Rassismus-Kritik an Brebau Bürgermeister nennt Vorwürfe "beschämend"

Die Wohnungsbaugesellschaft Brebau soll Menschen mit ausländischen Wurzeln gezielt bei der Wohnungsvergabe ausgeschlossen haben. Fraktionen üben Kritik, die Brebau kündigt ein Sofortprogramm an.
20.05.2021, 18:57 Uhr
Lesedauer: 7 Min
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Von Sara Sundermann

Zu den Rassismus-Vorwürfen gegenüber der Brebau hat sich auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) geäußert: „Rassistische und andere Formen der Diskriminierung bei der Wohnungssuche sind inakzeptabel", so Bovenschulte. "Das Ausmaß der im Raum stehenden Vorwürfe ist erschütternd und beschämend." Die Vorwürfe müssten "schnellstmöglich und umfassend aufgeklärt" und auf dieser Grundlage "die notwendigen Konsequenzen gezogen werden".

Der Brebau wird vorgeworfen, dass Wohnungen systematisch nicht an Menschen mit ausländischen Wurzeln vergeben werden sollen. Radio Bremen hatte zuerst darüber berichtet. Die Brebau ist zu 100 Prozent in städtischem Besitz. Eine Bremer Beratungsstelle übt ähnliche Kritik an der Wohnungsbaugesellschaft: „Durch unsere Erfahrung in der Beratung können wir die Recherche von bestätigen", sagt Tobias Helfst, Sozialberater beim Bremer Erwerbslosenverband (BEV). "Seit vielen Jahren berichten uns Menschen von solchen und ähnlichen Erfahrungen mit der Brebau. Immer wenn sie scheinbar nicht-deutsch erschienen, wurde entweder ihr Wohnungsgesuch gleich abgelehnt oder sie wurden auf die immer gleichen Straßenzüge rund um die Grohner Düne verwiesen", so Helfst.

Der BEV berät nach eigenen Angaben jedes Jahr mehrere Tausend Menschen – nicht nur Erwerbslose – in Bremen-Vegesack zu Problemen rund um Transferleistungen, Wohnen und Arbeit. Helfst zufolge wurde vor der Pandemie mehr als zehn Mal pro Woche von Ratsuchenden beim BEV thematisiert, wie schwer es sei, eine Wohnung zu finden. Dies werde aber nicht nur über die Brebau berichtet, sondern auch regelmäßig und häufig über andere Wohnungsanbieter wie die Gewosie und die Gewoba.

BEV-Mitarbeiter versuchten nach eigenen Angaben mehrfach, die rassistische Diskriminierung nachzuweisen, auch bei der Brebau: "Das war oft der Klassiker: Man sieht, da steht eine Wohnung leer, dann ruft jemand mit ausländischem Namen an und hört, die Wohnung sei leider schon vergeben", so schildert Helfst, was er in der Beratung hörte. "Und dann habe ich als Berater dort nochmal angerufen und mich als Herr Meyer nach derselben Wohnung erkundigt und hörte dann: Ach, das ist ja schön, dass Sie anrufen, die Wohnung ist noch frei." Wenn er Mitarbeiter dann auf die Diskriminierung angesprochen habe, "hieß es immer, das war wohl ein Missverständnis", so Helfst. "Beweisen ließ sich das nie."

