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Interview mit Konrektor Kucera "Es wird viermal schwieriger als 2019"

Seit Kurzem ist Michal Kucera Konrektor der Universität, zuständig für Forschung und Transfer. Hier verrät er, wie die neue Exzellenz-Initiative läuft und warum es vorerst keinen Medizinstudiengang geben wird.
09.11.2022, 05:00 Uhr
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Von Joerg Helge Wagner

Ihre akademische Karriere hat Sie um die halbe Welt geführt: Prag, Göteborg, Santa Barbara, London, Tübingen – was ist das Besondere, vielleicht Einmalige an der Universität Bremen?

Michal Kucera: Ich bin Geowissenschaftler und Meereswissenschaftler, und darin steckt schon die Antwort. In meinem Fach ist Bremen mit dem Marum einer der Top-Standorte der Welt. Es war also eine sehr bewusste Wahl, es ging nicht nur um den nächsten Karriereschritt. Ich war ja schon Professor und wollte an eine Uni, an der man fachlich die besten Möglichkeiten hat.

Seit September sind Sie Konrektor für Forschung und Transfer. Was sind in diesem Amt Ihre wichtigsten Aufgaben?

Bei der Forschung müssen wir die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen und versuchen, durch strategische Impulse und Vernetzung die Universität weiter nach vorne zu bringen. Das Potenzial der Forschenden soll so ausgenutzt werden, dass die Universität als Ganze davon profitiert.

Und beim Transfer?

Neben der Forschung geht es bei Transfer im weitesten Sinne um die Stärkung der Kommunikation und Verbindungen mit der Gesellschaft. Hier erleben wir einen Stimmungswandel: Die Verbindung zwischen Universität und Gesellschaft wird positiver gesehen als in der Vergangenheit.

Es gab das böse Wort vom akademischen Elfenbeinturm.

Ja. Zudem herrschte lange Zeit auch Angst vor dem Einfluss der Industrie auf die Forschung. Die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft, der Politik und auch der Industrie sind jetzt deutlich besser geworden. Ein Kontakt mit der Welt außerhalb der Universität ist vor allem sehr wichtig für unsere Studierenden. Die allermeisten von ihnen werden ja am Ende nicht an einer Universität arbeiten. Je früher sie also mit der Welt außerhalb im Austausch sind und Kenntnisse über die dort relevanten Prozesse erwerben, um so besser wird das für ihre Karriere sein. Das ist auch eine Aufgabe der Universität, die Karrieren ihrer Absolventinnen und Absolventen zu fördern.

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Die Grenzen der Fakultäten und Fachbereiche werden offenbar immer durchlässiger: Humanbiologen arbeiten mit Informatikern zusammen, Geowissenschaftler mit Ingenieuren. Wie flexibel müssen Wissenschaftler heute sein?

Sehr. Wir beantworten heute Fragestellungen jenseits der klassischen Fächergrenzen. Ich habe Geologie studiert, aber ein Großteil meiner aktuellen Forschung ist Genetik. Wir untersuchen lebendes Plankton und versuchen, die Artenvielfalt zu verstehen. Denn es ist das gleiche Plankton, das wir als Fossilien finden. Wir können also die heutige Artenvielfalt vergleichen mit der Entwicklung in der Erdgeschichte - und so herausfinden, wie Artenvielfalt im Meer entsteht.

Sollte die Universität für diese Forschung in Clustern nicht endlich auch eine medizinische Fakultät haben? Die Forschungsgruppe „Lifespan AI“ etwa modelliert Krankheitsverläufe, hat aber keine örtlichen Mediziner an Bord.

An der Universität Bremen hätte man durchaus Anknüpfungspunkte für eine medizinische Forschung. Wenn wir ausreichend Mittel für eine medizinische Fakultät hätten, würden wir das auch ernsthaft in Erwägung ziehen. Aber das ist hypothetisch. Wenn wir jetzt eine medizinische Fakultät gründen wollten, müssten wir auch sagen, welche Hälfte der Universität wir dafür schließen wollen.

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Von 2012 bis 2019 war Bremen Exzellenz-Universität. Wie groß sind die Chancen, sich dieses Qualitätslabel in absehbarer Zeit zurückzuholen?

