Das kleinste Bundesland wird in den nächsten Jahren erhebliche Sparanstrengungen unternehmen müssen, um trotz der finanziellen Nachwirkungen der Corona-Krise verfassungsgemäße Haushalte aufstellen zu können. Der Senat hat in dieser Woche eine Arbeitsgruppe von Staatsräten der einzelnen Ressorts eingesetzt, die entsprechende Vorschläge unterbreiten soll. Unterdessen prüft Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne), ob Bremen möglicherweise bis ins Jahr 2023 eine außergewöhnliche Notsituation geltend machen muss, um vom Verbot neuer Kredite abweichen zu dürfen.
Mit dem Problem coronabedingter Mehrausgaben bei gleichzeitig einbrechenden Steuereinnahmen steht Bremen nicht allein. Auch die anderen Länder und der Bund haben vor dem Hintergrund der Pandemie von einer Ausnahmeregelung Gebrauch machen müssen, die in der seit diesem Jahr geltenden Schuldenbremse verankert ist: Bei außergewöhnlichen Notlagen wie etwa Naturkatastrophen darf vom Prinzip ausgeglichener Haushalte abgewichen werden. Für 2020 hat die Bürgerschaft im Sommer eine solche Notsituation erklärt und mit dem sogenannten Bremen-Fonds einen Kreditrahmen von 1,2 Milliarden Euro gespannt, um daraus Maßnahmen zur Linderung der Pandemie-Folgen zu bezahlen. Auch für 2021 ist die Notlage bereits offiziell erklärt.
Aktuell nun steht die Finanzbehörde vor der Aufgabe, einen tragfähigen Entwurf für den Doppelhaushalt 2022/23 aufzustellen, und die Rahmenbedingungen sind dafür denkbar schlecht. Bereits in der aus dem Jahr 2019 stammenden und bis 2023 reichenden mittelfristigen Finanzplanung waren für die Haushaltsjahre 2022/23 Fehlbeträge erwartet worden – obwohl man damals noch von weiter kräftig sprudelnden Steuerquellen ausging. Die Corona-Krise hat aber bei den Einnahmen zwischenzeitlich zu einem scharfen Knick nach unten geführt.
Auf der Grundlage von Schätzwerten aus dem November geht man in der Finanzbehörde von einem Einnahmeminus in 2022 von 138 Millionen Euro im Land und 165 Millionen Euro in der Stadt aus. Für 2023 lauten die Zahlen -145 Millionen (Land) und -168 Millionen Euro (Stadt). Verschärfend kommt für Bremen hinzu, dass 2020 das Abstottern der Altschulden begonnen hat. Jährlich müssen dafür im Schnitt 80 Millionen Euro aufgewendet werden.
Doppelhaushalt 22/23 verfassungskonform gestalten
Schwer vorstellbar, wie vor diesem Hintergrund 2022/23 wieder ein ausgeglichener Haushalt entstehen soll, zumal die Ausgaben in den großen Blöcken Personal und Soziales weiter steigen und die magere Investitionsquote nicht abfallen soll. Es müssten „sehr zügig Lösungsansätze“ gefunden werden, mahnte das Finanzressort in einer Vorlage für die jüngste Senatssitzung. Der Staatsräte-Arbeitsgruppe wurde ein Zieldatum gesetzt: Bis zum 15. Januar sollen Vorschläge auf den Tisch kommen, wie der Doppelhaushalt 22/23 verfassungskonform gestaltet werden kann und langfristig Etats „auf niedrigerem Niveau“ möglich sind.
Klar scheint bereits jetzt, dass der Senat einen vorhandenen Sparstrumpf in den kommenden Jahren komplett verbrauchen wird. Es handelt sich um die Rücklagen der Anstalt für Versorgungsvorsorge. In diesem Finanztopf hatte der Senat seit 2005 rund 500 Millionen Euro angespart, um damit den Anstieg der Pensionslasten in der Zukunft abzupuffern. Diese Ausgaben stellen nämlich einen erheblichen Posten in den Etats von Stadt und Land Bremen dar. So kosten die gut 12.000 Beamten im Ruhestand in diesem Jahr 527 Millionen Euro, was ziemlich genau einem Drittel der gesamten Personalausgaben entspricht. Sinn der Anstalt war es, aus den Zinserträgen ihres Kapitals für Entlastung zu sorgen.
Bereits für die Haushalte 2020/21 hatte die rot-grün-rote Regierungskoalition entschieden, jeweils 35 Millionen Euro aus dem Anstaltskapital zu entnehmen, um damit Haushaltslöcher zu stopfen. Nun hat man sich offenbar entschlossen, die Anstaltskasse in den kommenden Jahren Zug um Zug zu liquidieren. Die dort gebunkerte halbe Milliarde soll „mittelfristig zur Unterstützung der bremischen Haushalte beitragen“, heißt es in dem Papier der Finanzbehörde, das am Dienstag vom Senat abgesegnet wurde.
Auch dieser Schritt wird allerdings womöglich nicht reichen, um 2022/23 zu ausgeglichenen Etats zu kommen. Es deute sich an, so heißt es in der Vorlage, dass auch in diesen Jahren „die Folgen der Pandemie noch nicht vollständig behoben sein werden“. Man prüfe deshalb, ob auch für die genannten Jahre die „Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Notsituation beziehungsweise einer Naturkatastrophe“ vorliegen könnten.
Würde Bremen auch für 2023 mit neuen Krediten planen, hieße das allerdings, dass die Ausnahme von der Schuldenbremse allmählich zum Normalfall würde. Zudem müsste Bremen einen solchen Schritt gegenüber dem Bund begründen, mit dem eine Vereinbarung über jährliche Sanierungshilfen bis 2035 besteht.
Der Bremer Haushalt
Im laufenden Jahr gibt das Land Bremen 5,6 Milliarden Euro aus, die Stadtgemeinde 3,4 Milliarden Euro. Teil des Haushaltes ist der sogenannte Bremen-Fonds. Dieser kreditfinanzierte Sondertopf (900 Millionen Euro für das Land, 300 Millionen für die Stadt) steht für Maßnahmen zur Verfügung, mit denen die Folgen der Corona-Krise gelindert werden sollen. Unter anderem fängt die Finanzbehörde damit das in die Höhe geschnellte Defizit einiger städtischer Unternehmen auf, etwa des Verkehrsbetriebs BSAG.