Brebau kündigt Sofortprogramm an

Die Brebau kündigt als Reaktion auf die Vorwürfe in einer Pressemitteilung an, ein Sofortprogramm zum Wohnungsvergabeverfahren zu starten. Ziel des Programms sei, "den Sachverhalt einerseits vollständig aufzuklären und andererseits sicherzustellen, dass, sollten sich die Vorwürfe erhärten, ein solches Verhalten für die Zukunft abgestellt wird", sagt Geschäftsführer Bernd Botzenhardt. Im Rahmen erster Aufklärungsschritte sei festgestellt worden, dass es bei der Registrierung von Wohnungsinteressenten zu nicht von der Geschäftsführung autorisierten Prozessen gekommen sei. Dies habe man "unmittelbar gestoppt“, so Botzenhardt. Man werde zudem alle notwendigen arbeitsrechtlichen Schritte prüfen und das Vergabesystem "vollständig durchleuchten". Die Brebau nehme den Sachverhalt "sehr ernst", betont der Geschäftsführer: "Die Vorwürfe machen uns sehr betroffen, insbesondere da sie im Gegensatz zu unserer unternehmerischen Haltung und unserem seit jeher geltenden Bestreben stehen, Menschen unterschiedlicher Herkunft ein Zuhause zu geben.“ 

Externer Supervisor soll eingesetzt werden

Der Aufsichtsrat der Brebau soll an diesem Freitag zusammenkommen. Darin sitzen Bürgermeister Andreas Bovenschulte, Finanzsenator Dietmar Strehl, Bausenatorin Maike Schaefer, Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt sowie Privatier Guido Brune und Jürgen Lüthge (Ex-Geschäftsführer der Brebau). Angedacht ist, einen externen Supervisor einzusetzen, der die offenbar systematische Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe untersuchen soll. Dieser soll laut Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) nicht aus einem der Ressorts kommen und unabhängig sein. Das sagte sie in der Sitzung der Baudeputation am Donnerstagnachmittag, in der die Deputierten eine Stunde über die Vorwürfe diskutierten. Einen Namen nannte Schaefer nicht. Nach Informationen des WESER-KURIER soll Matthias Stauch, ehemaliger Staatsrat im Justizressort, die Funktion des externen Supervisors übernehmen. Er soll dem Aufsichtsrat am Freitag vorgeschlagen werden. Stauch war 1999 Präsident des Verwaltungsgerichts, 2002 Präsident des Oberverwaltungsgerichts. Ab Juli 2011 war Stauch Staatsrat beim Senator für Justiz und Verfassung sowie beim Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. 2017 ging er in den Ruhestand.

Zu Wort meldet sich auch der Bremer Flüchtlingsrat und fordert Entschädigungen der Brebau für Betroffene. Aus dem Verbot von Benachteiligung im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz folge, dass die von der Diskriminierung betroffenen Wohnungssuchenden ein Angebot oder eine Entschädigung von der Brebau erhalten müssen, fordert Gundula Oerter vom Flüchtlingsrat: „Es reicht nicht aus, Verbesserungen für die Zukunft zu versprechen – vielmehr ist der bereits durch die Diskriminierung entstandene Schaden nicht hinzunehmen."

Grüne fordern externen Ermittler

Die Grünen-Fraktion fordert umgehend eine externe Untersuchung für eine "schonungslose Aufklärung" der Vorwürfe. Ein externer Ermittler müsse sich damit befassen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, so die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Sahhanim Görgü-Philipp, müssten auch personelle Konsequenzen gezogen werden: „Dass ausgerechnet eine städtische Wohnungsbaugesellschaft offenbar Menschen aufgrund der Hautfarbe, der Herkunft und der religiösen oder sexuellen Orientierung systematisch bei der Wohnungsvergabe ausschließt, ist ein Skandal und völlig inakzeptabel." Das Controlling der Brebau habe "offenkundig versagt", so Görgü-Philipp.

Zum Thema Brebau soll zudem auf Antrag der Grünen der Controlling-Ausschuss für alle städtischen Beteiligungen in der kommenden Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Das kündigt der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Ralph Saxe an. Die Vorwürfe gegen die Brebau seien "sehr heftig", so Saxe. "Natürlich hat die Geschäftsführung der Brebau eine Verantwortung für alles, was dort passiert ist, egal ob sie davon gewusst hat oder nicht." Saxe selbst sagt: "Ich schäme mich dafür, was dort passiert ist. Wir sitzen da selber mit drin und haben gefeiert, dass wir die Brebau haben."

