Habe ich mich in den vergangenen Wochen eigentlich schon in ausreichender Form dafür entschuldigt, dass es in dieser Kolumne zurzeit immer irgendwie um den laufenden Wahlkampf geht? Ich glaube ja – und fürchte, dass ich Ihnen das allgegenwärtige Thema an diesem Wochenende wieder nicht ersparen kann. Auslöser war Anfang der Woche eine kleine Anzeige in unserer geschätzten Qualitätszeitung, die mich darauf hinwies, dass sich der Bremer Landesvater Andreas Bovenschulte auf ins Umland macht, um dort Peggy Schierenbeck, der Bundestagskandidatin des Unterbezirks Diepholz seiner Partei, auf den letzten Metern vor dem Wahlsonntag den Rücken zu stärken. So weit, so normal.
Denn so läuft es in diesen Tagen ja immer: Die aus Funk, Fernsehen und Tageszeitung bekannten Politgrößen unterstützen die eher Kleineren vor Ort. Schließlich war Außenministerin Annalena Baerbock vergangene Woche auch gerade in Bremen, um den hiesigen Grünen beim Stimmenfang zu helfen. Wenn dann also Mitte der Woche der aus Sicht der Metropolregion überaus prominente Bovi mit der eher nicht so prominenten Peggy in Weyhe über Fußball, Musik und Kartoffelsalat – so die Anzeige – schnackt, entspricht das dem Standardverfahren des Wahlkampfs.
Was ich viel bemerkenswerter fand: den Ort des Geschehens. Denn das Gasthaus, in dem Bovi und Peggy schnackten, liegt in Leeste an einem Haltepunkt der Trasse der künftig verlängerten Straßenbahnlinie 8. Und da wären wir mitten in der Gegenwart des 0421-Lands angekommen. Denn auf die Inbetriebnahme dieser ÖPNV-Route, die mich aus dem Bremer Süden schnurstracks in die Bremer Innenstadt ins Büro bringt, warte ich seit inzwischen bald 20 Jahren. Immerhin deuten die nunmehr laufenden Bauarbeiten entlang der Strecke durch Huchting, Stuhr und Weyhe darauf hin, dass es vor meiner anstehenden Verrentung vielleicht doch noch was mit dem verkehrsgewendeten Weg an den Schreibtisch werden könnte. Wenn dazwischen nicht die Weserbrücken lägen.
Denn da klingen die Nachrichten dieser Woche: eher nicht so gut. Die Ertüchtigung der Bürgermeister-Smidt-Brücke ist zwar im Plan, mit dem Gewicht der modernen Straßenbahnzüge darf sie es dennoch auch künftig nicht aufnehmen. Also sollen die demnächst auch weiterhin die nicht viel weniger marode, demnächst zu sanierende Wilhelm-Kaisen-Brücke belasten. Oder eben auch nicht. So wie die bisherige Linie 8, die deshalb nun schon seit einiger Zeit links der Weser bleiben muss. Stand jetzt freue ich mich also auf den Ausbau einer Linie, die umständehalber doch nicht über den Fluss kommt. Hurra!
Aber ich hätte es ahnen müssen. Schon damals, kurz vor der Jahrtausendwende, als ich als hoffnungsvoller Jungredakteur meinte, es aus dem Bremer Süden hinaus in die große, weite Welt hinaus geschafft zu haben. Da lautete der Kommentar eines altgedienten Kollegen: Du kannst in Bremen überall wohnen, aber nicht auf der linken Weserseite. So unerhört blasiert ich das einst fand: Womöglich hatte er recht.
Tagebucheintrag: Dass ich als Linksweseraner damals so etwas wie der Hofnarr in der Redaktion war – Schwamm drüber. Es war ja kein Wahlkampf.