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Vier Jahre Rot-Grün Diese Themen haben die Wirtschaft in Bremen geprägt

Welche Themen haben die bremische Wirtschaft in den vergangenen Jahren bewegt und wie steht sie heute da? Eine Bilanz nach vier Jahren rot-grüner Landesregierung.
19.04.2019, 18:02 Uhr
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Von Stefan Lakeband, Ilias Subjanto, Peter Hanuschke, Jürgen Hinrichs und Florian Schwiegershausen

Der Staat hat die Pflicht, die Wirtschaft zu fördern“ heißt es in Artikel 39 der Landesverfassung Bremens. Ist der rot-grüne Senat mit Bürgermeister Carsten Sieling und Wirtschafts- und Häfensenator Martin Günthner (beide SPD) diesem Auftrag in den vergangenen vier Jahren nachgekommen? Welche Themen haben die bremische Wirtschaft bewegt – und wie geht es ihr heute? Der WESER-KURIER zieht Bilanz.

Wachstum und Beschäftigung

Die Wirtschaft im Land Bremen hat sich zuletzt gut entwickelt. Die Zahlen des statistischen Landesamtes zeigen ein Wachstum, das deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. So legte im vergangenen Jahr das Bruttoinlandsprodukt in Bremen preisbereinigt um 2,1 Prozent zu. Bundesweit waren es nur 1,4 Prozent. Bremen landet damit hinter Berlin und Hessen auf dem dritten Platz.

Das kleinste Bundesland profitiert normalerweise besonders stark von einem Aufschwung; wenn die Wirtschaft insgesamt floriert, läuft es auch in der Hansestadt überdurchschnittlich gut. Läuft es hingegen schlecht, wird Bremen besonders hart getroffen. Das hat mit dem starken Außenhandel und dem Gewicht der Hafenwirtschaft zu tun, auch mit der Struktur der Industrie. Vergangenes Jahr hat sich ihre Wertschöpfung um 4,9 Prozent erhöht (2017: 4,1 Prozent).

Mit einer Bruttowertschöpfung von sechs Milliarden Euro schaffte es Bremen 2016 knapp in die Rangliste der zehn größten Industriestandorte Deutschlands. Einen wichtigen Teil trägt hierzu das Mercedes-Werk in Sebaldsbrück bei. Es ist mit mehr als 12 500 Beschäftigten Bremens größter privater Arbeitgeber und war 2015 und 2016 das größte Mercedes-Werk weltweit – ehe es von der Fabrik in Peking überholt wurde.

Diese gute Entwicklung kommt jedoch nur zum Teil auf dem Arbeitsmarkt an. Mit 9,8 Prozent ist die Quote der Arbeitslosen im Land Bremen noch immer über dem Bundesdurchschnitt (5,1 Prozent). Die Zahl der Beschäftigten ist seit 2010 beständig gestiegen – von 403 000 auf mehr als 436 000 im Jahr 2018. Deutschlandweit war der Anstieg im selben Zeitraum allerdings dynamischer.

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Infrastruktur und Verkehr

Verkehrsinfrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor. Firmen im Land Bremen treibt seit Jahrzehnten der Ausbau der A 281 um. Jahrelang verhinderten Klagen den Fortschritt im vierten Bauabschnitt vom Industriehafen bis zum Güterverkehrszentrum, Anfang 2019 konnte Bürgermeister Carsten Sieling den ersten Spatenstich für den Wesertunnel setzen. Im Jahr 2024 sollen die Arbeiten beendet sein; im selben Jahr soll auch das Teilstück zwischen Neuenlander Ring und Autobahnzubringer Arsten fertiggestellt sein. Der Ringschluss wäre vollendet. Allerdings begleiten Anwohnerproteste auch diesen Bauabschnitt seit Jahren.