Das war damals eine Riesenleistung und bundesweit eine große Überraschung. Wir haben gezeigt, dass wir ein Potenzial haben und dass wir uns behaupten können. Jetzt gilt es, daran anzuknüpfen. Man ist ja nicht über Nacht nicht mehr exzellent: Es befinden sich ja immer noch dieselben Personen an der Universität. Wir haben eben in der letzten Runde des Wettbewerbs nicht mehr so gut abgeschnitten und durften uns daher um den Titel nicht mehr bewerben. Jetzt blicken wir nach vorne und geben unseren Wissenschaftlern die Möglichkeit, neue Ideen zu positionieren.

Aber der Wettbewerb ist härter geworden, Bremen braucht einen zweiten exzellenten Forschungscluster.

Richtig. Wenn Sie es rein statistisch betrachten, nach Anzahl der vermutlichen Bewerbungen und der geförderten Cluster, dann wird es dieses Mal drei- bis viermal schwieriger als 2019.

Reichen die Mittel in Bremen überhaupt, um wieder exzellent zu werden?

Wenn man wüsste, wie viele Mittel man braucht, um exzellent zu werden, dann wäre es kein Wettbewerb. Natürlich versuchen alle Universitäten und alle Landesregierungen, sich optimal für diesen Wettbewerb vorzubereiten. Da geht es etwa um die Finanzierung von Vorarbeiten durch die gezielte Förderung von gemeinsamen Projekten. Oder es werden Professuren vorgeschoben, wenn etwa in einem Kernbereich ein demografischer Wechsel bevorsteht. Es wird also eine Professur schon jetzt besetzt, obwohl der Wechsel erst in fünf Jahren ansteht.

Eine vorausschauende Strategie...

...welche die Landesregierung dankenswerterweise unterstützt. Wir hoffen, dass dies unsere Chancen verbessert.

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Gerade explodieren die Kosten für das neue Zentrum Tiefseeforschung – das müsste ein Herzensprojekt für Sie sein. Um es zu vollenden, soll nun an der Sanierung anderer Uni-Gebäude gespart werden. Protest aus anderen Fachbereichen ist absehbar, oder?

Alle baulichen Maßnahmen werden teurer - es unterscheidet sich lediglich, wann man mit der Kalkulation begonnen hat. Das Zentrum Tiefseeforschung ist nach mehrjähriger Bauzeit fast fertig, und jetzt kommen die Rechnungen. Das könnte dazu führen, dass andere Baumaßnahmen verschoben werden.

Aber am teuersten wäre es vermutlich, dass Tiefseezentrum nicht zu vollenden?

Richtfest ist in zwei Wochen. Wenn es nun ein Jahr lang nur hineinregnet, ist alles verloren. Am ökonomischsten ist es also, das Projekt zügig zu vollenden.

Der Wissenschaftsplan 2025 wurde erst deutlich zurückgenommen, dann wieder mit etwas Geld aus dem Corona-Fonds unterfüttert. Wird der Universitätsbetrieb vom Senat hinreichend solide finanziert?

Im Vergleich mit anderen Universitäten sind wir unterdurchschnittlich finanziert. Mit dem Wissenschaftsplan 2025 haben wir uns nicht erhofft, neue Gebäude oder Fachbereiche auszufinanzieren - uns war die Planungssicherheit am wichtigsten. Also über einen längeren Zeitraum zu wissen, mit welchen Mitteln man operieren kann. Dann ließe sich wirklich strategisch planen. Es wäre aber auch nicht fair zu sagen, dass es die Politik vermasselt hat. Es sind viele äußere Umstände dazu gekommen, mit denen niemand rechnen konnte.

Das Rektorat wurde für fünf Jahre gewählt. Was soll es bis 2027 auf jeden Fall erreicht haben?

Man kann schlecht ein Ranking der vielen vor uns stehenden Aufgaben machen. Was ich mir aber wünschen würde, ist, dass die Universität ein Ort wird, an dem sich die Studierenden, die Forschenden, die Mitarbeitenden wohlfühlen. An dem sie gerne mehr geben, als ein Acht-Stunden-Tag erfordert, weil sie für die Universität brennen. Die Stimmung und der Geist dafür sind da. Es gilt, darauf aufzubauen.

Das Gespräch führte Joerg Helge Wagner.

Zur Person

Michal Kucera (51)

ist seit September Konrektor für Forschung und Transfer an der Universität Bremen. Er studierte Geologie in Prag und promovierte in Göteborg (Schweden). Es folgten Aufenthalte in Santa Barbara (USA), London und Tübingen. 2012 wechselte er nach Bremen an den Fachbereich Geowissenschaften und das Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (Marum) als Professor für Mikropaläontologie und Paläozeanographie.

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