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Wiederbelebung, stabile Seitenlage und Co. Erste Hilfe im Überblick: So werden Laien zu Lebensrettern

"Jeder kann helfen" - das sagt Michael Freyhoff vom Deutschen Roten Kreuz in Bremen. Gemeint sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Erste-Hilfe-Maßnahmen für Laien im Überblick.
20.09.2021, 06:00 Uhr
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Erste Hilfe im Überblick: So werden Laien zu Lebensrettern
Von Sabine Doll

Die meisten Unfälle ereignen sich laut dem Robert Koch-Institut (RKI) im Haushalt: Stürze, Schnittwunden, Verbrühungen und Verbrennungen oder Vergiftungen gehören dazu. Je nach Schwere können umgehend eingeleitete Erste-Hilfe-Maßnahmen lebensrettend sein, bis professionelle Retter vor Ort sind und die Behandlung übernehmen.

Das gilt insbesondere bei Notfällen wie einem Herz-Kreislauf-Stillstand – „dann zählt jede Sekunde“, sagt Andreas Fach, leitender Oberarzt am Klinikum Links der Weser in Bremen. Der Kardiologe erinnert an den dänischen Fußball-Nationalspieler Christian Eriksen, der beim Europameisterschaftsspiel seiner Mannschaft in diesem Sommer gegen Finnland wegen eines Herzstillstands zusammengebrochen war. Der dänische Mannschaftskapitän Simon Kjaer reagierte umgehend und leitete Wiederbelebungsmaßnahmen ein.

„Damit hat er seinem Mitspieler vermutlich das Leben gerettet“, betont Fach. „Viele Menschen trauen sich nicht, Erste Hilfe zu leisten. Sie haben Angst, etwas falsch zu machen. Die Botschaft ist aber: Das einzige, was man falsch machen kann, ist, gar nichts zu unternehmen. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand ist der Betroffene klinisch tot – hilft niemand, bleibt es dabei. Die Chancen, sie oder ihn zu retten, sind dagegen groß."

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"Jeder kann helfen", sagt auch Michael Freyhoff. Der Leiter für die Breitenausbildung beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Bremen wirbt für die Teilnahme an Erste-Hilfe-Kursen: „Bei vielen Erwachsenen war der Führerschein die einzige und letzte Gelegenheit, weshalb sie an einem Kurs teilgenommen haben. Das liegt dann oftmals schon Jahre oder sogar Jahrzehnte zurück.“ In den Kursen würden die einzelnen Erste-Hilfe-Maßnahmen vermittelt. „Ein wichtiger Effekt ist zudem, dass ein Kurs grundsätzlich für das Thema Helfen sensibilisiert“, sagt er. „Erste Hilfe ist im Grunde kinderleicht“, sagt der Rettungsprofi. Wie andere Hilfsorganisationen bildet das DRK zum Beispiel junge Menschen als Ersthelfer und -helferinnen für den Schulsanitätsdienst in Bremen aus. Wichtigste Regel für erwachsene und junge Helferinnen und Helfer ist laut Freyhoff aber vor allem auch: „Eigenschutz geht immer vor, niemand soll sich selbst in Gefahr bringen.“ Erste-Hilfe-Maßnahmen im Überblick:

Notfallcheck

Anschauen, ansprechen, anfassen – dies sind laut den Johannitern die zentralen Begriffe des Notfallchecks, um herauszufinden, wie dringend eine Person medizinische Hilfe benötigt und was als nächstes zu tun ist, wie es auf der Website johanniter-superhands.de heißt. Das Online-Angebot richtet sich speziell auch an junge Menschen. Mit diesem Prinzip werde getestet, ob eine Person noch reagiert, das heißt, bei Bewusstsein ist. Es werde etwa nach sichtbaren Verletzungen geschaut und die Person angesprochen. Grundsätzlich sollten bei Notfällen auch immer andere Menschen, wenn möglich, dazu geholt und parallel – vor allem, wenn die Person nicht bei Bewusstsein ist – ein Notruf unter 112 abgesetzt werden.

