Wohin mit der Straßenbahn? Eine Frage, die am Wochenende neuen Auftrieb bekam, nachdem der WESER-KURIER berichtet hatte, wie teurer eine Verlegung von der Obernstraße in die Martinistraße wäre und wie lange die Bauarbeiten dauern würden. Die Handelskammer nimmt das zum Anlass, neuerlich eine Variante ins Spiel zu bringen, die eigentlich schon abgeschrieben ist: eine Umfahrung der Innenstadt durch die Westerstraße in der Neustadt.
Bauliche Hemmnisse, die von den Planern angeführt werden, lässt die Kammer nicht gelten: „Der Zustand der Weserbrücken darf kein Verhinderungsgrund und erst recht kein Dauerzustand sein. Die Brücken müssen ohnehin instandgesetzt werden", erklärt Kammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht.
Sollte die Straßenbahn eine große Schleife fahren, würde sie nicht mehr unmittelbar an den Geschäften in der City halten, sie wären schlechter erreichbar. Auch darauf hat Dubbers-Albrecht eine Antwort: "Die Einkaufspassagen können für Menschen mit Gehbehinderungen mittels Pendelverkehren durch Elektrofahrzeuge, die zwischen Brill und Domsheide hin- und herfahren, erreichbar bleiben.“
In einem 62 Seiten starken Papier der Behörden und einer vom Senat beauftragten Verkehrsberatungsgesellschaft aus Dresden werden die Ausgaben einer Verlegung der Straßenbahn in die Martinistraße mit einer Summe von bis zu 140 Millionen Euro angegeben. Für Planung und Bau des Projekts veranschlagen die Experten acht bis 14 Jahre. Unter anderem aus diesen Gründen raten sie in ihrer Schlussempfehlung dazu, von dem seit vielen Jahren diskutierten Vorhaben abzulassen.
Die Ergebnisse der Beratungen werden in eine Machbarkeitsstudie einfließen, die für den Herbst angekündigt ist. Darin soll zusätzlich zu Kosten und Bauzeit eine Aussage enthalten sein, ob die Martinistraße vom Straßenquerschnitt her überhaupt dafür taugt, die Straßenbahn aufzunehmen. Klar ist nach Bekunden des Senats, dass noch in diesem Jahr eine Entscheidung fällt.
Dubbers-Albrecht wirbt dafür, sich nicht vorzeitig davon zu verabschieden, die Straßenbahn aus der Obernstraße zu verbannen, um dort eine echte Flaniermeile entstehen zu lassen: „Es wäre falsch, dieses für die Zukunft der Bremer City so bedeutende Thema auf Grundlage des seit dem Wochenende öffentlichen verwaltungsinternen Arbeitsmaterials ernsthaft zu diskutieren.“ Zumal es bei der Straßenbahnführung nicht nur um die Entscheidung zwischen Obern- und Martinistraße gehe.
Für die Variante Westerstraße würden weder lange Bauzeiten noch enorme Kosten anfallen. Es sei im Übrigen nicht nachvollziehbar, dass für eine kaum 800 Meter lange Straßenbahntrasse in der Martinistraße angeblich bis zu 14 Jahre Planungs- und Bauzeit veranschlagt werden müssen. "In diesem Tempo wird es niemals impulswirksame Stadtumbauprozesse in Bremen geben können“, so der Präses.
Über eines ist Dubbers-Albrecht froh: „Bleibt es bei einer Führung der Straßenbahn durch die Obernstraße, wird auf Basis des neuen Koalitionsvertrags an der Domsheide die geteilte Haltestellenvariante mit Bahnsteigen wie bisher vor dem Postamt und einer neuen Haltestellenanlage in der Balgebrückstraße realisiert." Die Diskussion über eine kompakte Großhaltestelle direkt vor der Glocke sei damit richtigerweise vom Tisch. Vor dem Konzerthaus würden zudem Flüstergleise und Federsysteme zur Lärmreduktion eingesetzt. Nun komme es darauf an, die Domsheide als Platz und Innenstadtfoyer stadtgestalterisch deutlich aufzuwerten.
Eine weitere Stimme im Straßenbahn-Streit ist die Aufbaugemeinschaft Bremen. "Wir setzen uns seit Jahren für die Verlegung aus der Obernstraße in die Martinistraße ein", erklärt Uwe A. Nullmeyer, Vorsitzender der Aufbaugemeinschaft. Die Schätzungen der Experten zu den Kosten und der Bauzeit würden daran nichts ändern. „Das kann nicht ernsthaft gemeint sein. Unter diesen Annahmen wird es zu keiner offenen Diskussion mehr kommen“, so Nullmeyer.
Die Verlegung der Straßenbahn würde erheblich zur Aufwertung der City beitragen. Das betreffe nicht nur den Straßenzug Obernstraße und Hutfilterstraße, sondern auch den Marktplatz. Nullmeyer: "Gerade in diesen Wochen der Urlaubszeit, wenn Tausende Besucher in unsere Stadt kommen und sich an dem Weltkulturerbe Rathaus und Roland, dem Dom, dem Haus der Bürgerschaft und dem Schütting erfreuen, wird deutlich, welches Hindernis die Straßenbahnen darstellen."