Über Jahre unvermindert anhaltende Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern sind kein bremisches Phänomen. Peter Kiegeland ist Vorsitzender der Sektion Verkehrspsychologie des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen und hat sich vielfach mit Spannungen zwischen Rad-, Autofahrern und Fußgängern befasst. „Der Radverkehr in den Städten hat zugenommen, aber der Verkehrsraum ist begrenzt“, sagt der Berliner Verkehrspsychologe. Wenn sich mehr Verkehrsteilnehmer denselben Raum teilen müssten, seien Konflikte schier unausweichlich.
Früher hätten sich Lkw- und Autofahrer unversöhnlich gegenüber gestanden, heute seien auch Radfahrer beteiligt. Kraftfahrer seien „über Jahrzehnte und letztlich mit Erfolg“ dazu erzogen worden, einen defensiven Fahrstil zu entwickeln, ob durch Tempo-30-Zonen, Radarfallen, Geschwindigkeitshemmer oder Appelle auf enormen Plakatwänden. Womöglich sei es an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie man auch Radfahrer dazu animieren könne. „Radfahrer müssen dazu gebracht werden, vorausschauend zu agieren und auf Schwächere Rücksicht zu nehmen. Das sind im städtischen Raum die Fußgänger.“
Tempo-10-Zonen für Radler? Ähnliche Gedanken beschäftigen, wie berichtet, den Bürgerparkverein. An heiklen Punkten wie dem Tiergehege soll das Radfahrverbot durchgesetzt werden, wenn nötig, mit Barrieren. Der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) ist laut Sprecherin Kristin Klimbert nicht glücklich über die Debatte. Es sei außerordentlich schade, dass es in einem Grünzug, den sich nur Fußgänger und Radler teilen müssten, zu Klagen über rüpelhaftes Verhalten komme.
Regelkonformes Verhalten
Dem ADFC sei daran gelegen, dass sich Bremens Radfahrer regelkonform verhalten. „Eine Verkehrsplanung kann nur vernünftig ausfallen, wenn man von Konformität ausgehen kann.“ Notwendig dafür sei, dass auf Radwegen das subjektive Sicherheitsempfinden, die objektiv sichere Gestaltung und der Komfort übereinstimmten. Ansonsten sei die Gefahr groß, dass sich Radfahrer eigene, auch verbotene Wege suchten.
Angelika Schlansky hat durchaus den Eindruck, dass Radfahrer in Bremen „erheblich zum Unwohlsein von Fußgängern beitragen“. Flächen, die zweifellos Fußgängern vorbehalten seien, würden nicht als solche respektiert, sagt die Sprecherin des Fachverbands Fußverkehr (Fuss) für Bremen und Niedersachsen. Ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung zulasten von Passanten werde oft als eine Art Kavaliersdelikt angesehen.
Im Gegensatz zum Rad- spiele der Fußverkehr auch in der bremischen Verkehrspolitik noch nicht die Rolle, die ihm zustehe. Radfahrer hätten in Bremen eine starke Lobby, nicht nur in Form des ADFC, zudem habe die Stadt Bremen einen Fahrradbeauftragten. Eine ähnliche Funktion für Fußgänger suche man bislang vergebens, so Angelika Schlansky.
Voraussetzungen für ein harmonisches Miteinander
Der Interessenvertretung der Autofahrer, dem ADAC Weser-Ems, ist laut Stefan Kaemena wichtig, dass stadtplanerisch die Voraussetzungen geschaffen werden, um ein harmonisches Miteinander auf Bremens Straßen zu gewährleisten. Die Verkehrsplanung müsse sich nicht nur auf mehr, sondern auch auf schnellere Radfahrer einstellen. Das sei in Bremen nicht durchgängig der Fall. Auch das bestehende Wegenetz sei nicht überall in idealem Zustand. „Schlechte Radwege zwingen Radfahrer auf die Straße oder den Bürgersteig, das führt zu Konflikten.“
Es gäbe bislang keine belastbaren Zahlen, die belegen, dass die Umgangsformen im Straßenverkehr rauer geworden sind, sagt der Bremer Verkehrspsychologe Thomas Pirke. In der Arbeit mit seinen Klienten erlebe er, dass eine empfundene Überregulierung mit Ge- und Verboten bei einigen Verkehrsteilnehmern auf Uneinsichtigkeit stieße und damit Regelverstöße provozierte. Aggressives Verhalten, ob auf dem Rad oder im Auto, lasse sich in der Regel nur ablegen, wenn es die Bereitschaft gebe, grundlegend über das eigene Verhalten nachzudenken und sich klar zu machen, was der eigentliche Auslöser sei.
Um wenig einsichtige Rowdys zur Verantwortung ziehen zu können, wird auch eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder diskutiert. Der Leiter der Verkehrsdirektion der Bremer Polizei, Jens Rezewski, äußert sich gegenüber dieser Zeitung dazu skeptisch. Womöglich entwickelten manche Radler dadurch Hemmungen, sich über Verkehrsregeln hinwegzusetzen, aber der Verwaltungs- und Ermittlungsaufwand sei unverhältnismäßig hoch.