Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehr dürfen in bestimmten Situationen schneller fahren, als es die Verkehrsregeln im Allgemeinen erlauben. Doch was passiert, wenn sie dabei geblitzt werden? Ist ein Feuerwehrauto, ein Rettungswagen oder ein Polizeiauto zu schnell unterwegs und wird dabei von einem Radargerät erfasst, kommt es auf eine Sache an: "Entscheidend ist allein, ob das Sonderrecht nach Paragraf 35 der Straßenverkehrsordnung in Anspruch genommen wurde", sagt Karen Stroink, Sprecherin der Bremer Innenbehörde. Es zählt also, ob sich das Fahrzeug mit Blaulicht – und in der Regel auch mit Martinshorn – im dringenden hoheitlichen Einsatz befand.
Im Einsatz geblitzt – und nun?
"Diese Sonderrechte erlauben es den Einsatzkräften, Verkehrsregeln zu überschreiten, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben zwingend erforderlich ist", sagt Stroink. Gleichzeitig gelte weiterhin die allgemeine Sorgfaltspflicht – andere Teilnehmer im Verkehr dürften nicht unnötig gefährdet werden.
Wird ein Einsatzfahrzeug während einer Einsatzfahrt geblitzt, erfolgt laut Stroink eine interne Prüfung, um die Frage zu klären, ob der Einsatz gerechtfertigt war. In München, das berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, ist kürzlich auf Stadtratsebene eine Diskussion darum entbrannt, ob der bürokratische Aufwand für die Verfolgung geblitzter Einsatzfahrzeuge zu hoch sei. In Bremen sieht man dieses Problem offenbar nicht. "Ein aufwendiges Verfahren oder Bürokratie entsteht dabei nicht", sagt Stroink über den Ablauf in der Hansestadt.
Das bestätigt auch Michael Richartz, Pressesprecher der Bremer Feuerwehr. Als Beleg, der für eine Einstellung des Verfahrens sorgt, reiche oft schon, dass auf dem Blitzerfoto das Blaulicht zu sehen sei, sagt er. Auch er selbst wurde nach eigenen Angaben schon einige Male im Rahmen von Einsatzfahrten geblitzt.
Auch im Einsatzfall muss stets abgewogen werden, ob es notwendig und verhältnismäßig war, die Verkehrsregeln zu missachten, wie Stroink erklärt: "Die Sonderrechte sind kein Freifahrtschein." Komme es zu Beschwerden oder gar zu einem Unfall, werde jeder Fall individuell geprüft – und vor allem auch geschaut, ob die Sorgfaltspflicht eingehalten wurde.
Bei der Feuerwehr nehme man das Thema hohes Tempo im Verkehr nicht auf die leichte Schulter, sagt Richartz. "Unsere Fahrzeuge wiegen bis zu 14 Tonnen, ein Unfall kann verheerende Folgen haben." Schon deswegen fahre man bei einer roten Ampel nur im Schritttempo in eine Kreuzung ein. Darüber hinaus haben Absolventen der Feuerwehr-Fahrschule "40 Fahrstunden auf dem Tacho", wie Richartz sagt – weit mehr als Absolventen, die einen zivilen Lkw-Führerschein machen.
Ein Blitzerfoto pro Woche erreicht die Feuerwehr
Auf insgesamt rund 80.000 Einsatzfahrten im Jahr kommt die Bremer Feuerwehr laut Richartz. Bei neun von zehn Fahrten sei ein Rettungswagen im Einsatz, nur bei einem Zehntel der Einsätze sei es ein Feuerwehrauto. Durchschnittlich ein Bescheid wegen zu schnellen Fahrens erreiche die Bremer Feuerwehr wöchentlich zur Klärung, also gut 50 im Jahr. "Die meisten kommen aus dem niedersächsischen Umland", sagt Richartz. Dorthin finden demnach öfter Verlegungsfahrten von Kranken unter Alarm statt.
Wie viele Verfahren schon vorab beim Ordnungsamt eingestellt wurden, kann Richartz nicht sagen. Und auch das Bremer Ordnungsamt nicht. Konkrete Zahlen zur Häufigkeit von geblitzten Einsatzfahrzeugen werden dort nach eigenen Angaben nicht erhoben.
Mitunter kommt es bei Einsatzfahrten auch zu Unfällen. Geht es um beschädigte Großfahrzeuge, kann sich Feuerwehrmann Richartz in den vergangenen Jahren nur an Bagatellen wie abgefahrene Spiegel oder eingedrückte Kotflügel sowie an einen kleineren Auffahrunfall zwischen einem Löschfahrzeug und einer Drehleiter erinnern. Kommt bei einem solchen Crash ein Zivilfahrzeug oder eine Person zu Schaden, übernehme den Schaden keine reguläre Versicherung, sondern der sogenannte kommunale Schadenausgleich, erklärt er – eine Art Selbstversicherung der Gemeinden. Und das geschehe ohne große Hürden. "Mir ist nicht bekannt, dass es da mal Schwierigkeiten gab".
Keine Sonderbehandlung für die Polizei
Noch schneller als die Feuerwehr ist oft die Polizei unterwegs, wenn das Blaulicht eingeschaltet ist. Auch deren Beamten unterliegen dabei einer Kontrolle. "Ein Verkehrsunfall im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Sonderrechten zieht zunächst ein Verfahren nach sich, das dem bei anderen Verkehrsunfällen ohne Beteiligung von Polizeifahrzeugen entspricht", sagt Franke Haedke, Pressesprecherin der Polizei Bremen.
Kommt es zu einem Unfall, so kann dies für die Fahrerin oder den Fahrer laut Haedke straf-, disziplinar- sowie haftungsrechtliche Folgen haben. Je nachdem, ob und was dem Fahrer des Einsatzfahrzeuges vorzuwerfen sei, wie groß die verursachten Schäden seien und ob Menschen zu Schaden gekommen seien, schlössen sich individuelle Maßnahmen an – zum Beispiel in Form von Verwarnungs- oder Bußgeldern und/oder strafrechtlichen Konsequenzen.