Einen Riesenwirbel gab es um die Lesumbrücke auf der A 27: die Hauptverkehrsschlagader von Bremen nach Bremerhaven wurde Ende 2018 kurzfristig teilgesperrt, nachdem Schäden an tragenden Stahlbauteilen festgestellt worden waren. Die Sperrung betrifft die komplette Fahrspur Richtung Hannover, der Verkehr wird über eine Hälfte der Brücke abgewickelt, mit zwei Spuren je Richtung. Im Bremer Stadtgebiet gibt es insgesamt 760 Straßenbrücken, von denen laut Senat in den kommenden Jahren bis zu 100 sanierungsbedürftig sind, bei etwa 30 Querungen bestehe sogar dringender Handlungsbedarf.

Für Dauerärger sorgt auch die Verkehrs­situation in der Überseestadt. Nicht nur am Knotenpunkt Hansator kommt es wegen vieler Baustellen ständig zu Staus. Die mit großem Tamtam eingeführte Straßenbahnlinie 5 sorgt nicht für Entlastung: Nur mit einer Verlängerung der Straßenbahngleise in die Konsul-Smidt-Straße wäre eine Direktanbindung gewährleistet gewesen.

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Ansiedlungen und Gewerbeflächen

Laut Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) haben sich zwischen 2015 und 2018 insgesamt 126 Unternehmen in Bremen neu angesiedelt. Bei 68 davon habe es sich um internationale Unternehmen gehandelt. Der Umfang der vermarkteten Gewerbeflächen bewegte sich zwischen etwa 21 und 32 Hektar pro Jahr. Nur 2017 stach mit knapp 57 Hektar heraus, was laut WFB der Entwicklung der Gewerbegebiete an der Hansalinie geschuldet war. Inzwischen sind 1,7 Millionen Euro bewilligt, um dort früher als geplant die vierte Ausbaustufe in Angriff zu nehmen. Dennoch kritisiert die CDU, dass die Gewerbeflächen nicht ausreichen, vor allem nicht für großflächige Ansiedlungen.

Nach Angaben von WFB-Geschäftsführer Andreas Heyer sind durch die vermarkteten Gewerbeflächen in den vergangenen vier Jahren in Bremen mehr als 3300 neue sozialversicherungspflichtige Jobs entstanden. In dieser Zeit ist aber auch so manches Stück Bremer Firmentradition verschwunden. So hat Kellogg im November 2017 nach 53 Jahren die Produktion in Bremen geschlossen. Davon waren am Ende 200 Mitarbeiter betroffen. Bereits 2014 zogen Verwaltung und Marketing von Bremen nach Hamburg. Bei Hachez soll 2020 die Produktion in der Bremer Neustadt schließen, weil sie nach Polen verlagert wird – es geht um 150 Mitarbeiter. Ob Borgward wie ursprünglich geplant mit einem Montagewerk nach Bremen kommt, bleibt ungewiss. Bis Jahresmitte sind beim Güterverkehrszentrum 140 000 Quadratmeter für den Autohersteller reserviert.

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Zukunftstechnologien und Start-ups

Noch in diesem Frühjahr soll es soweit sein: Nach mehreren Jahren Bauzeit und einigen Verzögerungen eröffnet der Ecomat, ein Zentrum, in dem Wirtschaft und Wissenschaft zusammen an der Schlüsseltechnologie Leichtbau forschen sollen. Industrien wie die Luft- und Raumfahrt und der Automobilbau sollen von den Ergebnissen profitieren – nicht nur in Bremen. Die Hansestadt positioniert sich mit dem Projekt als Zukunftsstandort.

Eine Technologie, die ebenfalls eine immer wichtigere Rolle spielt, ist die Künstliche Intelligenz (KI). Auch hier hat sich Bremen in Stellung gebracht und auf der schon vorhandenen Infrastruktur mit dem Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz aufgebaut. So gibt es seit vergangenem Jahr ein eigenes KI-Cluster. Das steckt aber noch in den Kinderschuhen. Bei der Gründung hieß es, man wolle zunächst Aufmerksamkeit für das Thema schaffen.

