Geht es um die Gefahr terroristischer Anschläge, ist es zuletzt vergleichsweise ruhig geblieben – in Bremen wie in der gesamten Bundesrepublik. Könnte aber auch an einem Gewöhnungseffekt liegen, mutmaßt Dierk Schittkowski, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz. Denn bestimmte Ereignisse und Meldungen stießen längst nicht mehr auf so großen Widerhall wie noch vor einigen Jahren. Deutschlandweit wird nach wie vor jeden Monat jemand festgenommen, von dem man annimmt, dass er einen Anschlag vorbereitet, erklärt Schittkowski. Und in Bremen? Der Behördenleiter überlegt, lässt sich Zeit mit seiner Antwort. Schwierig, Formulierungen wie die von der "anhaltend großen Gefahr" auf eine Stadt wie Bremen herunterzubrechen. "Sagen wir es so: Alle Phänomene, die uns bundesweit Sorgen bereiten, haben wir auch in Bremen und Bremerhaven."
Deutlich wurde dies zuletzt im Dezember und Januar, als in Bremen Wohnungen von mutmaßlichen „Reichsbürgern“ durchsucht wurden. Wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot und Volksverhetzung wird gegen mehrere Männer und Frauen ermittelt. Diese Durchsuchungen standen zwar nicht im Zusammenhang mit der bundesweiten Razzia gegen die Reichsbürger um Heinrich XIII. Prinz Reuß Anfang Dezember. Aber das sei eher Zufall, sagt Schittkowski: "Es hätte mich nicht gewundert, wenn bei denen auch ein Bremer mit bei gewesen wäre." In Bremen habe die Zahl der Reichsbürger zuletzt deutlich zugenommen. Die Szene sei zu einem Sammelbecken für Corona-Leugner, Verschwörungsideologen und klassischen Rechtsextremisten geworden.
Bremer Verfassungsschutz sieht unter Reichsbürgern hochgradig gefährliche Leute
Mit geschätzt 100 Personen sei die Reichsbürger-Szene zwar immer noch überschaubar, aber es habe sich ein harter Kern gebildet, der im Internet Hass und Hetze verbreitet. Wenn es um die Gefahr von Anschlägen geht, sehe er in dieser Mischszene derzeit die größte Bedrohung, erklärt Schittkowski. Es ginge um hochgradig gefährliche Leute. "Da gibt es Gewaltfantasien, die schon geeignet sind, sich an der einen oder andere Stelle zu entzünden." Von zwölf Personen aus dem Spektrum der Reichsbürger wurden in den vergangenen Jahren die waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen. Dies führte zur Abgabe von 30 Waffen beziehungsweise Waffenteilen wie zum Beispiel Schalldämpfern.
Was in Sachen Linksextremismus in Bremen zu erwarten ist, sei schwer vorhersehbar, sagt Schittkowski. Schien der Brandanschlag auf OHB zu Jahresbeginn 2022 wie eine Drohung dessen, was da noch kommen würde, so blieb es danach weitgehend ruhig. Aber harmlos sei die Szene bei Weitem nicht. Zumal angesichts der Sympathien, die aus der Bremer Szene heraus immer wieder für gewalttätige Aktionen anderswo im Lande bekundet würden. "Da muss ich davon ausgehen, dass es auch bei uns den einen oder anderen gibt, der bei so etwas mitmachen würde."
Ebenfalls schwer zu greifen seien die Entwicklungen in der islamistischen Szene. Es gebe unverkennbare Strukturen, dass sich hierzu im Nahen Osten wieder etwas tue. "Der IS ist ganz gewiss nicht tot, auch wenn er eventuell in anderem Gewand auftaucht." Gerade hier zeige sich die Rolle des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem. "Wenn es da wieder losgeht – wann erreicht das dann Europa?" In den sozialen Medien werde ohnehin weiterhin für extremistische Ideen propagiert und geworben, auch in Bremen. Man wisse natürlich nie, wie eng sich jemand damit identifiziere. "Aber die Zahlen dort sind erschreckend. Viel höher als in der realen Welt."
Was den Salafismus betrifft, sei Bremen nach wie vor ein Hotspot, sowohl von den Zahlen her als auch was die Aktivitäten etwa des Moscheevereins "Islamischer Kulturzentrum" (IKZ) betreffe. Von daher sei konsequentes Vorgehen wie gegen einen Prediger des IKZ richtig, dem die Innenbehörde vorwirft, für Terrororganisationen zu werben und sie unter dem Deckmantel des Islam zu tolerieren. Ebenso Verbotsverfügungen wie zuletzt gegen die "Al-Mustafa Gemeinschaft", die als extremistisch eingestuft wurde und der Terrororganisation Hisbollah nahestehen soll. "Es ist wichtig, dass wir hartnäckig bleiben", betont Schittkowski. Auch weil dieses Vorgehen das Signal in die entsprechenden Gemeinschaften aussende, "dass wir ihnen weiterhin auf den Füßen stehen".