Theoretisch ist noch viel Zeit. Erst am 3. Dezember findet die Aufstellungsversammlung der Bremer Grünen für die Bürgerschaftswahl im Mai 2023 statt. Dann muss final geklärt werden, wer die Partei in den Wahlkampf führt. Allerdings wüssten viele der gut 1200 Mitglieder des Landesverbandes gern früher, woran sie sind. Die Hauptkonkurrenten haben die Weichen schon gestellt: Die CDU nominierte vor wenigen Wochen Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff als Listenführer. Bei der SPD stehen Beschlüsse zwar noch aus. Aber niemand zweifelt daran, dass für die Sozialdemokraten Bürgermeister Andreas Bovenschulte das Rathaus verteidigen soll.
Magere Zwischenbilanz
Normalerweise müsste die grüne Spitzenkandidatur ebenfalls ein Selbstläufer sein. Schließlich ist Umweltsenatorin Maike Schaefer erst wenige Jahre im Amt – und wer wechselt schon nach einer einzigen Wahlperiode die Frontfrau aus? Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Teile der Partei tun sich schwer mit der Personalie.
Das hat unterschiedliche Gründe. Der offensichtlichste: Schaefers bisherige Bilanz im Amt wird von vielen Grünen-Funktionsträgern als eher dürftig wahrgenommen. Öffentlich wird das niemand sagen, aber gerade in der Bürgerschaftsfraktion ist die Ernüchterung groß. Von den schon vor Schaefers Amtsantritt angekündigten Fahrrad-Premiumrouten existieren bisher nur kurze Stummel, und die drei Fahrradbrücken über die Weser verharren weiter im Planungsstadium. Bis zum Urnengang am 14. Mai nächsten Jahres wird keines dieser Bauwerke stehen, dabei hätten sie das sichtbarste Zeichen einer Bremer Verkehrswende sein können. Und bei der dringend notwendigen Neuordnung des ÖPNV-Knotens Domsheide hat sich die Senatorin mit den Koalitionspartnern hoffnungslos verhakt.
Schlechtes Umfrageergebnis
Dass unter Schaefer wenig vorankommt, spiegelt sich in ihren Beliebtheitswerten. In einer Infratest-Dimap-Umfrage von Mitte Mai zeigten sich 44 Prozent der Befragten mit der Amtsführung der Senatorin unzufrieden. Für kein Senatsmitglied ermittelten die Demoskopen einen schlechteren Wert.
Obendrein hat die Senatorin erkennbare Probleme mit der Führung ihrer Großbehörde für Umwelt, Verkehr und Bau. In keinem Leitungsstab anderer senatorischer Behörden gibt es eine so hohe Fluktuation. Innerhalb der zurückliegenden anderthalb Jahre verließen zwei persönliche Referenten die Führungsetage, noch häufiger wechselte die Büroleitung, in der Kontinuität eigentlich von höchster Bedeutung ist. Im Frühjahr reichte es auch Staatsrat Ronny Meyer. In Senatskreisen galt es als offenes Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen Schaefer und ihrem Stellvertreter – zurückhaltend ausgedrückt – belastet war.
All dies ist den maßgeblichen Personen in Partei und Fraktion natürlich nicht verborgen geblieben. Hier wie dort nimmt die interne Kritik zu. Der Parteivorstand hat sich in den vergangenen Wochen bereits mehrfach mit der Frage der Spitzenkandidatur beschäftigt, ohne sie einer Klärung näherzubringen.
Was Schaefer in dieser Situation zugutekommt, ist die Abwesenheit einer überzeugenden personellen Alternative. Es gibt schlicht niemanden, der bereit wäre, gegen die Vegesackerin anzutreten. Genauer gesagt: die bereit wäre, denn nach den Statuten der Grünen kommt für Listenplatz eins nur eine Frau infrage. Das Format für die Spitzenkandidatur hätte sicher die Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther, doch die ist als faktische Vorsitzende des Gesundheitsausschusses in Berlin bereits gut versorgt und macht keine Anstalten, sich Richtung Bremen zurückzuorientieren. In der Partei hoch geschätzt ist Sozialsenatorin Anja Stahmann. Doch auch sie würde nach allgemeiner Überzeugung nicht gegen Maike Schaefer putschen. Anders stünde es um Stahmanns Bereitschaft zur Spitzenkandidatur möglicherweise, sollte Schaefer freiwillig verzichten. Über ein solches Szenario wird zumindest da und dort spekuliert.
Juristischer Stolperstein
Schaefer deckt ihre Karten bisher nicht auf. Eine Anfrage des WESER-KURIER zum Thema Spitzenkandidatur ließ sie unbeantwortet. Dafür gibt es aktuell allerdings auch einen guten Grund. Denn noch hängt ein Damoklesschwert über ihrem Haupt, an dem die Senatorin selbst mitgeschmiedet hat. Seit Ende März führt die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen gegen sie wegen des Verdachts von Untreue zulasten des Bremer Haushalts. Anlass war eine dienstliche E-Mail Schaefers an die Beschäftigten der Umweltbehörde, in der sie ermuntert wurden, während der Dienstzeit an einer Klima-Demonstration teilzunehmen. Die Staatsanwaltschaft wird dem Vernehmen nach in Kürze verkünden, zu welchen Ergebnissen sie gekommen ist. Sollte sich der Verdacht erhärten, müsste die Senatorin vermutlich einen hohen politischen Preis zahlen.
Parteichef Florian Pfeffer setzt weiterhin auf Maike Schaefer. Die 51-Jährige stehe für eine "konsequente Umsetzung grüner Politik", findet Pfeffer, weshalb er auch begrüßen würde, sollte sich Schaefer erneut für die Spitzenkandidatur zur Verfügung stellen. Eine entsprechende Erklärung von ihrer Seite erwartet Pfeffer noch für diesen Monat. Zumindest in ihm, so scheint es, hat Maike Schaefer eine Stütze.