Auch den Beginn einer anderen Initiative könnte man als holprig bezeichnen. 2017 hatte der Senat beschlossen, das Angebot für Nachwuchsunternehmer besser aufzustellen und sie schneller zu beraten. Als zu unübersichtlich galt das Vorgängernetzwerk. Mit dem „Starthaus“ sollte ein Ort für Gründer geschaffen werden, an dem sie Hilfe von öffentlicher und privater Seite bekommen. Die Leiterin des Projekts warf allerdings schon nach wenigen Monaten wieder hin.

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Häfen

Bremerhaven ist der viertgrößte Seehafen Europas. Vor ihm sind Hamburg, Antwerpen (Belgien) und Rotterdam (Niederlande) platziert. Platz vier klingt gut. Allerdings gibt es seit Jahren einen Trend zu beobachten: Während es in Rotterdam und Antwerpen – der Nummer eins und zwei in Europa – durchgehend Umschlagzuwächse teilweise im zweistelligen Bereich gab, stagniert der Güterumschlag in Bremerhaven. Allerdings verlor vor allem Hamburg an Ladung. 2012 gab es in Bremerhaven einen historischen Rekordumschlag von 6,1 Millionen Standardcontainer (TEU). Seitdem geht es abwärts: 2018 waren es 5,4 Millionen TEU, in diesem Jahr wird ein ähnliches Niveau erwartet.

Sind die Rahmenbedingungen in Rotterdam und Antwerpen einfach besser? Bremerhaven hat eine gute Infrastruktur zu bieten, aber reicht dies aus? Die Hinterlandanbindung jedenfalls stimmt: Mit einem Eisenbahnanteil von mehr als 70 Prozent bei Autotransporten und rund 50 Prozent bei Containern liegt Bremerhaven beispielsweise europaweit vorn. Und es wurde kräftig investiert: So ist der Bahnhofsteil Imsumer Deich zwischen 2014 und 2017 umfassend ausgebaut worden. Das Land Bremen ließ es sich 30 Millionen Euro kosten, um im Vorfeld der Container- und Autoterminals eine zusätzliche Anlage zum Sortieren der Güterzüge zu errichten.

Aber Infrastruktur ist anfällig, sei es im Zugverkehr, weil vom Sturm umgeknickte Bäume die Gleise blockieren, oder im Güterverkehr auf der Straße, wenn eine Brücke nur eingeschränkt nutzbar ist – so wie derzeit die ­Lesumbrücke. Solche Probleme haben auch andere Standorte. Aber weitere Investitionen sind nötig. Und vielleicht sind Rotterdam und Antwerpen auch einfach günstiger. Zumindest wird in der Hafenwirtschaft immer wieder moniert, dass Bremerhaven zu hohe Hafengebühren verlange.

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Offshore-Terminal

Bei den Planungen für den Offshore-Terminal in Bremerhaven (OTB) ist der Senat in den vergangenen Jahren keinen Deut vorangekommen. Das Projekt, einst mit 180 Millionen Euro taxiert, hat sich im Gestrüpp juristischer Auseinandersetzungen verfangen. Bremen gab dabei bislang eine schlechte Figur ab. Den Behörden wurden von den Gerichten eklatante Mängel in den Vorbereitungen für den Schwerlasthafen nachgewiesen. Der Planfeststellungsbeschluss sei daher rechtswidrig, heißt es im jüngsten Urteil, das im Februar vom Bremer Verwaltungsgericht verkündet wurde. Die Grünen haben den OTB mittlerweile beerdigt. Die Linken auch. Die CDU fordert einen allgemeinen Schwerlasthafen ohne Zweckbindung. Einzig die SPD, vor allem Wirtschaftssenator Martin Günthner, hält noch an den ursprünglichen Plänen fest. Für das größte Bremer Infrastrukturprojekt der letzten Zeit ist eine verfahrene, kaum auflösbare Situation entstanden. Auch deshalb, weil von den Windkraftherstellern in Bremerhaven mit Senvion nur einer übrig geblieben ist. Das Unternehmen steckt in großen Schwierigkeiten und musste Insolvenz anmelden.

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