtes anfechten lässt: Sollte die Behörde bei ihrer grundsätzlichen Haltung bleiben, die Affenversuche abzulehnen, drohen in den nächsten Jahren weitere Rechtsstreitigkeiten. So sieht es auch Wohner-Mäurer: Sie hoffe deshalb auf ein grundsätzliches Verbot von Tierversuchen durch die Europäische Union.