Die Junge Alternative (JA), Jugendorganisation der AfD, steht unter Beobachtung des Bremer Verfassungsschutzes. „Die Botschaften dieser Gruppe sind Rassismus pur“, begründete Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Montag dieses Entscheidung, die bereits seit einer Woche umgesetzt wird. In den Fokus der Verfassungsschützer rückt damit auch die AfD selbst. Wegen personellen Überschneidungen innerhalb dieser beiden Organisationen werde jetzt auch geprüft, ob die AfD ebenfalls unter Beobachtung zu stellen ist, kündigte Mäurer an.
Bremens AfD-Chef und Bundestagsabgeordneter Frank Magnitz bezeichnet die Beobachtung der JA als „Ungeheuerlichkeit“, für die es keinen Anlass gebe. Er habe aber mit einer solchen Aktion gerechnet. „Die Junge Alternative ist der Vorposten, der eliminiert werden soll, um das Schussfeld frei zu machen für den Sturm auf die AfD.“
Bereits seit einem Jahr wurde der im Oktober 2016 gegründete Bremer Landesverband der JA vom Verfassungsschutz geprüft. Anlass dafür war insbesondere die Nähe der Jugendorganisation zur als rechtsextremistisch eingestuften Identitären Bewegung. Dieser Verdacht habe sich durch die Überprüfung bestätigt und verfestigt, erklärte Innensenator Mäurer. Die JA habe Kampagnen der Identitären Bewegung übernommen und selbst mehrfach fremdenfeindliche und rassistische Inhalte über die sozialen Medien veröffentlicht. „Unsere Bewertung ist eindeutig, die JA gehört zur rechtsextremen Szene. Deshalb wird sie jetzt beobachtet.“
Auch Niedersachsen lässt die JA vom Verfassungsschutz beobachten. „Die Junge Alternative vertritt ein Weltbild, in der Minderheiten wie Einwanderer, Flüchtlinge, Muslime, politische Gegner oder Homosexuelle systematisch abgewertet und diffamiert werden“, sagte Innenminister Boris Pistorius am Montag in Hannover. „Es gibt ideologische und personelle Überschneidungen nicht unerheblicher Art mit der Identitären Bewegung Niedersachsens.“ Eine strukturelle Nähe zum organisierten Rechtsextremismus sei unverkennbar.
Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes zu stehen, bedeutet, dass die Junge Alternativen mit nachrichtendienstlichen Methoden beobachtet werden darf. Möglich wird dadurch zum Beispiel das Abhören von Telefonen oder das Einschleusen von V-Leuten in die Organisation. Auch strafrechtliche Ermittlungen gibt es bereits: Am Montagvormittag wurde die Wohnung des stellvertretenden Landesvorsitzenden der JA-Bremen, Marvin Mergard, wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung durchsucht.
Die Junge Alternative will allerdings einer Observierung zuvorkommen und ihre beiden Landesverbände Niedersachsen und Bremen auflösen. Dies solle „zum Schutz der Gesamtorganisation“ auf einem kurzfristig einzuberufenden außerordentlichen Bundeskongress beschlossen werden, kündigte JA-Bundeschef Damian Lohr an. Gleichzeitig nannte Lohr die Entscheidungen der beiden Bundesländer „nicht nachvollziehbar“. Man sei nicht verfassungsfeindlich. „Die Beobachtung ist daher rechtswidrig, sie ist unbegründet und sie wird von uns mit allen rechtsstaatlichen Mitteln angefochten werden.“
In Bremen führt die Beobachtung der Jungen Alternative den Verfassungsschutz auf direktem Wege zur AfD. Denn nicht nur zwischen JA und Identitärer Bewegung gebe es große personelle Überschneidungen, sondern auch zwischen Junge Alternative und AfD, argumentierte Mäurer. Der Vorsitzende der JA, Robert Teske, sei stellvertretender Landesvorsitzender der AFD und der stellvertretende Landesvorsitzende der JA, Marvin Mergard, Schriftführer der AfD. Deshalb habe er den Verfassungsschutz damit beauftragt, zu prüfen, ob auch die AfD in Bremen künftig als Beobachtungsobjekt einzustufen sei. Soll heißen, dass der Verfassungsschutz wie zuvor zur Jungen Alternative nun alle über öffentliche Quellen zugängliche Informationen zur AfD sammelt. „Dieses Material werden wir dann anschließend rechtlich bewerten.“
„Ein Akt reiner politischer Willkür“, urteilt hierzu der AfD-Landesvorsitzende Frank Magnitz. An den Vorwürfen gegen die JA sei nichts dran, Robert Teske im übrigen anders als behauptet schon seit Juni nicht mehr Vorstandsmitglied der Bremer AfD.
SPD-Fraktion Bremen begrüßt Entscheidung
Der Bremer Landesverband der JA wurde im Oktober 2016 in Farge gegründet. Er wird geleitet von Robert Teske und Marvin Mergard. Björn Tschöpe, der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion Bremen, begrüßte die Entscheidung, die Organisation zu beobachten, als "folgerichtig". Nicht erst seit den Ereignissen in Chemnitz würden in der AfD und der JA "die Grenzen zwischen angeblich besorgten Bürgern, der Identitären Bewegung, Antisemiten, Fremdenfeinden und waschechten Neonazis zunehmend verschwimmen".
Mergard und Teske demonstrierten in der Vergangenheit bereits gemeinsam mit IB-Anhängern in Bremen und Berlin (wir berichteten). Die JA Bremen hat eine politische Zusammenarbeit jedoch offiziell abgestritten.
Nach den Ausschreitungen in Chemnitz in den vergangenen Tagen ist bundesweit eine Debatte darüber entbrannt, ob die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte. Der Grund: Die Partei habe sich an fremdenfeindlichen Demonstrationen in der Stadt beteiligt. Die AfD hatte für Samstag zu einem "Schweigemarsch" nach Chemnitz eingeladen, um an die Tötung eines 35-Jährigen Deutschem mit kubanischen Wurzeln zu erinnern. Als Tatverdächtige gelten zwei junge Araber. An der Kundgebung nahmen rund 8000 Menschen teil. Neben mehreren AfD-Landesvorsitzenden marschierten liefen auch Vertreter des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses in der ersten Reihe mit.
Politiker wie der Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sprachen sich für eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz aus. Innenminister Horst Seehofer (CSU) sah für eine flächendeckende Beobachtung jedoch zunächst keine Grundlage. (mit dpa)
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