Die Bremer Krankenhausgesellschaft sieht Insolvenzgefahr für die örtlichen Kliniken, wenn die Politik nicht rasch und energisch gegensteuert. In einem Brandbrief an Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) macht der Geschäftsführer des Verbandes, der sowohl die städtischen Geno-Häuser als auch die freien Kliniken vertritt, auf massive finanzielle Probleme durch die Inflation aufmerksam. Es seien "dramatische Konsequenzen zu befürchten, sehr wahrscheinlich schon mitten in der Pandemie und mitten im Winter", warnt Uwe Zimmer.
Hintergrund des Hilferufs sind die stark gestiegenen Kosten, mit denen die Kliniken aktuell konfrontiert sind. Der WESER-KURIER hatte Anfang des Monats berichtet. "Die Sachkosten explodieren zurzeit", heißt es in dem Schreiben der Krankenhausgesellschaft. Das betreffe nicht nur das Stichwort Energie, sondern auch den medizinischen Warenbedarf, also etwa Arzneimittel und OP-Bedarf, der für etwa die Hälfte der Sachkosten steht. Lebensmittel und IT-Dienstleistungen seien weitere Kostentreiber. Die Aufwendungen für Strom und Gas "steigen ebenfalls ungebremst", vervollständigt Verbandsgeschäftsführer Zimmer das Bild. Zu Beginn des kommenden Jahres kämen auf einige Häuser Preissprünge von 300 bis 500 Prozent zu.
Bezogen auf die Gesamtheit der Bremer Kliniken erwartet Zimmer bereits für das laufende Jahr ein Defizit von rund 50 Millionen Euro, für 2023 dann eine zusätzliche Unterdeckung von 70 Millionen Euro. Gegensteuern könnten die Kliniken kaum. Denn anders als private Unternehmen, die für ihre Produkte oder Dienstleistungen höhere Preise verlangen können, ist den Krankenhäusern bei der Weitergabe von Kosten ein sehr enger Rahmen gezogen. Von den Kostenträgern des Gesundheitswesens können sie im laufenden Jahr nur rund 2,3 Prozent mehr bekommen. Obendrein erwartet die Bremer Krankenhausgesellschaft für ihre angeschlossenen Häuser 2022 und 2023 auch fallende Erlöse aus Behandlungen. Als Grund werden hier Personalausfälle durch Corona-Infektionen genannt. Deshalb würden weniger medizinische Leistungen erbracht. In diesem und im nächsten Jahr sei mit einem Rückgang um mindestens 1,5 Prozent zu rechnen.
Insgesamt geht man bei der Krankenhausgesellschaft bis Ende 2023 von einer Unterdeckung von 143 Millionen Euro aus. Dann werde es für einige Bremer Krankenhäuser "unmöglich, die Gehälter zu bezahlen oder die Rechnungen auszugleichen", prophezeit Uwe Zimmer. In diesem Fall müssten radikal Stellen abgebaut werden. Doch bei einzelnen Standorten "würde selbst das dann nicht mehr ausreichen". Es drohe eine Insolvenzwelle.
Das Land Bremen kann aus Sicht des Verbandsgeschäftsführers einem solchen Szenario schon deshalb nicht tatenlos zusehen, weil es gesetzlich verpflichtet ist, die stationäre Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Er appelliert an den Bürgermeister, im Bundesrat aktiv zu werden. Es brauche eine Gesetzesinitiative der Länderkammer, um den Kliniksektor finanziell zu stabilisieren. Zimmer: "Noch ist Zeit zum Handeln, aber nicht mehr lange."
Der Brief der Krankenhausgesellschaft an den Bürgermeister hat sich in der vergangenen Woche zeitlich mit einer Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach überschnitten. In der Haushaltsdebatte des Bundestages kündigte der SPD-Politiker ein Hilfspaket für den Kliniksektor an. Konkret wurde Lauterbach dabei noch nicht. Sein Ministerium werde "in den nächsten Wochen" Vorschläge zur Liquiditätssicherung der Kliniken erarbeiten und mit den Bundesländern abstimmen, sagte er.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Rainer Bensch, hatte kürzlich bereits eine Landesbürgschaft für die Kliniken ins Gespräch gebracht, um eine mögliche Zahlungsunfähigkeit einzelner Häuser abzuwenden. Ein solches Szenario sei real. Allerdings sieht auch Bensch in erster Linie den Bund in der Pflicht, die Krankenhäuser vor den Folgen der massiven Kostensteigerungen zu schützen. Eine Landesbürgschaft würde den Bremer Kliniken nicht wirklich helfen, meint der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Lukas Fuhrmann. Eine unmittelbare Zahlungsunfähigkeit würde zwar abgewendet, am enormen Kostendruck würde sich aber nichts ändern. Handlungsbedarf bestehe deshalb auf Bundesebene, so Fuhrmann. Gleichwohl begrüße die Behörde die aktuelle Forderung der Bremer Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und Linke, öffentlichen Unternehmen aus Landesmitteln Kompensationen für erhöhte Betriebskosten zu zahlen. Das würde zumindest den Kliniken des städtischen Geno-Verbundes helfen – allerdings nicht den freigemeinnützigen Häusern Diako, St.-Joseph-Stift, Rotes-Kreuz-Krankenhaus und Roland-Klinik.
Bürgermeister Bovenschulte, der Adressat des Hilferufs der Krankenhausgesellschaft ist, hat nach eigenen Worten "großes Verständnis für die Initiative". Die prekäre Lage der Kliniken werde die nächste Gesundheitsministerkonferenz beschäftigen. "Unabhängig davon werden wir prüfen, ob eine Bundesratsinitiative sinnvoll und erfolgversprechend ist", sagte Bovenschulte dem WESER-KURIER.