In Bremen ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten 2019 gegenüber dem Vorjahr ungefähr konstant gegeben. Innerhalb der Statistik gibt es jedoch einige auffällige Verschiebungen, unter anderem beim Gewaltpotenzial militanter Linksextremisten. Das geht aus einem Papier der Innenbehörde für die Senatssitzung an diesem Dienstag hervor. Die Parlamentsfraktion der Grünen hatte sich nach den Daten erkundigt.
Rein quantitativ betrachtet, hielten sich die aus rechts- und linksextremer Gesinnung heraus verübten Straftaten im vergangenen Jahr ungefähr die Waage. 134 Taten von rechts standen 127 angezeigten kriminellen Akten von links gegenüber, wie bereits im Juli bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes bekannt geworden war (wir berichteten). Die jetzt von der Innenbehörde aufbereiteten Zahlen vermitteln ein detaillierteres Bild.
Bei den rechten Taten handelte es in den meisten Fällen um sogenannte Propagandadelikte, also etwa das Verbreiten nationalsozialistischen Gedankenguts oder das öffentliche Zeigen des Hitlergrußes. Eher selten übten Neonazis Gewalt gegen Personen oder Sachen aus. Drei Körperverletzungen und neun Sachbeschädigungen sind in der Polizeistatistik verzeichnet. Im Linksextremismus macht die Zahl der Sachbeschädigungen dagegen allein die Hälfte der registrierten Straftaten aus. Einen deutlichen Ausschlag nach oben gab es bei den Brandstiftungen. Zehn solcher Vorfälle sind für 2019 aktenkundig – eine Verdoppelung gegenüber dem langjährigen Durchschnitt.
In dem Papier der Innenbehörde werden auch einige typische Fälle aus dem Tatgeschehen bei Rechts- und Linksextremisten wiedergegeben. So bedrohten rechte Akteure ein Parteimitglied der Linken, das eine Demonstration angemeldet hatte, im Internet mit dem Tode. Dort sah sich auch der Vorsitzende einer Regensburger Hilfsorganisation Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt, verübt von einem Bremer Rechtsextremisten. In einer Straßenbahn wurde ein Nigerianer von einem militanten Rechten beleidigt und geschlagen, als sich das Opfer neben den Gewalttäter setzen wollte.
Auch die Linksextremisten teilten aus. So griffen Gewalttäter Mitglieder der AfD nach einer Mahnwache im öffentlichen Raum an. Bei einer anderen Gelegenheit stieß ein militanter Linker eine andere Person mit dem Kopf gegen die Wand und kündigte an: „Beim nächsten Mal wird es mehr.“ Schlagzeilen machte ein Überfall von etwa 20 bis 30 Linken auf eine Gaststätte an der Schlachte, wo sich einige Mitglieder der rechten Gruppierung „Phalanx 18“ aufhielten.
Viele Taten mit diffusen Motiven
Die Grünen erkundigten sich in ihrer Anfrage auch nach Erkenntnissen über die strafrechtliche Aufarbeitung rechtsextremistischer Straftaten. In fast allen Fällen blieb es bei Geldstrafen. Beispiel: Ein 50-Jähriger hatte Demonstranten der Fridays-for-Future-Bewegung mit dem Hitlergruß bedacht. 1200 Euro kostete das den Täter. 3600 Euro musste ein zum Tatzeitpunkt 22-jähriger Mann zahlen, der im Weserstadion die dunkelhäutigen Spieler eines Gastvereins als „Drecksnigger“ und „Scheiß Nigger“ geschmäht hatte. In einem Fall kam es zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe. Für zwei Jahre und neun Monate musste ein 27-Jähriger ins Gefängnis, der einen 16-jährigen Jugendlichen zunächst ausländerfeindlich beleidigt und dann mit einem Messer verletzt hatte.
Einen deutlichen Rückgang verzeichnet die Statistik für 2019 bei politisch motivierten Straftaten von Ausländern und Taten mit religiösem Hintergrund. Ihre Zahl ging von 34 auf zwölf zurück. Bei diesen Fällen ging es oft um Konflikte zwischen türkisch- und kurdischstämmigen Akteuren. So wurde am Rande einer Demonstration ein Mann geschlagen, der den Teilnehmern in provokativer Absicht einen türkischen Faschistengruß gezeigt hatte. Im südlichen Stadtgebiet gab es eine Brandstiftung, die offenbar von Anhängern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verübt wurde.
Neben den eindeutig zuzuordnenden Taten aus der politisch motivierten Kriminalität gab es 2019 eine hohe Zahl von Fällen, in denen die Hintergründe unklar blieben. 48 solcher Vorfälle registrierte die Polizei, so viel wie nie seit 2010. Eine dieser Taten betraf den früheren Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Ein Unbekannter rief bei ihm zu Hause an. Seiner Frau sagte der Täter, er wolle „mit Henning über die SPD sprechen, sonst wird er seinen morgigen Geburtstag nicht erleben“.
Wenig Veränderung gibt es laut Innenbehörde bei der Anzahl der sogenannten Gefährder – Personen, denen die Polizei politisch motivierte Straftaten „von erheblicher Bedeutung“ zutraut. Im religiösen Spektrum soll es sich um eine niedrige zweistellige Zahl handeln, bei Links- und Rechtsextremisten jeweils um eine einstellige Zahl von Personen.