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Baumkontrolle In Bremen unterwegs mit dem Forstwirt

Im zweiten Bezirk ist Florian Frerichs als Baumkontrolleur im Einsatz. Jeden Tag wandert sein Blick nach oben, seine Eindrücke trägt er in eine digitale Datenbank ein. Und ab und zu auch eine Fällempfehlung.
22.09.2022, 05:00 Uhr
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In Bremen unterwegs mit dem Forstwirt
Von Frank Hethey

Seinen Hammer hat Florian Frerichs immer griffbereit dabei. Findet er am Baum eine schadhafte Stelle, kommt das Werkzeug zum Einsatz. Beim Klopfen hört der 31-Jährige ganz genau hin. Klingt es hohl, hält er das Ergebnis auf seinem Laptop fest. In einer Datenbank, die jeden einzelnen Baum erfasst. Wie auch alles andere, was von der Norm abweicht. Frerichs trägt es mit seinem digitalen Stift in vorgegebene Felder ein, ein Häkchen reicht. Routiniert wandert sein Blick in Richtung Baumkrone. Und dann der nächste Kandidat. So ungefähr 80 bis 120 Bäume schafft Frerichs jeden Tag. 

Der gelernte Forstwirt ist Baumkontrolleur. Einer von vieren im zweiten Bezirk, zu dem auch Oberneuland gehört. Der Stadtteil, der unlängst durch einen sogenannten Grünastabbruch für negative Schlagzeilen sorgte. An der Oberneulander Landstraße war ein gewaltiger Ast in einen Vorgarten gekracht und hatte dabei ein Kindertrampolin unter sich begraben – zum Glück, ohne dass jemand zu Schaden kam. Für solche langen, zu langen Äste hat Frerichs einen Namen: "Unglücksbalken". 

Auch gesunde Äste können brechen

Frerichs war der Mann, der diesen Baum sozusagen auf Herz und Nieren überprüft hat. Sein Befund: eine gesunde Eiche. Wirklich beruhigen kann das freilich nicht. Tückisch bei Grünastabbrüchen ist ja gerade, dass sie nicht vorhersehbar sind. Im Prinzip kann es jeden gesunden Ast jederzeit treffen. Daran ändern auch die ergiebigen Regengüsse der vergangenen Tage nichts. "Der Boden ist immer noch durchgetrocknet", sagt Niclas Strothotte, Referatsleiter beim Umweltbetrieb Bremen (UBB). Und so lange das so ist, können auch voll belaubte Äste völlig unvermutet nach unten rauschen.

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Dass Grünastabbrüche eine Folge des Klimawandels sind, liegt auf der Hand. Die Sommer werden immer trockener, dadurch sinkt der Grundwasserpegel. Die Folge: Die Zellspannung lässt nach, der Baum steht unter Stress. Nicht nur junge Bäume müssen versorgt werden, auch ältere mit tieferen Wurzeln leiden zusehends unter Wassermangel. Ein untrügliches Indiz dafür ist die vorzeitige Gelbfärbung der Blätter. "Der Laubfall setzt häufig viel früher ein", sagt Strothotte. "Nicht erst Mitte September, sondern schon Mitte August." Damit es gar nicht erst so weit kommt, sind die ersten Altbäume mit Sensoren im Wurzelbereich ausgestattet worden. Ein Pilotprojekt mit insgesamt fünf Bäumen, ein Baum in jedem Bezirk. 

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Als Baumkontrolleur ist Frerichs die erste Instanz in Sachen Baumgesundheit. Täglich zieht er seiner Wege, bei Wind und Wetter, das ganze Jahr. Der gebürtige Ahlhorner hat es so gewollt, seit Jahresanfang macht er diesen Job. "Weil es ein grüner Beruf ist", sagt er. Er ist auch gelernter Elektriker, aber das war nicht nach seinem Geschmack. Die Arbeit an der frischen Luft liegt ihm. Und die Bäume zu begutachten auch. "Für mich ist das wie ein Abenteuer, wie eine Schatzsuche", sagt er. Fast könnte man auch von einer erzieherischen Aufgabe sprechen, die Bäume müssen sich einfügen in die städtische Umgebung. "Anders als im Wald, da braucht man keine Kontrollen." Im Fachjargon ist von "Erziehungs- und Aufbauschnitt" die Rede.  

In der Stadt ist die Verkehrssicherheit das oberste Gebot. Bäume dürfen Fahrzeuge, Fußgänger oder Fahrradfahrer nicht gefährden. Tun sie es doch, schlägt die Stunde des Baumkontrolleurs. Dabei geht es vor allem um abgestorbene Äste, um sogenanntes Totholz. Ein scharfes Auge hat Frerichs aber auch für Vergabelungen. Oft sind es nur kleine Risse, die größer werden könnten. Kappen ist dann nicht immer das richtige Mittel. "Jede Kappung ist auch eine Schwächung des Baums", sagt er. "Und ein Angriffspunkt für Pilze und andere Parasiten." 

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Mitunter rückt der ganze Baum in den Fokus. "Wenn gravierende Schäden vorliegen, wird im Programm eine Fällempfehlung eingetragen", sagt Strothotte. Sei ein Baum nicht mehr standsicher, werde er in der nächsten Fällsaison entfernt. So einen Verdachtsfall gibt es gerade am Mariannenhof in Borgfeld. Eine etwa 120 Jahre alte Eiche, die Frerichs als nicht mehr standsicher einschätzt. Doch bis zum Fällen ist es ein langer Weg, erst stehen noch zwei Zusatzkontrollen auf der Agenda. Womöglich könnten gezielte Maßnahmen helfen, etwa ein Rückschnitt der Krone. Erst wenn sich die Experten einig sind, dass die Standsicherheit definitiv nicht mehr gewährleistet ist, übernimmt das Fällkommando. Allerdings kann der Stab auch über gesunde Bäume gebrochen werden. "Zum Beispiel wenn sie zu dicht stehen", sagt Frerichs. Sei das der Fall, würden die Stämme nur lang, aber nicht dick. 

Straßenbäume stehen unter Stress

Sein besonderes Augenmerk gilt den Straßenbäumen. Die sind besonders vielen Stressfaktoren ausgesetzt: Wegen unterirdischer Leitungen haben die Wurzeln zu wenig Platz, oberirdisch setzen ihnen Abgase und Asphalt zu. "Deshalb haben sie auch eine geringere Lebenserwartung als Bäume in Grünanlagen", sagt Frerichs. Hat er erst einmal einen Baum auf dem Kieker, lässt er nicht mehr locker. Das Gebot der Verkehrssicherheit verlangt Gewissheit. In begründeten Verdachtsfällen muss ein Hubsteiger für Klarheit sorgen. "Wir klopfen nicht nur unten am Stamm, wir klopfen auch oben", sagt Frerichs. "Eigentlich machen wir nur logische Sachen." 

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