Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Energiekrise Inflation droht, Kliniken zu überrollen

Für die Krankenhäuser in Bremen könnten die Kosten im kommenden Jahr um über 100 Millionen Euro steigen. Die Preise für Behandlungen dürfen sie aber nicht im gleichen Maße erhöhen. Drohen deshalb Insolvenzen?
06.09.2022, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Inflation droht, Kliniken zu überrollen
Von Björn Struß
Inhaltsverzeichnis

Steigende Kosten entwickeln sich für immer mehr Unternehmen zu einem großen Problem. Um zahlungsfähig zu bleiben, können die Allermeisten ihre Preise erhöhen. Krankenhäuser haben diese Möglichkeit allerdings nicht, weshalb sie nun Alarm schlagen. Die Kliniken im Land Bremen müssen in diesem Jahr nach Angaben der Bremer Krankenhausgesellschaft allein für Lebensmittel und den medizinischen Sachbedarf rund 40 Millionen Euro mehr ausgeben. Für das kommende Jahr, wenn vielfach neue Gas- und Stromverträge gelten, rechnet die Gesellschaft im Vergleich zu 2022 mit Mehrkosten von 100 bis 130 Millionen Euro. Einige Krankenhäuser seien deshalb von der Insolvenz bedroht.

Lesen Sie auch

Wo liegt das Problem?

"Die höheren Kosten können wir nicht – wie die Privatwirtschaft – in höhere Preise umwälzen", erklärt Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft. Die Kliniken handelten jährlich mit den Krankenkassen aus, wie viel die unterschiedlichen Behandlungen kosten dürfen. "Dafür gibt es einen gesetzlichen Rahmen, für 2022 waren es durchschnittlich 2,3 Prozent mehr", sagt Zimmer. Bei Lebensmitteln und medizinischen Produkten gebe es inzwischen aber Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich. "Im Energiebereich könnte es zum Jahresanfang zu Preissteigerungen von 300 bis 500 Prozent kommen", warnt der Volkswirt. Nach derzeitiger Gesetzeslage ließe sich mit den Krankenkassen für 2023 aber lediglich ein Preisanstieg von drei bis 3,5 Prozent vereinbaren.

Wie geht es den Bremer Kliniken?

Im St.-Joseph-Stift sind in diesem Jahr allein die Kosten für Lebensmittel um 300.000 Euro gestiegen, sie liegen nun bei voraussichtlich 2,8 Millionen Euro. "Für die Gasversorgung geben wir aktuell etwa 700.000 Euro pro Jahr aus, der Vertrag läuft aber zum 1. Januar aus", erklärt Geschäftsführer Torsten Jarchow. Für das kommende Jahr rechnet er mit 2,1 Millionen Euro, was einer Verdreifachung des Gaspreises entsprechen würde. Laut Jarchow konnte das St.-Joseph-Stift bisher immer solide wirtschaften. Der Blick auf das kommende Jahr bereitet ihm aber erhebliche Sorgen.

Lesen Sie auch

Der stadteigene Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) befand sich hingegen schon vor Corona in finanzieller Schieflage. Das vergangene Geschäftsjahr beendete die Geno mit einem Defizit von etwa 45 Millionen Euro, Gelder aus dem Bremen-Fonds sicherten die Liquidität. Die Inflation sorgt nun für neue Probleme. Trotzdem sagt Geno-Sprecherin Karen Matiszick: "Wir gehen aktuell davon aus, dass wir den Wirtschaftsplan für dieses Jahr einhalten können."

Hintergrund ist, dass die Geno die explodierenden Energiepreise erst spät spüren wird. "Der Vertrag mit unserem Stromlieferanten läuft bis Ende 2023, der Gasvertrag läuft bis Mitte 2023", erläutert Matiszick. Spätestens dann rechne das Unternehmen mit massiven Kostensteigerungen, das Gas sei aber schon jetzt durch die Gasumlage deutlich teurer. "Da die beiden großen Standorte Klinikum Bremen-Mitte und Klinikum Bremen-Ost mit Fernwärme geheizt werden, macht Gas nur rund ein Viertel unseres Energieverbrauches aus", betont die Geno-Sprecherin.

Wie bewertet Senatorin Bernhard die Lage?

Für Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) ist das Ausmaß der zusätzlichen finanziellen Belastungen durch die Schwankungen auf dem Energiemarkt derzeit überhaupt nicht absehbar. "Auf Bundesebene brauchen wir hier Lösungen, wie die Kliniken entlastet werden, da sie zur kritischen Infrastruktur gehören. Die steigenden Preise dürfen keine Auswirkungen auf die gesundheitliche Versorgung der Bremerinnen und Bremer haben", argumentiert die Politikerin. Laut Bernhard haben sich die Gesundheitsminister der Länder bereits Ende Juni für einen Inflationsausgleich ausgesprochen, um die Liquidität der Krankenhäuser rasch zu sichern.

Was könnte die Bundespolitik jetzt tun?

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin die Bundespolitik zum Handeln aufgefordert. "Ohne einen Inflationsausgleich zur Stabilisierung der Krankenhäuser droht ein massiver Personalabbau mit negativen Folgen für die Patientenversorgung", warnt die DKG in einer Erklärung. Eine aktuelle Blitzumfrage habe ergeben, dass sich in Deutschland knapp 40 Prozent der Kliniken von einer Insolvenz bedroht sehen. Der Vorschlag der DKG: Ein Aufschlag für die Krankenhausrechnungen, den zunächst die Krankenkassen bezahlen. Der Bund müsse diese Kosten tragen, indem er die Krankenkassen höher bezuschusst.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)