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Menschengemachtes Problem Gefundenes Fressen

Ein Bremer Schädlingsbekämpfer berichtet von zunehmenden Problemen mit Ratten – die zuständigen Stellen sehen keine negative Entwicklung. Einig sind sich alle, dass das Problem menschengemacht sei.
09.10.2021, 13:42 Uhr
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Gefundenes Fressen
Von Felix Wendler

Karl-Günter Mindermann jagt Ratten. Er macht das beruflich, hat eine eigene Firma in Walle, die auf Schädlingsbekämpfung spezialisiert ist. Nein, sagt Mindermann, an Aufträgen mangele es ihm aktuell nicht. Auf der einen Seite freue er sich über das gut laufende Geschäft. Auf der anderen Seite klingt der Ärger in seiner Stimme durch, wenn er über das Thema spricht.

"Das Problem ist der Mensch", sagt der Kammerjäger. "Wenn an einem Tag der Gelbe Sack abgeholt wird, stellen manche Leute den nächsten schon am Abend wieder an die Straße. Der steht da dann zwei Wochen." Ein gefundenes Fressen sei das, und überhaupt: Die Menschen würden die Ratten geradezu anlocken. Windeln in gelben Säcken, Hähnchenschenkel im Biomüll – Mindermann sieht den falschen Umgang mit Müll als zentrale Ursache für Rattenprobleme. Die Konsequenzen? Er hat viele Geschichten zu erzählen: von durch Ratten zerlöcherten Gärten. Oder von Gehwegen, die unterhöhlt worden und weggesackt seien. 

In Bremen gibt es – wie in allen Großstädten – immer mal wieder Probleme mit Ratten. Im Sommer war ein Spielplatz in Gröpelingen wegen Rattenbefalls vorübergehend gesperrt worden. Für Ärger hat in der Vergangenheit eine anhaltendende Rattenplage im Nelson-Mandela-Park gesorgt. Und auch von Anwohnern kommen regelmäßig Beschwerden über die Nager. Auf privatem Grund liegt die Bekämpfung in den Händen der Eigentürmer. Sofern es um öffentlich genutzte Flächen und Gebäude geht, sind die Gesundheitsbehörde  und Immobilien Bremen (IB) zuständig. Die Behörde nimmt die Beschwerden auf und leitet sie an IB weiter. Die beauftragen wiederum entsprechende Fachfirmen.

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Etwa 100 dieser Fälle bekomme man jährlich zugetragen, sagt IB-Sprecher Peter Schulz. In einigen davon sei eine Dauerbekämpfung notwendig – heißt, die Fachfirma müsse wiederholt tätig werden und das betroffene Gebiet beobachten. Auch Schulz sieht Rattenbefall als menschengemachtes Problem. Ihm zufolge sind es zum einen Komposte, die – auch aufgrund falscher Befüllung – Ratten anziehen. Zum anderen geschehe das zum Beispiel in der Nähe von Imbissen beziehungsweise überall dort, wo Essen eine Rolle spielt. 

Genaue Zahlen zum Rattenbestand in Bremen existieren nicht. Auch der Experte Mindermann vermag nicht zu sagen, wie viele Ratten es in der Stadt gibt. Berufskollegen von ihm würden unterschiedliche Schätzungen abgeben: "Der eine sagt, es kommt mindestens eine Ratte auf jeden Bremer. Andere sagen zwei, vier oder fünf", so Mindermann. Zählen funktioniere ja schlecht, aber es seien schon etliche. 

Ein Thema sind Ratten auch bei Bremens Kanalnetzbetreiber Hansewasser. "Natürlich gibt es Ratten, und natürlich werden die auch bekämpft", lässt Unternehmenssprecher Oliver Ladeur wissen. Er betont aber auch: "Es gibt in Bremen grundsätzlich kein Rattenproblem." Allerdings, so Ladeur, könne er lediglich für die Kanalisation sprechen. Ratten würden die Kanäle als Infrastruktur nutzen und dort nach Futter suchen – zum Beispiel Küchenabfälle, die fälschlicherweise in der Toilette entsorgt würden.

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"Ratten sind lernfähig. Sie kehren gerne dorthin zurück, wo sie regelmäßig schmackhafte Nahrung finden", sagt Ladeur. Hansewasser gehe bei der Rattenbekämpfung punktuell vor und arbeite mit Spezialfirmen zusammen. Das sei notwendig, da die eingesetzten chemischen Mittel auch für andere Tiere und Menschen potenziell gefährlich seien. Auch bei Ladeur klingt durch, dass es letztendlich menschliches Fehlverhalten sei, das zum anhaltenden Rattenbefall führt: "Leider ist die Bekämpfung nicht effektiv, wenn den Ratten andere Nahrungsquellen und Unterschlüpfe angeboten werden."

Das menschengemachte Problem sei zuletzt schlimmer geworden, findet der Schädlingsbekämpfer Mindermann. Er wolle nicht ins Detail gehen, aber natürlich gebe es bestimmte Gebiete, in denen das Bewusstsein für die richtige Vorsorge nicht gerade ausgeprägt sei. "Man muss immer wieder schimpfen und mahnen, dann wirkt es irgendwann", sagt Mindermann. Teilweise sei es aber auch "ein Kampf gegen Windmühlen". 

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Nicht nur im privaten Bereich, sondern auch an öffentlichen Plätzen würden sich die Ratten immer stärker zeigen. "Wenn man diese nachtaktiven Tiere tagsüber sieht, ist das ein schlechtes Zeichen", sagt Mindermann. Er sehe zum Beispiel eine zunehmende Vermüllung der Wall-Anlagen, die unweigerlich Ratten anziehen würde. Die Nager wieder loszuwerden, sei teilweise auch für Experten schwierig. "Wir legen Köder aus, aber im Zweifelsfall ist der Gelbe Sack dann doch attraktiver", sagt Mindermann. Nicht immer seien seine Bemühungen erfolgreich. Es stimme, dass Ratten hochintelligente Tiere seien. Einige würden sogar spezielle Vorlieben entwickeln, beispielsweise für Kekse. Hinzu kommt, dass die Nager sich schnell vermehren. Innerhalb von sechs bis acht Wochen, erklärt Mindermann, seien Ratten geschlechtsreif.

Zur Sache

Tipps gegen Ratten

Experten sind sich größtenteils einig, was das beste Mittel gegen Ratten ist: Prävention. Küchenabfälle sollten nicht über die Kanalisation entsorgt werden oder auf offenen Komposthaufen landen. Die Experten empfehlen, Gelbe Säcke möglichst in verschlossenen Räumen zu lagern und erst zum Abholtermin an die Straße zu stellen. Hausbesitzer sollten defekte Rohre reparieren lassen, um Ratten das Eindringen zu erschweren. Auch engmaschige Kellerfenster könnten dabei helfen. Weiterhin sei es ratsam, Keller zu entrümpeln, um Nistplätze zu reduzieren. Wer privat Tiere hält, sollte Futterreste sofort entfernen. Das öffentliche Füttern von Enten und Tauben sei gänzlich zu unterlassen.

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