Der Kiosk ist eine Bude, ein windschiefer Holzbau. Er steht da wie geduckt, unter einer mächtigen Eiche. Die Außenwände sind gelb gestrichen, eine Farbe, der Freude zugeschrieben wird, Fröhlichkeit und Optimismus. Reine Symbolik, vielleicht übertrieben, wahr ist aber sicher, dass der Kiosk ins Auge sticht, obwohl er so klein ist. 13 Quadratmeter, mehr nicht. Eine Bude eben. Sie dürfte gut 70 Jahre auf den Buckel haben, wenn der Besitzer das richtig weiß. Draußen hängen die Ständer mit den Presseprodukten. In der Fensterfront ist die Luke eingelassen, aus der die Ware verkauft wird. Das sind Süßigkeiten, eine ganze Batterie davon. Das ist der Kaffee, frisch aufgebrüht und meistens Melitta, die Kunden lieben Melitta. Auch Zigaretten und allerlei Kaltgetränke. Noch etwas? Eigentlich nicht. Ein überschaubares Sortiment und gerade richtig, wenn jemand Neues dazu kommt, um im Kiosk zu bedienen.
Denn das ist die Idee: An diesem Montag kehre ich in meinen alten Job zurück. Ich habe früher als Schüler während der Sommerferien in den Kiosken an der Küste ausgeholfen und das nicht nur für eine Saison. Ein Verkäufertyp, hatten die Chefs über mich gesagt. Mal sehen, ob’s immer noch stimmt.
Einerseits werde ich also Verkäufer sein, der außer an den Wochenenden jeden Tag seine Schicht durchzieht, mal vormittags, mal nachmittags. Andererseits bin ich weiterhin Reporter, denn aus dem Kiosk heraus sollen Geschichten entstehen. Jeder Mensch hat welche auf Lager, er muss sie nur erzählen wollen. Spannende Episoden, traurige, witzige oder solche, die einfach nur den Alltag abbilden.
Das ist die These, oft erprobt, meistens bestätigt, und nun für ein Projekt benutzt, das einen Titel trägt: die Kiosk-Kolumne. Die Rubrik wird der Sammelort für alles das sein, was ich im Kiosk oder davor erfahre und erlebe. Sie erscheint jeden Werktag in diesem November, vier Wochen lang. Zu lesen in der Zeitung und auf der Homepage des WESER-KURIER. Natürlich gibt es auch jede Menge Fotos und Videos.
Der Kiosk steht am Ende der Scharnhorststraße, dort, wo sie auf die Schwachhauser Heerstraße trifft. Eine Gegend, die Frequenz verspricht: Viel Wohnbebauung, das Focke-Museum in unmittelbarer Nähe, die Stiftungsresidenz Landhaus Horn. Da geht was, könnte durchaus sein: Was Süßes für die Kinder, eine Tüte Lakritz oder Weingummi, gerne auch gemischt. Das Bier zum Feierabend, wenn Handwerker vorbeikommen oder Angestellte des Museums. Zeitungen und Zeitschriften für die älteren Herrschaften aus der Seniorenwohnanlage. Oder Schokoküsse, ein Renner, die mögen alle.
Der Chef im Kiosk ist Robert Volk, 57 Jahre alt und ein Verkäufer durch und durch. Die Seele des Betriebs, keine Frage. Schon, weil er die allermeiste Zeit in der Bude steht, die Kunden gut kennt und für viele ein verlässlicher und vergnüglicher Gesprächspartner ist. Seit 18 Jahren nun schon, von sieben bis sieben, und nur ganz selten, dass Volk nicht da ist. Er hat zwei Aushilfen für jeweils ein paar Stunden, mehr Freizeit gönnt sich der Mann nicht.
Jetzt kommt für den Verkauf eine dritte Kraft hinzu. In der ersten Novemberwoche an jedem Werktag von Mittag bis Abend, später auch mal in der Zeit von frühmorgens an. Ein Reporter als Verkäufer, der die Kunden bedient und bei ihnen Geschichten einsammelt. An diesem Montag geht’s los.