Frau Weber, Sie sprechen neuerdings häufiger mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Wie kommt das denn?
Gaby Weber: Herr Steinmeier interessiert sich, so weit ich weiß, grundsätzlich sehr für das Thema Pflege. Er wollte ja eigentlich im März unsere Einrichtung besuchen und mit Mitarbeitern und Bewohnern sprechen. Ich gehörte einfach zu denjenigen, die von der Heimleitung gefragt worden sind, ob wir bereit dazu wären. Dann kam der Lockdown, der Termin musste abgesagt werden. Herr Steinmeier hat dann den Kontakt wieder aufgenommen, wir haben ganz normal telefoniert. Im Mai noch einmal, da war auch eine Bewohnerin dabei. Weil wir ja dann ja sowieso schon im Gespräch waren, habe ich die Anfrage aus dem Bundespräsidialamt für die „Bürgerlage“ bekommen.
Und wie ist Herr Steinmeier so am Telefon?
Wie er mit mir spricht, oder auch mit uns allen in der Videoschalte, finde ich sehr respektvoll. Herr Steinmeier ist sehr sympathisch, seine Worte passen. Dass er uns durch diese Zeit so regelmäßig begleitet und mir als Mensch und als Pflegekraft zuhören möchte, dass er uns nicht vergisst, finde ich schön. Für mich ist es natürlich aufregend, wenn das Bundespräsidialamt anfragt. Ich habe da schon Respekt vor, weil ich es ja nicht gewohnt bin, in der Öffentlichkeit zu stehen, und die „Bürgerlage“ wird ja öffentlich präsentiert. Außerdem muss ich zugeben, dass ich vorher noch nie Videoanrufe gemacht oder geskyped habe. Ich war vor dem ersten Gespräch nervös, das hat sich dann aber schnell gelegt, weil Herr Steinmeier so normal und auch mit Humor dabei ist.
Was halten Sie an sich von diesem Austausch mit Menschen aus anderen Branchen per Videoschalte?
Ich war ganz gefesselt von den Geschichten der anderen Teilnehmer. Es war sehr interessant, wie Menschen aus anderen Branchen mit Corona umgehen, zum Beispiel das Thema mal aus Sicht einer Schulleitung zu hören und von einer Gastronomin, die ein Hotel hat. Normalerweise tauscht man sich ja eher mit Kollegen aus, deshalb fand ich diese Mischung gut, und vor allem, dass es ein so persönliches Format ist. Wir durften erzählen, wie es uns geht. Das ist ja auch noch mal ein anderes Format als beispielsweise eine Talkshow oder eine andere öffentliche Diskussionsrunde.
Was waren Ihre wichtigsten Botschaften?
Was uns im Moment sehr beschäftigt und bewegt, sind die Besuche zu Weihnachten. Sie zu lenken, damit haben gerade ja alle Einrichtungen zu tun. Wir möchten unsere Bewohner und die Kurzzeitpflegegäste schützen. Wir haben jetzt natürlich sehr viele Anfragen, viele Menschen möchten ihre Verwandten besuchen. Wir fragen dann oft nach, mit wie vielen Leuten sie sich denn vorher treffen. Wir möchten, dass den Angehörigen bewusst wird, dass ja gerade über Weihnachten doch eine Menge an Kontakten zustande kommt. Wir haben die Sorge, dass über die Feiertage ein Ansturm entsteht, bei dem wir Schwierigkeiten hätten, die Kontakte nachzuverfolgen.
Mit was für Beschränkungen müssen Besucher rechnen?
Wir können zum Beispiel nur eine begrenzte Zahl in die einzelnen Bereiche hineinlassen, weil wir vermeiden möchten, dass sich Besucher und Angehörige auf den Fluren aufhalten oder sich im Eingangsbereich eine Warteschlange bildet. Dort wird ja jeder Besucher kurz im Umgang mit der FFP2-Maske geschult und auf die Hygieneregeln hingewiesen. Deshalb versuchen wir, die Besuche zeitlich zu takten. Die Planung bedeutet insgesamt sehr viel Aufwand.
Haben die Angehörigen denn Verständnis für die Situation?
Weihnachten ist ja ein sehr emotionales Fest. Wir können Besuche keinem verbieten, nur respektvoll und höflich auf die Umstände hinweisen. Ich muss sagen, dass wir bislang niemanden hatten, der sich nicht an die Regeln halten wollte. Der überwiegende Teil der Angehörigen hat auf jeden Fall großes Verständnis. Viele sind auch verunsichert, haben viel Erklärungsbedarf.
Und wie verkraften es die Bewohnerinnen und Bewohner, dass sie vielleicht weniger Weihnachtsbesuche bekommen als in anderen Jahren?
Das habe ich auch beim Bundespräsidenten erzählt. Die Bewohner haben zum riesigen Teil ein sehr großes Verständnis. Die meisten wissen ja, dass sie zu einer Risikogruppe gehören. Ich muss wirklich sagen, dass sehr viele sehr vernünftig sind und zum Beispiel schon von sich aus eine Gesichtsmaske aufsetzen, wenn der Sohn kommt. Die passen ganz doll auf, das finde ich wirklich faszinierend zu sehen. Was die Besuchseinschränkungen und die Kontaktreduzierungen angeht, versuchen alle unsere Kollegen, das so gut es geht aufzufangen. Ob es der Sozialdienst ist oder die Hauswirtschaftskräfte, sie versuchen was sie können, um dem entgegenzuwirken. Sei es in einzelnen Gesprächen oder mit Spaziergängen, um das aufzufangen.
Was ist Ihr größter Wunsch für die Zeit nach Corona?
Ich finde, dass die Wünsche sehr bescheiden geworden sind. Für die Zeit nach Corona wünsche ich mir eigentlich einfach wieder Normalität. Dass man mal wieder einen Ausgleich zur Arbeit hat. Das wünschen sich ganz viele Pflegekräfte. Einfach mal essen gehen, sich mal wieder mit seinen Freunden treffen und die Familie mal wieder in den Arm nehmen kann. Das ist zu etwas ganz Besonderem geworden in diesem Jahr.
Das Gespräch führte Nina Willborn.
Gaby Weber (46) arbeitet als Pflegefachkraft der Bremer Heimstiftung im Stadtteilhaus Kattenesch. Sie ist einer von sieben Menschen, mit denen sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rahmen der Livestream-Aktion „Bürgerlage“ austauscht.
Konferenz mit dem Bundespräsidenten
Die „Bürgerlage“ ist eine regelmäßige Aktion des Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier (SPD) spricht in einer Videoschalte mit sieben Bürgerinnen und Bürgern über ihre Sicht auf die Dinge und ihre Lage in der Pandemie, geplant ist das Format jeweils ein Mal pro Monat. Die Gespräche werden als Livestream auf der Homepage des Bundespräsidialamtes übertragen, Zuschauer können Fragen oder Anregungen in die Runde geben. Die nächste „Bürgerlage“ ist für Mitte Januar geplant.