Mit einem spektakulären Knalleffekt ging am Sonnabend vor dem Übersee-Museum das Spektakel anlässlich des Chinesisches Neujahrsfests zu Ende.
Viele Schaulustige hatten sich Punkt 18 Uhr um die Grünfläche vor dem Museum versammelt, um zu verfolgen, wie mit chinesischem Feuerwerk die bösen Geister vertrieben wurden.
Schnupperkursus in Mandarin
Unter ihnen: Elke Smolan-Härle, Stammgast beim Chinesischen Neujahrsfest, das das Übersee-Museum jedes Jahr Anfang Februar in Kooperation mit dem Konfuzius-Institut feiert. Wie viele andere, die das Übersee-Museum besucht hatten, hegt sie eine besondere Vorliebe für China. Die Lehrerin, die an der Internationalen Schule in Bremen unterrichtet, nimmt sogar Privatstunden in Mandarin und konnte sich so recht gut verständigen, als sie ihren Mann im vergangenen Jahr für zwei Monate nach Shanghai begleitete. In der boomenden Glitzermetropole am Huangpu unterrichtete der Ingenieur im Rahmen eines universitären Austausch-Projekts an der Hochschule in Shanghai. „Ich habe dort Kontakt zum Kulturinstitut aufgenommen, Schulen besucht, Bremensien verteilt und unsere Hansestadt vorgestellt“, erzählt sie. Wie überhaupt Malcolm Davis, Direktor der Internationalen Schule, stark an der Intensivierung der Kontakte mit China interessiert sei.
Obwohl sie schon über ganz gute Kenntnisse in Mandarin verfügt, hat sie doch einen Abstecher in den halbstündigen Schnupperkursus gemacht, den He, Dozentin des Konfuzius-Instituts, im Untergeschoss des Museums anbietet. „Ni hao“, das heißt „guten Tag“ und „xie xie“, „danke“. Schließlich wünschen sich die Teilnehmer im Chor: „Hou nian huai le“: „Ein glückliches Jahr des Affen“. Zum Vertiefen der ersten Chinesisch-Brocken werden im Anschluss Grundkurs-Lehrbücher verschenkt. Fasziniert von der chinesischen Sprache ist auch Hildegard Völker, die in der „Botanika“ tätig war. Sie hat mit ihrem Mann schon mehrfach China bereist und dabei viele Freundschaften geschlossen.
Chinesischer Koch-Workshop
Für Elke Smolan-Härle hatte die spannende China-Exkursion im Übersee-Museum mit einem Koch-Workshop begonnen, bei dem Jiaozi (Teigtaschen) aus Weizenmehl und Wasser mit verschiedenen Füllungen zubereitet und anschließend gemeinsam verspeist wurden. Ailing und Yue vom Konfuzius-Institut zeigten, wie’s geht. „Kann ja nicht so schwer sein, wenn man schon mal entsprechende Erfahrungen mit Tortelloni gemacht hat“, ist Sabine Riemer überzeugt. „Noch heute sind Jiaozi das wichtigste Gericht, das bei uns in China zum Jahreswechsel gegessen wird“, erklärt Ailing. „Das Jahr der Ziege hat reiche Ernte gebracht, das Jahr des Affen verheißt Glück und Gesundheit“, da sind sich die Dozentinnen des Konfuzius-Instituts sicher. Sie bieten in der Asienabteilung verschiedene Workshops an: Unter ihrer Anleitung werden an den umlagerten Workshop-Tischen Glücksbanner zum Neujahrsfest und farbenfrohe Scherenschnitte selbst gemacht. Oder die Pinsel geschwungen, um die Kunst der chinesischen Kalligrafie zu erlernen. Wer damit noch nicht zufrieden ist, der lässt sich seinen Namen auf Chinesisch von Profihand aufmalen.
Gerade haben die Kung-Fu-Künstler des Wushu-Teams Zhao Dong mit blitzenden Schwertern ihre akrobatische Show beendet. Da liefert Hartmut Roder, Leiter der Handelskunde-Abteilung am Übersee-Museum auch schon eine spannende Bestandsaufnahme der Weltmacht China. Zwar wird immer wieder über die Wirtschaftskrise im Reich der Mitte geschrieben. Man dürfe aber nicht vergessen, dass China 2015 immer noch ein Wirtschaftswachstum von 6,9 Prozent verzeichnen konnte, so Roder. Angesprochen auf die soziale Spaltung im Land des Staatskapitalismus, unterstrich Roder, dass sich in dem fraglos ruppigen Klima, das in China herrsche, die Situation der ärmsten 20 Prozent der 1,3 Milliarden-Bevölkerung, die noch vor 15 Jahren von 1,25 Dollar am Tag leben mussten, sich aber durchaus gebessert habe.
Erschließung im Eiltempo
2006 ließ Roder in Shanghai das Miniatur-Diorama der Boom-Metropole für die Asien-Ausstellung anfertigen. Heute hat Shanghai tausende Wolkenkratzer, die 50 Etagen hoch sind und deren Lichter sich nachts im Huangpu spiegeln. Der promovierte Historiker erläutert die geopolitische und geoökonomische Strategie, die China verfolgt. Während der Zustrom auch der Wanderarbeiter an die Ostküste ungebrochen anhalte, wird im Eiltempo das chinesische Binnenland mit transkontinentalen Hochgeschwindigkeits-Zug-Strecken erschlossen. Übrigens mit Beteiligung der Deutschen Bahn. Ziel sei es, die Strecke China-Deutschland in 15 Tagen zurückzulegen, die Strecke Peking - Moskau nur innerhalb von zwei Tagen.
Roders Prognose: „Die Globalisierung ist genauso wie Europa am Ende, beide fragmentieren sich. Nun versuchen die einzelnen Blöcke, ihre Strategien aufzubauen“. Seine Einschätzung: „Der Rückwärtsgang, den Europa momentan fährt, ist tödlich. Und: Es wird die höchste Zeit, den Eurozentrismus aufzugeben!“