Die FDP-Fraktion übt deutliche Kritik am Aufsichtsrat der Wohnungsbaugesellschaft. "Die Vorwürfe gegen die Brebau müssen geprüft und vorbehaltlos aufgeklärt werden", sagt Baupolitiker Thore Schäck. "Wenn sie sich bewahrheiten, wäre das ungeheuerlich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Brebau in städtischer Hand ist und der halbe Senat im Aufsichtsrat der Brebau sitzt." Ein städtisches Unternehmen habe eine Vorbildfunktion, so Schäck.

Schäck betont: "Entweder wusste der Aufsichtsrat von diesem Vorgehen und hat es geduldet, oder er ist hier seiner Funktion der Aufsicht und Kontrolle nicht richtig nachgekommen." Wenn sich die Vorwürfe erhärten sollten, müsse es "zwangsläufig personelle Konsequenzen geben", für die Geschäftsführung der Brebau, möglicherweise aber auch im Aufsichtsrat, so Schäck.

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Die CDU-Fraktion fordert Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) auf, in der Sitzung der Baudeputation an diesem Mittwoch zu den Rassismus-Vorwürfen gegen die Brebau Stellung zu nehmen. CDU-Baupolitikerin Silvia Neumeyer hat sich in einem Brief an Schaefer gewandt. „Die Vorwürfe machen sprachlos und unglaublich wütend“, so Neumeyer. „Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft ist vor 80 Jahren gegründet worden, damit jede und jeder bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum bekommen kann und das vorurteilsfrei.“ Der Senat als alleiniger Eigentümer der Brebau sei in der Pflicht, „diese Vorwürfe rückhaltlos aufzuklären, die diskriminierende Praktik sofort abzustellen und sich bei den Betroffenen zu entschuldigen“, so Neumeyer. Die „systematische Ausgrenzung von Bewerberinnen und Bewerbern mit scheinbarem oder tatsächlichem Migrationshintergrund ist rassistisch, unerträglich und passt nicht zu einer weltoffenen Stadt.“

SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör fordert die sofortige Freistellung der Geschäftsführung der Brebau. Dies habe der geschäftsführende SPD-Vorstand am Donnerstagmorgen beschlossen, so Güngör. Außerdem müsse eine externe Untersuchung eingeleitet werden, die die Vorwürfe rassistischer Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe „umgehend und schonungslos“ aufklären müsse. Dazu solle der Aufsichtsrat in Kürze zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

"Systematische Diskriminierung"

"Was hier im Raum steht, hat mit dem üblichen Belegungsmanagement einer Wohnungsbaugesellschaft nichts zu tun", betont Güngör. Es handele sich um "systematische Diskriminierung in einem höchst erschreckenden, ja unglaublichen Ausmaß". Dies sei "unerträglich und unakzeptabel" und muss klare Konsequenzen haben." Die Linksfraktion in der Bürgerschaft will sich für schnelle Aufklärung einsetzen. "Wir werden das auf jeden Fall verfolgen und dafür sorgen, dass das aufgeklärt wird", sagt Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende der Linken.

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"Das darf niemals passieren, da wird Macht ausgeübt und über Wohnraum entschieden, das ist etwas Existenzielles", sagt Leonidakis. Dies sei rechtswidrig und eine klare Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots. Dadurch dass die Brebau zu 100 Prozent städtisch ist, "stehen wir noch mehr in der Verantwortung, das aufzuklären." Offenbar habe man sich bei der Brebau sicher gefühlt, da man gezielte Anweisungen zur Auswahl von Bewerbern gegeben habe.

Der Linken-Abgeordnete Cindi Tuncel spricht von einem „Skandal“, der „selbst die schlimmsten Befürchtungen“ übertreffe: „Ausgerechnet eine städtische Wohnungsbaugesellschaft hat offenbar Bremern und Bremerinnen den Zugang zu Wohnungen verwehrt, weil sie Schwarz oder homosexuell sind, ein Kopftuch tragen, eine Suchtgeschichte haben oder in einer benachteiligten Gegend wohnen.“

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