Um halb drei Uhr nachts schreckte die 80-Jährige aus dem Schlaf hoch. War da ein Geräusch? Sie stand auf, spähte durch die leicht geöffnete Schlafzimmertür. Und sah eine dunkle Gestalt durch den Flur robben. Schwach beleuchtet von einer Taschenlampe, die sie vor sich hielt. Die Seniorin weckte ihren Mann, doch als beide kurz darauf vorsichtig nach dem Rechten schauten, war der Einbrecher verschwunden. Das Küchenfenster war aufgebrochen, der Bewegungsmelder draußen von der Wand gerissen, im Garten lagen eine Axt und eine Schaufel.
Mitgenommen hat der Einbrecher nicht viel, eine Kamera, ein bisschen Kleingeld, Schlüssel. Trotzdem ist seit dieser Nacht vieles anders im Leben der 80-Jährigen. Immer wieder hat sie Angstattacken, bekommt keine Luft, hat plötzlich eiskalte Füße. „Und jeden Abend ist es dasselbe.“
„Die Vorstellung hat mich angeekelt“
Mit einer Reihe von Sicherheitsritualen kämpft die Seniorin seither gegen ihre Ängste an. Die Haustür ist nachts mit mehreren Ketten gesichert. Wenn ihr Mann abends außer Haus ist, macht sie die Runde durchs Gebäude und schaltet abwechselnd die Lichter in allen Zimmern an. Und auf ihrem Nachttisch liegt ein ganzes Sammelsurium von Gegenständen: Festnetztelefon, Mobiltelefon, mehrere Taschenlampen, eine mobile Klingel...
Nach dem Einbruch hätten sie und ihr Mann erst mal eine Weile im Wohnwagen geschlafen, erzählt die 80-Jährige. „Eigentlich Blödsinn“, sagt sie, aber es sei einfach nicht anders gegangen. Und das Treppengeländer in ihrem Haus hat sie ein Jahr lang nicht berührt. „Ich konnte es einfach nicht. Die Vorstellung, dass er das angefasst hat, hat mich angeekelt.“ Nie hätte sie gedacht, „wie grausam so etwas ist“. Im Gegenteil: „Wenn mir das vorher einer von jemand anderem erzählt hätte, hätte ich gesagt: der spinnt.“
Gerade als der Einbruch etwas zu verblassen begann, folgte im Oktober 2019 der nächste. Wieder sei sie nachts aufgewacht. „Da klappert doch draußen was.“ Sie sei dann ans Fenster gegangen, habe aber nichts gesehen und auch nichts mehr gehört. „Na ja, hab ich wohl nur geträumt“, habe sie sich gesagt und sich wieder hingelegt. Umso größer der Schreck am nächsten Morgen, als sie und ihr Mann im Garten untrügliche Zeichen eines Einbruchsversuchs entdeckten. Immerhin, diesmal gelangte der Täter nicht ins Haus. Vielleicht aufgeschreckt durch die wach gewordene Seniorin am Fenster, beließ er es beim Versuch. „Aber die Angst war natürlich sofort wieder da.“
Inzwischen haben sie und ihr Mann massiv in Sicherheitstechnik investiert, eine hochmoderne Alarmanlage installiert und Bewegungsmelder, die dafür sorgen, „dass der Garten ausgeleuchtet wird wie ein Fußballplatz“, erzählt die 80-Jährige und lacht. Allmählich kehre ihr Humor zurück. „Ich war ja eigentlich immer sehr lebenslustig“, sagt sie. Aber vorbei sei das Ganze trotzdem nicht, wird es wohl nie mehr sein. Sie überlege sogar, es doch mit psychologischer Unterstützung zu versuchen. Das habe sie schon nach dem ersten Einbruch vorgehabt, aber ihre Krankenkasse habe dafür nicht zahlen wollen.