Atmung kontrollieren

Das DRK informiert in einem Leitfaden: „Legen Sie die Person auf den Rücken, überstrecken Sie den Hals, indem Sie eine Hand an die Stirn, die andere unter das Kinn des Betroffenen legen und gleichzeitig den Kopf nach hinten neigen und das Kinn anheben. Hören Sie in dieser Position nach Atemgeräuschen – achten Sie auf spürbaren Atem an der eigenen Wange. Und schauen Sie, ob sich der Brustkorb hebt und senkt." Atme der Betroffene, werde er in die stabile Seitenlage gebracht. Wie die stabile Seitenlage funktioniert ist unter anderem auf der Internetseite des DRK unter drk.de/hilfe-in-deutschland/erste-hilfe/stabile-seitenlage oder auf den Online-Portalen anderer Hilfsorganisationen bildlich dargestellt. Mit Fotos und Grafiken lassen sich die einzelnen Schritte am besten vermitteln.

Herz-Lungen-Wiederbelebung

Wird keine Atmung festgestellt, muss umgehend mit einer Reanimation begonnen werden. Die Person wird dazu in Rückenlage gebracht, möglichst auf einem harten Untergrund, wie Kardiologe Fach erklärt. Dann kniet man sich laut dem Herzspezialisten auf Höhe des Brustkorbs neben die Person, eine Hand wird mit dem Ballen auf der Mitte des Brustkorbs platziert, die zweite Hand auf die erste gelegt. Senkrecht von oben und mit durchgestreckten Armen werde dann mehrere Zentimeter tief rhythmisch gedrückt – „wenn man circa zweimal pro Sekunde drückt, erreicht man die erforderliche Frequenz von 100 Mal pro Minute“, heißt es auf der Internetseite der Malteser.

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Normalerweise laute die Regel: 30 Mal drücken und zweimal Mund-zu-Mund-Beatmung im Wechsel. In Corona-Zeiten haben viele Ersthelferinnen und -helfer Sorge wegen einer Infektion. Laut den Hilfsorganisationen ist auch eine durchgehende Massage möglich, dafür sollte allerdings der Kopf der Person überstreckt sein, wie die Malteser informieren.

„Eine Herzdruckmassage ist sehr anstrengend, deshalb wäre es gut, wenn sich Ersthelferinnen und -helfer dabei möglichst abwechseln. Und: Ist ein Laien-Defibrillator in der Nähe, sollte dieser von einer anderen Person geholt werden“, betont Fach. Standorte könnten auch über Apps abgerufen werden. Die Geräte funktionieren laut dem Arzt automatisch, man werde Schritt für Schritt angeleitet.

Verbrennungen und Verbrühungen

Sie gehören laut dem DRK zu den häufigsten Verletzungen im Haushalt. Bei Verbrühungen müsse die nasse Kleidung schnell, aber vorsichtig entfernt werden. Die betroffenen Körperteile sollten für maximal zehn Minuten unter möglichst fließendem, handwarmem Wasser gekühlt werden. Bei Verletzungen im Gesicht könnten feuchte Tücher genutzt werden, die Atemwege müssten dabei unbedingt frei bleiben. „Öffnen Sie keine Brandblasen und passen sie auf, dass nichts in die Wunde gelangt, das gilt auch bei Verbrennungen“, heißt es in dem Erste-Hilfe-Leitfaden. Bei großflächigen Verbrennungen, größer als zwei DIN-A4-Seiten, sollte wegen der Gefahr einer Unterkühlung besser nicht gekühlt werden.

Die Behandlung sollte dem Rettungsdienst überlassen werden – größere Verbrennungen und Verbrühungen seien immer ein Notfall. Die Hilfsorganisationen warnen vor allem davor, vermeintliche Hausmittel wie Mehl oder anderes anzuwenden – Mehl etwa verklebe die Wunde, außerdem sei es nicht steril. Gerate ein Kleidungsstück oder gar ein Körperteil in Brand, sollte die Person in eine Decke gewickelt oder auf dem Boden gewälzt werden, um die Flammen zu ersticken.

