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Bremer Parteien sondieren ab Mittwoch Der Poker ums Rathaus beginnt

CDU und SPD buhlen um die Gunst der Grünen. Das ist die Ausgangslage von Sondierungsgesprächen der Bremer Parteien, die am Mittwoch beginnen. Ziel ist die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.
27.05.2019, 22:25 Uhr
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Der Poker ums Rathaus beginnt
Von Jürgen Theiner

Schwarz trifft Grün: In dieser Kombination beginnen am Mittwoch erste Sondierungen zur Bildung eines neuen Senats. Vertreter der beiden Parteispitzen werden dabei versuchen, Gemeinsamkeiten auszuloten und sich einen Eindruck zu verschaffen, ob die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen Sinn macht. Für Freitag ist ein Treffen zwischen CDU und FDP anberaumt. Parallel wird die SPD in der zweiten Wochenhälfte erste Gespräche mit Grünen und Linken führen.

Sozial- und Christdemokraten machen sich gleichermaßen Hoffnung, eine parlamentarische Mehrheit organisieren zu können, die eine neue Landesregierung ins Amt bringt. Der Poker um die Macht im Rathaus hat begonnen. Den Grünen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Ohne sie ist keine neue Regierung denkbar, nachdem die SPD wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl eine Große Koalition und sogar entsprechende Sondierungsgespräche mit der CDU kategorisch ausgeschlossen hatte.

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Die Grünen waren am Montag bemüht, jeden Anschein einer Vorfestlegung zu vermeiden. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Vorsitzenden von SPD, CDU, Grünen, Linken und FDP betonte Grünen-Chef Hermann Kuhn die Distanz zum bisherigen Koalitionspartner SPD. Ziel der Grünen sei es, in jedwedem neuen Bündnis ein Maximum an grünen Positionen umzusetzen. Das betreffe Themen wie den Klimaschutz und die Notwendigkeit, „nicht wieder in eine Schuldenspirale zu geraten“. Zwischen den Zeilen war bei Kuhn eine gewisse Skepsis gegenüber einem rot-rot-grünen Bündnis nicht zu überhören. „Es wird nicht gehen, nur den ein oder anderen mit ins Boot zu holen“, sagte er. Gemünzt war dies offenkundig auf die Hoffnung der SPD, die verloren gegangene Bürgerschaftsmehrheit von Rot-Grün durch Anschluss der Linken wiederherzustellen.

Sowohl SPD als auch CDU buhlen nun also um die Gunst der Grünen. Und beide Parteien sind offenbar bereit, sehr weit zu gehen, um den Wunschpartner geneigt zu stimmen. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER deuteten führende Christdemokraten die Themen an, bei denen sie sich bewegen könnten. So lasse sich beispielsweise darüber reden, den Bremer Ausstieg aus der Kohleverstromung zu forcieren und gemeinsame bundespolitische Initiativen im Bereich der Windenergie zu ergreifen.

Dem OTB voll und ganz verschrieben

Auch der von den Grünen abgelehnte Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) ist für die Christdemokraten offenbar nicht sakrosankt. Die Vorstellung der CDU war zuletzt, dieses Infrastrukturprojekt in einen allgemeinen Schwerlasthafen umzuwidmen, doch auch hierauf würden einzelne christdemokratische Akteure offenbar nicht bestehen, wenn dieser Preis für ein Bündnis mit den Grünen zu zahlen wäre.

Das sähe bei der SPD schon anders aus. Die Sozialdemokraten haben sich dem OTB voll und ganz verschrieben, ihr aus Bremerhaven stammender Wirtschaftssenator Martin Günthner würde eine Abkehr von dem 180-Millionen-Euro-Projekt auf keinen Fall mitmachen. Doch auch die SPD-Führung stellt bereits einen Strauß von Themen zusammen, mit denen man den Grünen ein Links-Bündnis schmackhaft machen könnte.

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Die grüne Basis entscheidet am 6. Juni bei einer Landesmitgliederversammlung darüber, mit welchen Partnern formelle Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Bei führenden Sozialdemokraten war am Montag große Zuversicht erkennbar, die Grünen bei der Stange halten zu können. Das Kalkül der SPD-Strategen: Die grüne Basis ticke eher links, und die Parteiführung werde es nicht wagen, den Grünen-Landesverband durch einen Schwenk Richtung Jamaika einer Zerreißprobe auszusetzen.

Bestärkt fühlen sich die Sozialdemokraten von einer Wahlanalyse durch das Berliner Willy-Brandt-Haus. In dem Papier, das sich auf Erhebungen von Infratest-Dimap stützt und dem WESER-KURIER vorliegt, wird hervorgehoben, dass eine klare Mehrheit der Grünen-Wähler eine rot-rot-grüne Koalition einem Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP vorziehe. Das prozentuelle Verhältnis beträgt 67 zu 17 (Rest: andere theoretische Bündniskonstellationen).

Bei Personenstimmen deutlich hinter Meyer-Heder

Derweil scheint Bürgermeister Carsten Sieling parteiintern keinen Ruf nach persönlichen Konsequenzen aus dem Wahldesaster fürchten zu müssen. Sieling hat als SPD-Spitzenkandidat – nach dem letzten Stand der Auszählung – einen abermaligen Absturz seiner Partei um 7,7 Prozentpunkte zu verantworten. Schmerzhaft ist für ihn auch, dass er bei den Personenstimmen deutlich hinter seinem CDU-Herausforderer Carsten Meyer-Heder liegt.

Mit Stand 19.16 Uhr am Montagabend entfielen auf Sieling 23 628 Stimmen, Meyer-Heder kam auf 37 671. Eine solche, bittere Fußnote zum Gesamtresultat wurde von den Genossen nicht erwartet, hatten Vorwahlumfragen dem Bürgermeister doch regelmäßig einen Popularitätsvorsprung vor seinem Herausforderer attestiert.

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Im SPD-Landesvorstand, der am Abend tagte, wurden dennoch keine Messer gewetzt. Falk Wagner, Unterbezirkschef Bremen-Stadt, formulierte den Tenor der Debatte bereits im Vorfeld: „In Bremen gab es einen übermächtigen Bundestrend, und natürlich haben zehn Jahre finanzieller Konsolidierungskurs ihre Spuren in der Stadt hinterlassen.“ Der Landesvorstand beauftragte Sieling, die Sondierungsrunden mit den Wunsch-Koalitionspartnern Grüne und Linke zu leiten. Zur Delegation gehören außerdem die Landesvorsitzende Sascha Aulepp, Fraktionschef Björn Tschöpe und die Unterbezirkschefs Wagner, Ute Reimers-Bruns (Bremen-Nord) und Martin Günthner (Bremerhaven).

Wir haben für Sie die Diskussion zur Bürgerschaftswahl 2019 unterhalb des Liveblogs gebündelt. Dort können Sie gerne kommentieren. Wir freuen uns über Ihren Beitrag unter www.weser-kurier.de/bremenwahl-liveblog

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