Dreck, Drogen, Elend: Die Situation rund um den Bremer Hauptbahnhof hat sich trotz Aktionsplan nicht entspannt. Nach langem Ringen einigte sich der Senat im Januar auf ein umfangreiches Paket, an dessen Umsetzung gleich mehrere Ressorts beteiligt sind. Insgesamt 31 Maßnahmen und rund zwei Millionen Euro sollten dafür sorgen, dass der Bahnhof für Bremerinnen und Bremer nicht endgültig zum Angst-Ort verkommt. Doch nachhaltige Verbesserung gibt es bisher nicht - im Gegenteil. "Die Lage hat sich in den vergangenen Monaten noch einmal verschärft", sagt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) dem WESER-KURIER und kündigt an, den Bahnhof am Dienstag, 1. November, erneut im Senat zum Thema machen zu wollen.

Seit der Sperrung der Fußgängerbrücke campieren immer mehr Drogenkranke vor dem Szenetreff.
Nach Einschätzung der Experten habe die Zahl der Suchtkranken zuletzt noch einmal zugenommen. Ein besonderes Problem stelle nach wie vor die Crack-Szene dar, wodurch der Anteil der obdachlosen Menschen steige. "Die Zustände sind nicht allein mit verstärkten Polizeikontrollen zu lösen", sagt Mäurer. Allein im Oktober (bis zum 26.10.) seien von der Polizei 600 Personen kontrolliert, rund 200 Platzverweise ausgesprochen und 125 Anzeigen gefertigt worden. "Das Ergebnis kann uns dennoch überhaupt nicht zufriedenstellen", so Mäurer weiter.
Immer mehr Bereiche verwahrlost
Zuletzt erhitzten die Zustände im neu eröffneten Bahnhof-Parkhaus die Gemüter. Dort sorgte die Drogenszene innerhalb kürzester Zeit für Verwahrlosung. Aber auch die Situation vor dem Szenetreff neben dem Intercity-Hotel sorgt weiter für Unmut. Im Zuge des Aktionsplans sind dort die Öffnungszeiten deutlich ausgeweitet worden. Doch war der Ort ursprünglich als Anlaufstelle für Obdachlose und Alkoholiker geplant, sammeln sich vor dem Eingang nun zunehmend Gruppen aus der Drogenszene, die die eigentliche Zielgruppe verdrängen würden. Drum herum verteilen sich Spritzen, Blut und Fäkalien.
Problematisch ist auch nach wie vor der Haltestellenbereich der Bremer Straßenbahn AG. Die verstärkte Präsenz von Polizei, Ordnungsamt und BSAG-Mitarbeitern entspanne die Lage zwar phasenweise, doch oftmals finde nur eine kurzzeitige räumliche Verschiebung der Szene statt. "Das subjektive Sicherheitsgefühl unserer Mitarbeitenden ist weiterhin nicht gut, auch wenn sie glücklicherweise nur selten direkt aggressiv von der Szene angegangen werden", sagt BSAG-Sprecher Andreas Holling auf Nachfrage. "Es bleibt ein latentes Gefühl der Bedrohung durch die Szene."
Auch der Verein "Attraktiver Bremer Bahnhof", der die Interessen der Anrainer vertritt, kritisiert die fehlende Entwicklung: "Unsere Mitglieder haben den Eindruck, dass sich durch den Aktionsplan nichts Wesentliches geändert hat", sagt Geschäftsführer Hartmut Roder.
Neuer Aufenthaltsort in der Friedrich-Rauers-Straße?
In der Senatssitzung am kommenden Dienstag will Innensenator Mäurer nun Lösungen finden, wie sich möglichst schnell akzeptierte Ausweichflächen für die Drogenszene schaffen lassen. Im Gespräch dafür ist die Friedrich-Rauers-Straße. Dort befindet sich bereits ein provisorischer Drogenkonsumraum, ein fester Raum soll bis spätestens 2024 entstehen. "Es braucht die Kraftanstrengung aller beteiligten Senatsressorts und vor allem eine akzeptierte Ausweichfläche mit weiteren Angeboten, die die Szene dort hinzieht und die sie dort hält. Dann würden auch die Polizeimaßnahmen mehr Wirkung entfalten können", ist Mäurer überzeugt.
Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende der Linken sieht ebenfalls dringenden Handlungsbedarf in Sachen Bahnhof. Eine Anhörung der Gesundheits- und Sozialdeputation zu Toleranz- und Aufenthaltsflächen stehe zwar noch aus, aus ihrer Sicht sei eine Ausweichfläche in der Friedrich-Rauers-Straße jedoch durchaus eine Option, die man prüfen könne - unter einer Bedingung. "Die geflüchtete Frauen und Kinder, aus dem nahe gelegenen Übergangswohnheim müssen woanders untergebracht werden. Das ist schon jetzt kein guter Zustand", sagt sie.
Ob sich die Drogenszene dauerhaft in die abgelegene Straße vertreiben lässt, ist fraglich - schließlich erhoffen sich viele Abhängige kleine Geldspenden von den Tausenden Menschen, die den Bahnhofsplatz täglich passieren. Leonidakis könnte sich als zusätzlichen Ausweichort - vor allem tagsüber - den Platz vor dem Überseemuseum vorstellen. "Um den Haltestellenbereich zu entlasten", sagt sie.
In diesem Vorschlag steckt durchaus Konfliktpotenzial, schließlich bemühen sich die Anrainer schon seit Monaten darum, den Platz aufzuwerten und Veranstalter zu gewinnen. Für das kommende Jahr seien zudem eine ganze Reihe an Aktionen vorgesehen, heißt es aus der Innenbehörde, auch unter Beteiligung des Wirtschaftsressorts.