Erste Hilfe bei Vergiftungen

Giftige Pilze, Beeren, verdorbene Lebensmittel, Pflanzenschutzmittel oder andere im Haushalt befindlichen Substanzen können die Ursache für Vergiftungen sein. Es könne zu Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen, Schweißausbrüchen und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Atem-Kreislauf-Stillstand kommen, warnt das DRK. „Alarmieren Sie auch hierbei umgehend den Notruf unter 112, die Substanzen sollten für spätere Untersuchungen aufbewahrt werden.“ Das Giftinformationszentrum-Nord  berät zudem rund um die Uhr unter Telefon 0551/19240.

Bei Vergiftungen, versehentlich eingenommenen Chemikalien oder anderen Substanzen, sollte zudem kein Erbrechen provoziert werden, warnen die Organisationen. Müsse sich die Person übergeben, sollte vorsichtig der Kopf gehalten werden. Die Betroffenen sollten auch nichts trinken. Vor allem sollten der Bewusstseinszustand sowie die Atmung beobachtet werden und gegebenenfalls die Personen in die stabile Seitenlage gebracht, bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand reanimiert werden. Sollte sich das Gift im Mundbereich befinden, dürfe keine ungeschützte Mund-zu-Mund-Beatmung durchgeführt werden.

Erstickungsgefahr

Fremdkörper in Luft- und Speiseröhre, Schwellungen im Mund- und Rachenraum – etwa durch Insektenstiche – können zu akuter Erstickungsgefahr führen. Ist die Luftröhre blockiert und die Person atmet nicht mehr, etwa durch Verschlucken, sollte immer der Notruf alarmiert werden. Als Erste-Hilfe-Maßnahme sollten die Betroffenen den Oberkörper nach vorn beugen, Ersthelfer schlagen bis zu fünfmal mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter auf den Rücken. Sei dies nicht erfolgreich, könne die sogenannte Oberbauchkompression angewandt werden.

„Stellen Sie sich dazu hinter den Betroffenen, sein Oberkörper ist weit nach vorn gebeugt. Umfassen Sie mit beiden Armen den Oberbauch, legen Sie eine geballte Faust zwischen Nabel und Brustbeinende“, informiert der DRK-Leitfaden. Mit der anderen Hand werde die Faust umfasst und diese bis zu fünfmal kräftig nach hinten oben gezogen. Zwischen jeweils fünf Rückenschlägen und fünf Oberbauchkompressionen sollte gewechselt werden, bis der Rettungsdienst eintrifft. Insektenstiche im Mund- oder Rachenraum seien immer ein Notfall. Bis zum Eintreffen der Retter könne man die Person einen Eiswürfel lutschen lassen, um die Schwellung möglichst gering zu halten, auch kühle Umschläge im Hals- und Nackenbereich könnten hilfreich sein.

Offene Wunden

Dazu kann es schnell kommen, etwa in der Küche oder beim Heimwerken. Damit nichts in die Wunde gelangt, sollte sie mit einem keimfreien Verband abgedeckt werden, heißt es. Bei kleineren Wunden reiche ein Pflaster. Ein Druckverband soll starke Blutungen stoppen. „Legen Sie die im Verbandpäckchen integrierte Wundauflage auf die Wunde, befestigen Sie sie mit der Binde. Dann legen Sie ein nicht saugfähiges Druckpolster auf die Stelle der Wunde und umwickeln diese nochmals“, informiert das DRK. Alternativ könne ein sauberes Tuch als Wundauflage dienen, ein weiteres Tuch oder Kleidungsstück als Binde.

Glassplitter oder andere Fremdkörper sollten nicht bewegt werden, sondern vorsichtig umpolstert und von den Profis entfernt werden. Bei Wunden sei es zudem wichtig, den Tetanusschutz gegebenenfalls auffrischen zu lassen. Tierbisse, etwa durch Hunde, sollten ebenfalls ärztlich versorgt werden – wegen Infektions- und speziell Tollwutgefahr, betont das DRK.

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